Und nun stand er hier. Henry sah zur Fensterfront des Wohnzimmers rein, stand dort unter dem Baum, wo er schon einmal gestanden hatte und Julie ihn bemerkte. Doch nun war sie nicht so aufmerksam. Sie saß auf dem Sofa, wiegte sich ganz offensichtlich in Sicherheit in den Armen des jungen Mannes, der ihn verdammt noch mal niedergeschlagen hatte. Henry verzog den Mund bei dem Gedanken, dass der Typen bei weitem älter als Julie war und sie ihm ein Vertrauen entgegen brachte, wie es Henry bei ihr nie gesehen hatte. Sie war an ihn gelehnt, den Kopf an seine Schulter gebettet und er hatte den Arm um sie gelegt, sagte amüsiert lächelnd etwas zu ihr, was auch sie zu einem schüchternen Lächeln brachte. Nein, sie wirkten nicht wie ein Liebespaar, eher wie Geschwister, die sich lange gesucht und jetzt endlich gefunden hatte. Henry kam es trotzdem fast hoch, doch er schluckte seine Gefühlsregung eisern runter und bleib regungslos. Der Mann beugte sich vor ergriff etwas auf dem Tisch und drückte Julie eine dampfende Tasse in die wartend ausgestreckten Hände. Die Szene war definitiv zu fröhlich, zu glücklich, wie die Familien in diesen TV Spots, die alle zusammen lächelnd am Küchentisch auf den nach Hause kommenden Familienvater warteten, das Essen auf dem Tisch, die Hausfrau geschminkt und adrett zurecht gemacht. Unrealistisch, der feuchte Traum eines einsamen Mannes, der zu viele Soaps geschaut hatte.
Henry machte es wütend. Sein Puls steigerte sich in einen viel zu hohen Bereich und er schaubte hasserfüllt. Mit einem Knurren begann er loszulaufen, direkt auf die Scheibe zu. Sein Kopf pulsierte, er vergaß für einen Moment alles, sich selbst, seine selbst auferlegte Aufgabe und sogar seine Abscheu vor Anne. Nun zählte nur noch seine Wut, die er auch Julie und diesen Typen hatte, der es offenbar für nötig hielt ein halb so altes Mädchen zu umwerben indem er sie wie in diesem Family- Soaps anschmuste und verhätschelte. Der Aufprall auf das Glas war hart, doch Henry schreckte nicht davor zurück, wurde nicht langsamer und warf sich mit seiner Schulter und seinem ganzen Körpergewicht in das Glas. Es brach nicht sofort. Nur eine Schrecksekunde, in der der Typ entsetzt aufsprang und Julie, die wie am Spieß zu schreien anfing, überprotektiv hinter sich zerrte, später aber brach Henry samt Fensterrahmen in das Wohnzimmer. Um ihn herum und auf ihn drauß ergoss sich ein Regen aus Scherben, von denen sich einige tief in seine Haut bohrten. Er zuckte nicht einmal. Starrte nur hektisch ein und ausatmend den vollkommen entsetzten jungen Mann an, der ihm nun gegenüber stand.
Einige Sekunden sah sie sich nur gegenseitig an, im Hintergrund Julies Wimmern und Schluchzen, vollkommen angsterfüllt und beinahe panisch. Der junge Mann verdeckte sie fast vollkommen mit seinem Körper, sodass Henry nur einen kurzen Blick auf ihre schreckensweiten Augen und ihr blasses Gesicht erhalten konnte. Doch das genügte um ihm einen neuen Stoß der Energie zu bescheren. "Was jetzt, Henry? Weißt du nicht, wie du weitermachen sollst oder scheißt du dich gerade ein vor mir?", fragte der junge Mann in einem viel zu harten irischen Akzent, der in Henrys Ohren schmerzte. Er verzog angeekelt den Mund und umfasste die Scherbe und seiner Hand fester. Kurz war er überrascht, dass der Typ seinen Namen kannte, aber Anne oder Julie hatten es ihm sicher erzählt. "Red normal, irischer Bastard.", murmelte Henry ziemlich unverständlich wegen den Schwellung durch die Schläge die noch nicht lange zurück lagen. Da es nicht schmerzte hätte er es fast vergessen. Der jungen Mann schien allerdings einigermaßen verstanden zu haben und verfinsterte sein Gesicht merklich. "Auf der Ebene bewegen wir uns also. Gut zu wissen...", knurrte er seinerseits nicht unbedingt für Henry bestimmt. Erneut klirrte sein Akzent wie ein greller Ton in Henrys Ohren. Er spuckte verächtlich aus und kam einen Schritt auf den Mann zu. "Wag es nicht auch nur einen Schritt näher zu kommen! Ich schwöre bei Gott ich mache dich kalt, und werfe deine Leiche ins Meer, auf das dich die Fische fressen, du elendes Stück Scheiße. Du hast Anne und Julie schon genug angetan, wofür du bezahlen solltest. Und mir wird es eine verdammte Freude bereiten deinen Arsch persönlich in der Hölle abzuliefern.", warnte der Mann Henry scharf, seine Augen blitzten vor Angriffslust und Henry zweifelte sich daran, dass er seine Worte nicht ernst meinte. Dennoch zauberte es ihm nur ein kaltes Grinsen aufs Gesicht. "Was? Habe ich da gerade einen Welpen bellen gehört? Oh nein, es war nur einer schmutziger, kleiner Ire, der den Mund zu voll mit Scheiße hat. Wie üblich... Und jetzt verpiss dich, Kleiner, lass mich Anne und Julie abholen. Wenn du mich dabei einfach in Ruhe lässt, werde ich dir auch garantiert nicht wehtun. Na, wie klingt das?", höhnte Henry zunächst mit zuckersüßer Stimme, die sich dann aber immer mehr zu einem gehässigen Spott verwandelte. Der junge Mann knurrte freundlos lachend auf und fixierte Henry giftig, als er noch einen weiteren Schritt auf ihn zumachte. "Was genau ist hier los? Wer sind Sie? Und was zum Teufel machen Sie in meinem Haus?", fragte da auf einmal eine aufgebrachte Frau aus dem Türrahmen. Ihr Haar war unordentlich und sie sah wie eine Katze, bereit zum Angriff aus. Unter anderem Umständen hätte Henry sie sogar attraktiv gefunden, aber der zu einer wütenden Maske verzerrte Blick machte alles kaputt. Hinter ihr stand ein Mann, der wie die ältere, schon leicht angegraute Version des Mannes vor ihm aussah. Sogar den bösen Blick hatten sie gemeinsam. Nicht anzuzweifeln, dass es sich um den Vater des Jungen handeln musste.
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Soldiers Scars #PlatinAward
General Fiction„Krieg... Krieg macht dich zu einem Menschen der du nicht sein willst. Er zerfrisst dich von innen nach außen, bis nichts mehr von deinem alten Ich übrig ist." Derren McConnell ist gerade mal 22, als er für zwei Jahre nach Vietnam in den Krieg gesch...