Teil 3: Um die Gezeiten

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131: Kapern

Und Jack behielt Recht. Noch an diesem Abend - wobei... es war eher Nacht - kamen wir auf Barbados an. Es war eine schöne, milde, sternenklare Nacht. Nachdem Jack aus dem Boot gestiegen war und mir ebenfalls herausgeholfen hatte, standen wir nun am Hafen der Insel. Im Hafen befand sich ein großes Schiff - perfekt zum Kapern!

Ich sah Jack an. Er sah mich an. Und ich musste ehrlich zugeben, dass ich diesen Blickaustausch sehr mochte. Ich mochte seine Augen. Immer noch. Sie waren so schön. So tiefbraun. So tiefbraun, dass sie fast schwarz waren. Immer wenn ich in seine Augen sah, schlug mein Herz schneller und eine Welle von Gefühlen rammte mich um, als wäre ich nichts weiter als ein kleines, zartes Bäumchen, das einem Sturm zum Opfer gefallen war.

"Und nun?", fragte ich, als ich mich wieder fasste.

"Es ist doch offensichtlich, Liebes. Findest du nicht?", antwortete Jack und nickte mit dem Kopf in Richtung Schiff.

"Kapern!", sagte ich erfreut nickend und lächelte leicht. "Hast du eine Vorgehensweise?"

"Aye", meinte Jack. "Wir nutzen die Chance, dass alles schläft, aus. Also, Liebes: kannst du ein Schiff kapern? Oder kannst du es nicht?" Er sah mich eindringlich an.

Nun, wenn ich ehrlich war, musste ich zugeben, dass ich nicht ganz sicher war, ob ich ihm sagen sollte, dass mir doch nicht so ganz wohl bei der Sache war, oder es doch lieber sein lassen sollte. Wobei ich auf der anderen Seite verdammt gern kapern würde, weil es bestimmt ziemlich interessant war. Und natürlich - wie immer eigentlich - siegte meine abenteuerlustige Seite. Und hey, da war ja auch noch dieser Vorteil, dass Jack und ich uns nicht in Gefahr begeben würden. Ich meine, wenn eh alles schlief, wer sollte dann auch eine Kaperung bemerken? Also ich als Hobbyschläferin - mehr oder weniger -, konnte bezeugen, dass es sowas wie ein Wunder sein würde, wenn wir entdeckt werden würden. Zu gut, dass wir auch noch keinem Nachtwächter über den Weg gestolpert waren.

"Aye", antwortete ich dann entschieden. "Ich kann ein Schiff kapern. Hoffe ich doch." Ich lachte leicht auf.

"Nun, das finde ich sehr gut", meinte Jack, bückte sich und holte die Decke und die Kerze aus dem Beiboot. "Du, Jessie, gehst nämlich jetzt an Bord und wartest dort auf mich, klar soweit?! Ich werde das Schiff losbinden. Wenn ich bei dir bin, lichten wir den Anker und es geht los. Du nimmst schonmal die Kerze und die Decke mit."

Ich nickte bloß. Dann legte ich den Kopf schief. "Ähm... wie soll ich auf das Schiff kommen, wenn ich die Decke und die Kerze mitnehmen muss? Was erwartest du von mir? Ich meine... ich würde es sogar schaffen von einem normalen Weg zu fallen." Ich musste lachen.

Jack seufzte, murmelte etwas in der Richtung 'wie willst du das anstellen?' und setzte ein komisches Lächeln auf, von welchem ich vermutete, dass es Mitleid wegen meiner 'Doofheit' ausdrücken sollte. Er breitete die Decke aus und legte sie mir wie einen Umhang um die Schultern. Dann drückte er mir die Kerze in die Hand.

"Dafür findest du einen Platz, Liebes", meinte er, grinste und zwinkerte. "Du siehst gerade übrigens verdammt süß aus. Umhänge stehen dir anscheinend."

Ich kicherte und stopfte mir die Kerze in den Ausschnitt, wie ich es immer tat, wenn ich spontan etwas irgendwo verstauen musste. "Gut, dann... bis dann", meinte ich, lächelte Jack an und ging auf das Schiff zu.

"Wir sehen uns!", rief Jack mir leise hinterher.

Ich hatte nun einen Steg erreicht, der auf das Schiff führte. Zwar nicht genau auf das Schiff, aber wenig später war ich dabei, das letzte Stück des Schiffes hochzuklettern. Ich streckte gerade den linken Arm nach oben und ergriff die oberste Sprosse der Reling, als ich spürte, wie die Kerze rutschte. Sie befand ich nun unter meinem Bauchnabel. Ich weitete die Augen. Wenn die Kerze weiter rutschte, würde sie mir flöten gehen. Das wäre nicht gut. Das wäre verdammt mies! Im Zweifelsfall hätten wir dann nämlich kein Licht mehr. Also musste ich weiterklettern. Und zwar schnell. Und vor allem vorsichtig.

Always the Sea - Die Abenteuer der Jessie Bones (Fluch der Karibik FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt