76: Familie wie... Mutter, Vater, Kind?

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Nach zwei Tagen warfen wir dann im Hafen von Punta de Maisí den Anker. Wir waren nun auf Kuba. Jack trug Mr. Cotton und seinem Papagei auf, auf das Schiff aufzupassen. Der Rest ging an Land. Während alle anderen das Dorf erkundeten, blieben Jack und ich noch kurz am Hafen stehen.

"Willkommen in Punta de Maisí, Liebes", sagte Jack stolz. "Was brauchst du?"

Ich tat unwissend. "Hm... wir sind auf eine Hochzeit eingeladen, was brauche ich denn dann wohl? Schwere Frage... äußerst schwere Frage..." Ich sah Jack mit einem 'Bist-du-so-dumm-oder-tust-du-nur-so?'-Blick an. "Natürlich brauche ich ein neues Kleid und ein Hochzeitsgeschenk. Und vielleicht lässt sich ein schicker Anzug mit Fliege für dich finden." Ich grinste.

Jack starrte mich an; er fand das wohl gar nicht lustig. "Wohl kaum", sagte er mit kühler Stimme, fuhr dann aber wieder gut gelaunt fort: "Dann komm. Wir müssen heute noch wieder den Anker lichten, sonst kommen wir nicht rechtzeitig zur Hochzeit an und dein verehrter Herr Cousin wird sauer und setzt uns auf einem gottverlassenen Fleckchen Erde von Insel aus und lässt uns vergammeln, klar soweit?!"

"Ich denk schon", antwortete ich und wir gingen ebenfalls in das Dorf.

Wir schlenderten durch eine Gasse mit vielen kleinen Läden. In der Gasse befanden sich viele Leute. Ich zog Jack mit mir in den nächsten Kleiderladen.

"Muss das wirklich sein?!", murrte er unzufrieden.

"Ja, das muss sein, du Griesgram!", antwortete ich bestimmt nickend und kicherte, doch kurz darauf verlor sich mein Blick in den vielen, tollen Kleidern. Also wirklich: die waren wundervoll!

Ich konnte meinen staunenden Blick erst wieder von den Kleidern losreißen, als der Verkäufer auf uns zu kam. "Kann ich etwas für Euch tun, Miss?"

"Also, wir sind auf eine Hochzeit eingeladen und ich brauche noch ein Kleid. Hättet Ihr da vielleicht etwas für mich?", fragte ich.

"Natürlich, folgt mir", antwortete der Verkäufer und führte uns weiter in den Laden rein. "Mal sehen", murmelte er und sprach dabei mehr mit sich selbst, als mit uns.

Jack und ich tauschten einen Blick.

"Ah ja!", sagte der Verkäufer und griff nach einem Kleid.

Es war weiß bis cremefarben und knielang. Unten am linken Bein waren in grau ein paar Blumen auf den Stoff gestickt.

"Na probier's doch mal an", meinte Jack auffordernd.

"Gut", sagte ich, griff nach dem Kleid und verschwand damit hinter einem aufgestellten Sichtschutz, damit ich mich umziehen und das Kleid anprobieren konnte - natürlich mit besonderer Vorsicht wegen meiner Wunden.

Wenig später kam ich wieder hervor; Jack starrte mich an und musterte mich staunend von oben bis unten. "Du siehst bezaubernd aus, Jessie."

"Danke. Ähm... habt Ihr irgendwo einen Spiegel?", fragte ich den Verkäufer.

"Dort drüben", antwortete er.

Ich lief in die Richtung, die er mir vorgab und entdeckte einen Spiegel. Oh wow, ich sah wirklich toll aus! Ich zuppelte etwas an dem Kleid herum, bis es richtig saß, stellte mich seitlich vor den Spiegel und betrachtete mich erneut. Dann zuppelte ich wieder etwas daran herum und drehte mich wieder nach vorn.

"Ich nehm es!", sagte ich dann begeistert und entschieden zugleich und drehte mich strahlend zu Jack und dem Verkäufer um.

Wenig später verließen wir - ich war überglücklich - den Kleiderladen. Ich hatte mir außerdem ein bisschen was zum schminken gekauft. Doch jetzt ging es auf die schwierigste Sache zu: das Hochzeitsgeschenk. Was könnte man David und seiner Charlotte, die ich nicht einmal kannte, zur Hochzeit schenken?

"Sag mal, Jack, was wäre das perfekte Hochzeitsgeschenk für die beiden?"

"Keine Ahnung. Ich habe noch nie geheiratet. Ich bin nicht so gut darin, Hochzeitsgeschenke zu besorgen", erklärte Jack.

"Sehr hilfreich...", brummte ich.

"Liebes, was hältst du davon: lass uns zum Strand gehen und ich verspreche dir, ich lasse mir etwas einfallen, aye?!", schlug Jack vor.

"Na schön", antwortete ich und wir machten uns auf den Weg zum Strand.

Dort angekommen ließen wir uns im warmen Sand unter einer Palme nieder.

"Lass uns etwas meditieren", schlug ich vor, setzte mich in den Lotussitz, streckte den Rücken gerade, stützte die Ellbogen auf die Knie und legte meine Mittelfinger und Daumen aneinander.

Jack folgte meinem Beispiel und setzte sich mir gegenüber. Die Geräuschkulisse war natürlich sehr entspannend. Das Meeresrauschen, der Wind und die Möwen sorgten für eine angenehme Atmosphäre. Wir schlossen die Augen und atmeten tief ein und aus. Es war so wundervoll still. Und ich hätte ewig so hier sitzen können. Doch dann legten sich plötzlich warme Lippen auf meine. Jack küsste mich. Ich erwiderte seinen Kuss und wir legten uns währenddessen langsam in den Sand in die Sonne. Ich löste mich von ihm grinste kurz, nahm seine Hand und legte mich auf den Rücken neben ihn. Ich schloss die Augen und genoss die angenehme Ruhe für eine Weile. Dann öffnete ich die Augen wieder und sah hinauf in den Himmel, beobachtete die Wolken, die Möwen und die sich im Wind wiegenden Palmenblätter. 

"Sag mal, Jackie...", fragte ich dann, "...was hältst du eigentlich von Familiengründung?" Ich spürte Jacks Blick auf mir ruhen, ließ meinen Blick aber im knallblauen Himmel.

"Familiengründung?!", fragte er. "Meinst du Familie wie... Mutter, Vater, Kind?"

"Aye", antwortete ich und zog die Augenbrauen verwirrt zusammen. "Was denn sonst?"

"Ehrlich gesagt... nicht so viel, Liebes. Kinder nerven, sind laut, schränken einen ein und stinken", erklärte er.

"Du stinkst auch", kicherte ich, aber ich war erleichtert, denn ich sah es genauso, wie er.

"Und du?", fügte er hinzu. "Was denkst du?"

"Ich teile deine Meinung, Jack. Voll und ganz", sagte ich lächelnd.

"Mir ist übrigens etwas eingefallen, was wir deinem Cousin und seiner Geliebten schenken können", sagte Jack dann. "Wie versprochen!"

Ich setzte mich auf. "Aye?!"

"Klar."

"Na dann, schieß los!"

"Wir sammeln zwei Steine und lassen ihre Namen darin eingravieren. Das ist zwar nichts besonderes, aye, aber immerhin etwas. Schön und einfach."

"Ich denke, du hast Recht! Das ist sogar eine ziemlich gute Idee. Danke, Jack!" Ich erhob mich und half ihm ebenfalls hoch. "Komm, jetzt dürfen wir Steine suchen."

Wir zogen uns unsere Schuhe aus, ließen sie im Sand liegen und gingen auf das Meer zu. Wir wateten durch das flache Wasser. Die Wellen trafen sanft und erfrischend auf unsere Knöchel. Mein Kleid flatterte im Wind. Es war wunderschön. Ich liebte Spaziergänge am Strand. Die Sonne strahlte warm und hell am Himmel und ich wusste, nach diesem Tag war ich noch einen Ticken brauner geworden. Und das hatte ich wirklich mal wieder nötig gehabt.




Als wir dann Abends wieder zur Pearl zurückkehrten, waren schon alle anderen an Bord. Wir hatten zwei schöne Steine gefunden. In den einen hatten wir 'David' und in den anderen 'Charlotte' eingravieren lassen. Und ich war ziemlich stolz darauf. Und irgendwie auch minimal neidisch, denn ich musste wirklich gestehen, dass Jack eine wirklich schöne Idee gehabt hatte. So etwas würde mit unseren Namen bestimmt auch nicht schlecht aussehen. Wer weiß, vielleicht würden wir ja auch irgendwann in ferner Zukunft heiraten und jemand würde auf die Idee kommen uns so etwas zu schenken. Aber nein! Jack und heiraten? Das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Auch wenn ich mich natürlich ziemlich freuen würde...

"Da seid ihr ja endlich", meinte Juana.

"Ja, da sind wir endlich", antwortete ich und machte mich auf den Weg in Jacks Kajüte, um meine Sachen weg zu packen.

Währenddessen ging Jack auf das Steuerrad zu und brüllte Befehle: "Anker lichten, Segel setzen, Richtung Norden! Auf nach Hog Cay!"


Always the Sea - Die Abenteuer der Jessie Bones (Fluch der Karibik FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt