105: Ein gottverdammter Kuss

801 66 13
                                    

Es war Nachmittag an einem Tag, wie jeder andere. Seit ich diesen Mann mit dem komplizierten Namen hier an Bord hatte, waren weitere fünf Tage vergangen. Ich vermisste meinen Jack so dermaßen, dass es schmerzte. Richtig übel schmerzte. Ich war richtig traurig. Und mit 'richtig traurig' meinte ich tatsächlich richtig, richtig, richtig traurig. 

Heute war ein sonniger Tag. Das Meer war wunderbar karibisch blau, der Himmel vereinzelt mit Schäfchenwolken bedeckt und die Sonne knallte mir gerade einen schicken dunkleren Teint auf die Haut. Gefiel mir. Das hatte ich echt mal wieder nötig. In den letzten Tagen war ich nämlich ziemlich blass geworden. 

Die Seemöwen flogen kreischend über die Dutchman hinweg. Ich stand an der Reling und blickte gerade traurig zum Horizont. Und ich hatte Lust, irgendwas Verrücktes zu machen, um mich abzulenken und mal etwas anderes zu tun. Irgendwas... unnormales, abenteuerliches. Ich dachte nach. Was bot sich denn auf einem Schiff so an? Ich drehte mich um und erblickte den Hauptmast. Gerade ließ sich eine Möwe auf dem Rand des Krähennestes nieder. Vielleicht könnte ich einfach da hoch klettern und... Möwen fangen? Ja. Das würde ich tun. Das war sinnlos, machte wahrscheinlich Spaß, war ausgefallen, abenteuerlich und irgendwo auch etwas verrückt und man konnte seine Aggressionen freien Lauf lassen. Perfekt.

Also marschierte ich auf den Hauptmast zu, nahm ein Fischernetz mit und kletterte empor zum Krähennest. Oben angekommen plumpste ich hinein und genoss erst einmal die Aussicht. Sie war zwar wunderschön, aber so langsam konnte ich nur Meer nicht mehr sehen. Und trotzdem liebte ich es so sehr und könnte diesen wunderschönen Ort niemals verlassen. Ich seufzte. Dann wandte ich mich an mein Netz. Nun... damit konnte man noch keine Möwen fangen. Ich lehnte mich über den Rand und erblickte in der Takelage viele - mehr oder weniger - unnütze Seile. Hm, es würde bestimmt nicht auffallen, wenn ich mir eins stibitzen würde. Ich meine, es war EIN Seil, ja? Das würde schon nicht den Untergang des Schiffes bedeuten. Also zückte ich mein Schwert und schnitt mir von dem Seil ein Stück ab. Genau mittendrin. Da das Seil ja oben befestigt war, fiel der untere Teil in die Tiefe und landete zusammengerollt mit einem komischen Geräusch auf dem Deck. Hoppla Ich grinste ein wenig. Den Rest des Seils band ich jetzt durch die außen liegenden Löcher des Netzes, sodass eine Art... naja... Amateur-Kescher entstand. Ich war handwerklich nicht sonderlich begabt. Ebenso war es ja auch mit dem Kochen.

Ich nahm mein außerordentlich hübsches - die Ironie dürft ihr jetzt bitte nicht überlesen - Kescher-Gerät nun in die Hand und ließ es durch die Luft schwingen. Mehrmals. Na das klappte doch besser als gedacht! Zufrieden grinste ich. Jetzt konnten die Möwen sich auf etwas gefasst machen. Ich stellte mich im Krähennest hin und blickte empor. Es waren genug Möwen da, irgendeine von denen würde ich schon gefangen bekommen. Eine flog gerade über meinen Kopf hinweg. Gut, die war jetzt mal die Glückliche, auf die ich es absehen würde. Ich schwang meinen Kescher nach ihr, doch verfehlte sie. Mistding. Sie flog einfach weg. Anstatt sie sich mal erbarmt und freiwillig ins Netz fliegt.

So stand ich also hüpfend und durch die Luft keschernd auf Möwenjagd im Krähennest. Aber hier hatte ich keine Chance, diese Viecher zu kriegen. Ich musste in die Takelage klettern. Das konnte eventuell gefährlich werden. Naja, was tut man nicht alles für einen kleinen, sinnlosen, verrückten, halsbrecherischen und abenteuerlichen Spaß?!

Also gab ich meinen Aufenthaltsort auf, kletterte aus dem Krähennest und in die Takelage der Flying Dutchman. Ach du liebe Güte... wenn ich hier runterfallen würde, würde ich Matsche sein... oder nicht einmal Matsche. Also sollte ich besser das Gleichgewicht halten und auf jeden Schritt aufpassen. Wenn ich lebend hier runter kommen wollte. Ich balancierte also jetzt auf dem waagerechten Mast herum. Oh Mann, ich war Captain eines Schiffes, aber hatte nicht einmal die geringste Ahnung von dem, was ich MIT dem Schiff eigentlich alles besaß; nicht mal die Namen der Takelagenpfosten wusste ich. Tadelnd schüttelte ich den Kopf. Naja, aber dafür konnte ich immerhin ein Schiff steuern.

Always the Sea - Die Abenteuer der Jessie Bones (Fluch der Karibik FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt