✽Seventy Six✽

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Yoongi

„Ich sehe total scheisse aus!"
Jammernd stehe ich vor dem großen Kleiderschrankspiegel und zupfe an meiner Hose rum, die enger sitzt als sonst. Kein Wunder, immerhin habe ich seit meiner Beziehung zu Hoseok zugenommen.

„Baby, dein Arsch sieht darin göttlich aus, die bleibt an," meint eben erwähnter Freund nun und leckt sich dabei provokant über die Lippen. Ich werfe ihm einen säuerlichen Blick zu, werde dann aber trotzdem etwas rot und komme nicht umhin mich geschmeichelt zu fühlen.

„Bist du denn jetzt fertig?"
„Geht das Shirt denn so?" Zweifelnd sehe ich Hoseok an, der mich jetzt an meinem Handgelenk fasst, um mich aus seinem Zimmer zu ziehen.
„Ja das passt so, und jetzt komm endlich mit nach unten, die anderen warten alle."
Geduld scheint nicht seine Stärke zu sein.

Panik kommt in mir auf, aber ich lasse mich trotzdem brav von Hoseok mitschleppen. Meine Hand nehme ich nicht aus seiner, wir würden uns sowieso jeden Moment outen. Oh Gott. Ich kann das nicht, nicht noch vor meinem Vater, Hoseoks  Mutter, unseren Großeltern und meiner Tante. Aber sie alle sitzen am Küchentisch, ein Stück Kuchen auf dem Teller und warten auf Hoseok und mich.

„Hoseok...," beginne ich, aber ehe ich weitersprechen kann, dreht sich mein Freund schwungvoll zu mir um, presst mich gegen die Flurwand und küsst mich kurz, aber stürmisch.

„Du hälst jetzt mal deine Klappe, okay?", murmelt er etwas atemlos gegen meine Lippen, als er sich ruckartig wieder von mir löst. Alles in mir kribbelt und ich starre ihn einfach nur an, als wäre er eine göttliche Erscheinung.
„Mach dir nicht so viele Gedanken, unsere Familie liebt uns."

Hoseok zerrt mich jetzt weiter durch den Flur und ich fühle mich langsam wie ein bockiges Schaf auf dem Weg zum Schlachter. Wer weiß, vielleicht komme ich auch nicht lebend aus dieser Familienzusammenkunft raus.

„Da sind die beiden ja!"
Begeistert sieht meine Mutter auf unsere verschränkten Hände, als Hoseok mit mir zusammen das Esszimmer betritt. Sofort liegen alle anderen Blicke auf uns und es dauert nicht lange, bis die ersten Augenbrauen fragend nach oben gezogen werden, als sie unsere ineinander verflochtenen Hände bemerken.

„Ich -" Ich unterbreche mich. Man, ich habe doch keine Ahnung, wie ich das jetzt erklären soll. Und außerdem habe ich Angst vor der Reaktion, vielleicht hätte ich mir das besser überlegen sollen, vielleicht -

„Yoongi und ich lieben uns und wir sind fest zusammen!"

Mein Kopf schnellt zu Hoseok und entgeistert blicke ich ihn an.
„Das nennt man kurz und schmerzlos, wie bei einem Pflaster," flüstert er mir zu, wirkt aber selber auch etwas angespannt. Er hat es einfach so gesagt.

„Oh Gott. Ich glaube, meine Beine geben nach," antworte ich nur, aber da hat Hoseok meine Hand schon losgelassen und stattdessen einen Arm um meine Taille geschlungen. Ich lehne mich sofort an ihn und sehe mit geweiteten Augen zu den anderen.

Meiner Oma fällt ein Stück Kuchen von der Gabel, mein Opa wirkt eher so als würde er sich ein neues Hörgerät wünschen, in der Hoffnung die Worte von eben missverstanden zu haben. Hoseoks Großeltern scheinen jeden Moment zu Ersticken, so lange wie sie schon die Luft anhalten und meine Tante beginnt debil zu Grinsen.

Nur mein Vater und Hoseoks Mutter geben ein Geräusch von sich, ein bisschen eine Mischung aus entsetztem Einatmen und quietschendem Ersticken.

„Das... ist eine Neuigkeit," fasst sich schließlich mein Vater zuerst und lächelt uns unsicher an.
„Herzlichen Glückwunsch, würde ich dann mal sagen?" Er nickt kurz auf unsere ineinander verschränkten Hände und meine Mutter seufzt, ehe sie ihn Anstupst.

„Jetzt geh schon hin und umarme die beiden, die machen sich vor Angst gleich in die Hose."

Sofort kommt mein Vater der Aufforderung nach und ich bin erleichtert, als er mich fest an sich drückt. Die größte Hürde ist überwunden, mein Vater hasst mich nicht, denn auch wenn er kein Mann der vielen Worte ist, so spricht diese Geste dafür umso deutlicher.

Bevor die anderen jedoch ihre Meinung äußern können, räuspert sich Hoseok neben mir auf einmal. Mein Vater macht verwirrt einen Schritt zurück, aber mein Freund hat nur Augen für mich, ein liebevolles Lächeln auf den Lippen.

Er räuspert sich noch ein Zweites Mal und lässt mich dann ganz los. Ich sehe ihn verwirrt an, aber er leckt sich nur unruhig über die Lippen und wendet sich mir dann ganz zu. Mein Herz beginnt auf einmal heftig zu schlagen und mir kommt wieder der Gedanke, dass Hoseok noch etwas Wichtiges für heute geplant hatte.

„Kleiner... wir sind noch ziemlich jung, aber trotzdem schon durch so viel Scheisse gegangen, wie es sonst wohl kaum einem Paar in so kurzer Zeit passiert. Aber wir haben es gemeinsam geschafft und mit jedem Tag habe ich gemerkt, dass ich dich immer mehr liebe."

Perplex sehe ich ihn an, aber er spricht schon weiter. „Als ich dich kennengelernt habe, warst du so kaputt und schwach, hast nicht mehr an dich selber geglaubt und bist mit jedem Tag mehr zerbrochen. Du hast versucht es nie zu zeigen, aber ich habe es trotzdem gesehen und es hat mir jedes Mal das Herz gebrochen."

Ich blinzele ein paar Mal wie verrückt, als mir plötzlich Tränen in die Augen steigen. Auch Hoseok ist ganz blass geworden und beißt sich nervös auf die Unterlippe.

„Und trotzdem hast du mich vom ersten Moment an verzaubert und fasziniert - es war mir egal, dass wir Halbstiefbrüder wären. Meine Gedanken waren ständig bei dir und als ich dich näher kennengelernt habe, hat sich meine kleine Welt plötzlich nur noch um dich gedreht. Verdammt, du bist mir so schnell so unfassbar wichtig geworden."
Er reibt sich einmal über die Augen, die verdächtig rot geworden sind.

„Und als du dann immer schwächer geworden bist, konnte ich nicht mehr einfach zusehen. Ich glaube, es war sogar mein Egoismus und meine Angst dich zu verlieren, die mich dazu angetrieben haben, dir zu helfen. Es waren immer nur kleine Schritte, aber langsam ist es besser geworden und es macht mich so glücklich. Du glaubst gar nicht, wie krass ich mich freue, dich jetzt so vor mir stehen zu sehen. Du bist gesünder geworden, hast mehr Selbstbewusstsein gewonnen und trotzdem habe ich immer noch das Bedürfnis, dir jede Sekunde zu sagen wie wunderschön und wertvoll du bist."

Hoseok fummelt mit zittrigen Händen in seiner Hosentasche herum und ich schlage mir entsetzt die Hand vor den Mund, als er ein dunkles Kästchen hervorzieht.
Als er dann auch noch vor mir in die Knie geht, setzt mein Herz für einen Moment aus.

„Bevor du Panik bekommst - nein, ich mache dir keinen Antrag, der kommt wenn wir älter sind."
Bei seinen Worten öffnet er das Kästchen und es kommt eine schlichter, silberner Ring zum Vorschein.

„Doch ich möchte trotzdem, dass du weißt, dass ich dich von ganzem Herzen liebe. Und ich möchte keinen Tag erleben, an dem du nicht mehr an meiner Seite bist."
Jetzt hat Hoseok Tränen in den Augen und schniefend wischt er sie weg.

„Man, ich bin doch nicht gut in diesem Romantikzeugs," murmelt er verärgert über sich selber und ich kichere erstickt, wobei ich merke, dass ich ebenfalls weine.

„Aber was ich damit eigentlich sagen will - ich möchte dich für immer in meinem Leben haben und da wir noch sehr jung fürs Heiraten sind, will ich dich hiermit fragen: Willst du mein fester Freund sein? Und irgendwann mein Mann werden?"

Er hält mir das Kästchen hin, sieht hoffnungslos zu mir hoch und ich kann nicht anders als zu quietschen und heftig zu nicken, während mein Herz in meiner Brust wehtut.

„Ja. Verdammt, Ja!", schniefe ich und da meine Beine fast nachgeben, lasse mich zu Hoseok auf den Boden fallen, um ihn fest zu umarmen.
Sofort schlingt er seine Arme um meinen Körper und presst mich fest an sich.

„Ich liebe dich," flüstere ich. „Und dank dir habe ich gelernt, mich selber zu lieben. Nur das ich dich nie verlassen würde."
Meine Gedanken sind kurz bei Jin, aber sofort wieder im hier und jetzt. Das ist jetzt alles nicht wichtig. Nur Hoseok zählt.

Denn anders als Jin brauche ich nicht die Bestätigung der anderen Menschen, solange diejenigen, die mir am liebsten sind, immer für mich da sind. Und ich weiß, dass ich mich auf sie verlassen kann.

Weil ich es wert bin.





Ende

FattyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt