Am nächsten Tag gegen Mittag eines erstaunlich freundlichen Tages saßen mir mein Bruder, meine Mutter und mein Vater versammelt gegenüber und fragten sich warum ich wie aussah, als würde ich jeden Moment mitten im Gespräch einschlafen mit meinen blauen Schatten unter den müden Augen. Es waren schlaflose Nächte, mit Albträumen, die ich schon kannte, die sich mit immer neuem Schrecken wiederholten. Ich war wirklich müde, was hätte ich dafür getan, einfach nur schlafen zu können. Ohne zu träumen. Letzte Nacht war es besonders schlimm gewesen. Nicht nur de Erinnerungen, die sich in einem ewigen Wirbel wiederholten, diesmal hatten sie sich auch mit neuen Bildern und Gesichtern teilweise hier aus dem Krankenhaus vermischt. Es war schrecklich gewesen. Als Zuschauer, stumm, taub und bewegungslos immer wieder zu sehen wie Leute an meiner Statt von der Granate zerfetzt wurden. Wieder und wieder und wieder. Ohne das ich handeln konnte, sie warnen, wegbringen.
Aber mein realer Albtraum fand ja erst noch statt. Man hatte mir bereits gesagt, dass ich nach der Besucherzeit meiner Familie das zweite, nette Gespräch mit Dr. Black haben würde. Wunderbar, wenn der mich so sah würde er die Einschreibung in dir Geschlossene wortlos unterschreiben. Weshalb ich beschloss so wach wie mir nur möglich zu wirken.
Mutter hielt meine Hand ganz fest. „Die Schwestern haben von einem schweren Trauma gesprochen und Klaustrophobie. Mein Gott, was ist denn nur passiert, Darling?" Ihre Augen glitzerten sorgenvoll. Ich schüttelte wage den Kopf. „Mal sehen wie das Personal reagieren würde, wenn man sie fesselt wie ein Tier.", grummelte ich vor mich hin, doch meine Mutter verstand. „Es war nur zu deinem Besten.", sagte sie beschwichtigend, beugte sich dann aber kopfschüttelnd in ihrem Stuhl vor: „Aber ich finde die Maßnahme auch etwas unbegründet und völlig überzogen. Du bist schließlich kein Verrückter aus der örtlichen Anstalt." Mein Bruder verkniff sich ein Grinsen, als er das hörte. Ich schaffte es ihm ein gespielt mürrischen Blick zuzuwerfen und lächelte dann ebenfalls. Vielleicht hatte Mutter recht, ich fühlte mich nicht verrückt, auch wenn das keine Seltenheit nach einem solchen Erlebnis wie in Vietnam wäre, so hatte ich gehört. Viele Soldaten wurden nach ihrem Einsatz als schizophren diagnostiziert, mit Angstattacken und ewigen Problemen. Teilweise beendeten sie ihr Leben frühzeitig. Nicht, dass ich daran auch schon gedacht hätte. Aber immerhin jetzt ging es mir ...okay. Alles wirkte trüb und wenn ich diesen zersplitterte, bebende Etwas was sich Zukunft nannte näher betrachtete wurde mir wieder schlecht und kalter Schweiß trat mir auf die ansonsten heiß anfühlende Haut, aber das war es. Ich verscharrte die Gedanken, gab mich der Liebe meiner Familie hin und ließ mich davon wärmen.
„Ich habe dir Schokolade mitgebracht.", meinte Mutter dann strahlend lächelnd und hob einen ganzen Korb mit Schokoriegeln. Meine Augen weiteten sich überrascht. „Mama, das ist doch viel zu viel.", meinte ich, während ich mich leicht aufstützte, um zu bestätigen, dass der Korb wirklich bis zum Rand gefüllt war. Stefan, mein Bruder legte die Stirn frech in Falten. „Siehst du, ich hab dir gesagt er will es nicht. Wird schon nicht verhungern hier, auch wenn der Fraß echt eklig aussieht.", meinte Stefan zu unserer Mutter und deutete mit dem Kinn auf ein graues Tablet neben meinem Bett. Mittagessen. Ein Teller mit einer faden Suppe und Klößchen.
„Ich stell ihn dir hier hin, dann musst du nur den Arm ausstrecken und zugreifen.", fuhr Mutter gutmütig fort, wobei sie Stefan vollkommen überging. Sie schob den Korb neben meine Bett in Griffweite. Ich nickte lächelnd, wie erwartet wurde mir warm in der Brust. „Du bist die Beste.", sagte ich und hätte mich gern vorgebeugt um ihr einen Kuss auf dir Wange zu geben, aber jede Bewegung war zu anstrengend, mein Körper von der Nacht zu ausgelaugt. Doch sie verstand auch so, natürlich tat sie das, das hatte sie immer getan.
Da ging auf einmal die Zimmertür auf und Anne kam mit einem Stapel frischer Wäsche herein. Offenbar für Luke, der gerade ebenfalls Besuch genoss und sich mit dem Rollstuhl durch den Garten schieben ließ. Sie lächelte uns kurz höflich und verlegen errötend zu und beeilte sich die Kleidung im Schrank neben dem Bett zu verstauen. Ich sah wie sie versuchte den weißen Metallschrank möglichst leise zu öffnen, um uns nicht zu stören und nicht weiter aufzufallen. Eine unnötige Geste, die mir dennoch ein kurzes Lächeln abrang.
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Soldiers Scars #PlatinAward
General Fiction„Krieg... Krieg macht dich zu einem Menschen der du nicht sein willst. Er zerfrisst dich von innen nach außen, bis nichts mehr von deinem alten Ich übrig ist." Derren McConnell ist gerade mal 22, als er für zwei Jahre nach Vietnam in den Krieg gesch...