Fatty

✽One✽

Yoongi

Wie immer verbringe ich meine Pause auf dem Schulklo, hinten in der letzen Kabine.

Wie immer bin ich dabei ganz alleine und wünsche mir meine wenigen Freunde von Zuhause herbei.

Wie immer lausche ich den Gesprächen der anderen Jungen, die mich nichts angehen und mich nicht interessieren sollten.

Wie immer kriege ich die Lästereien über mich mit.

„Kennst du den?"
„Wen?"
„Den Fetten. Min Yoongi."
„Achso, klar, unser Fatty. Ein Wunder, dass die Erde unter ihm noch steht."
Ein fieses Lachen und ich mache mich immer kleiner, während ich darauf warte, dass die Pause endlich vorbei ist.

„Er sollte mal anfangen mit Sport," höre ich weiter und ich erkenne die Stimme.
Das ist Park Jimin, ein Junge mit dem ich viele gemeinsame Kurse habe. Er ist ein kompletter Fitnessfreak, verweigert jede überflüssige Nahrungsaufnahme, wie er es nennt und macht sich immer über mich lustig.

„Kannst ihn ja mal mit zum Joggen nehmen. Wenn er nicht nach zehn Metern wie ein dicker Pfannkuchen auf der Strecke bleibt!," wieder Gekicher, wieder überkommt mich ein Schauder.

Das war definitiv Jeon Jungkook, die zweite Hälfte von Jimin. Er ist mindestens genauso ehrgeizig und Sportbesessen wie sein bester Freund. Wenn ich mich nicht irre, ist er auch Kapitän des Basketballteams.

„Und dann soll er auch noch schwul sein. Bei dem hässlichen Hintern fickt ihn doch keiner!"
Jimin lacht und ich höre, wie der Wasserhahn des Waschbeckens aufgedreht wird.

„Naja, es gibt ja diesen Fetisch, da stehen die Leute auf Fette...," wendet Jungkook ein, aber Jimin lacht nur gehässig.
„Dafür ist er doch viel zu hässlich!"

Die beiden Lachen hämisch und mir fallen spontan Dinge ein, die ich ihnen genauso gut an den Kopf werfen könnte. Jungkook hat Hasenzähne und Jimin aufgeplusterte Wangen. Aber das ist nichts schlimmes.

Nur bei mir sind so unwichtige Sachen auf einmal schlimm.

„Mir tut Rosé leid, die jetzt eine Partnerarbeit in Geschichte mit ihm machen musste. Eine ganze Doppelstunde lang!"
Der Wasserhahn wird ausgestellt und irgendwer rupft das Papier aus dem Spender.
„Ja, die Arme. Wer würde schon gerne mit dem zusammenarbeiten?"
Als ob die beiden nichts anderes hätten, über das sie reden könnten.

Leider sind Jungen genauso schlimm, was Lästereien angeht, wie Mädchen.
Natürlich, bei Mädchen machen Sachen viel schneller die Runde und Jungs halten ihre Gespräche eher im kleinen Kreis.
Aber wenn sie einmal ein Opfer gefunden haben, machen sie es gnadenlos fertig.

Und das Opfer bin nun mal ich.

„Was hast du gleich?"
„Mathe und du?"
Die beiden unterhalten sich weiter, aber verlassen die Toilette, sodass ich es nicht mehr mitbekomme. Aber es würde mich sowieso nicht interessieren.

Mit schwerem Blick sehe ich runter auf meine kleine Schultasche, die direkt neben der Kloschüssel steht. An der Seite schaut meine Wasserflasche raus, die ich heute schon das dritte Mal aufgefüllt habe.

Wasser entfettet und Wasser macht nicht dick, dazu ist Wasser sehr gesund. Wenn ich so darüber nachdenke, trinke ich täglich vielleicht sogar vier Liter, denn das schwere Gefühl im Magen ist so, als hätte man etwas gegessen. Und selbst wenn ich an einer Wasservergiftung sterben sollte, wen kümmerts.

Für einen kurzen Zeitraum vergisst man dadurch seinen Hunger.
Und den habe ich wirklich häufig.
Das ist alles was zählt.

Vielleicht haben die anderen Recht und ich bin einfach dick und hässlich. Dabei gebe ich mir so viel Mühe mit meinem Körper und wenn ich morgens in den Spiegel schaue, hatte ich bisher auch nie das Gefühl, besonders übergewichtig zu sein.

Ich gehe zweimal die Woche Tanzen, fahre mit dem Fahrrad zur Schule und gelegentlich gehe ich auch Joggen. Im Sportunterricht komme ich ganz gut mit und ich esse wenig Fastfood oder Süßes.

Warum bin ich dann fett?

Meinen die anderen vielleicht die kleine Hautfalte die ich habe, wenn ich sitze? Haben sie doch auch, oder etwa nicht? Warum ist es bei mir dann fett und bei ihnen ganz normal?

Vielleicht sollte ich mir auch einfach keine Gedanken darüber machen. Vielleicht sollte ich die Sache so entgegen nehmen, wie sie nun mal ist, denn daran wird sich so schnell nichts ändern.

Ich bin Fatty.