Kapitel 19 - In Kontakt

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Ich lachte so sehr, dass ich mich kurz an dem Kuchen in meinen Mund verschluckte. Anne war das natürlich alles sehr peinlich, aber es war so wunderbar einfach zu lachen, dass ich mir wünschte, sie würde es auch tun. Es war so gut, so... unglaublich gut zu lachen. Eigentlich eine einfache Tätigkeit, die ich viel zu lange nicht mehr aus so vollem Herzen getan hatte. Es war so gut, dass ich für einen Moment alles um mich herum vergaß. Das Krankenhaus, den Unfall, meine Selbstzweifel und Todeswünsche. Alles wurde für wenige Sekunden bedeutungslos. Dann fing ich mich wieder, noch immer ein vergnügtes Lächeln im Gesicht und steckte mir die letzten Stücken Kuchen in den Mund und kaute noch einmal genießend. Anne sah mich forschend an. "Tut mir leid, ich hätte sowas nicht sagen sollen.", sagte sie kleinlaut und stocherte in ihrem Kuchen ohne ihn weiter zu essen. Ich atmete tief durch um mich zu beruhigen und sah sie eindringlich an. "Du musst dich nicht entschuldigen, Anne. Es war das, was du gedacht hast und für Gedanken musst du dich nicht schämen." Meine Stimme war ernst und rau vom Lachen. Anne presste die Lippen zusammen. "Sie waren anmaßend.", meinte sie verunsichert. "Egal", erwiderte ich locker und merkte, dass es ihr nicht egal war. Ich verdrehte kurz die Augen, ob ihrer Unsicherheit. Sie war noch ein richtiges Kind, jedenfalls bei solchen Dingen...

Vertraulich beugte ich mich über den Tisch, Anne sah mich verwirrt an. "Ich denke, dass du dieses Stück Kuchen jetzt ganz schnell aufessen solltest, bevor ich es tue. Und ich warne dich, Frau, ich weiß wie man um etwas kämpft." Ihre Augen weiteten sich und ich hoffte, sie würde mir ihr Stück nicht einfach so überlassen. Sie wirkte verunsichert, sah sich kurz nach rechts und links um, dass auch keiner guckte und sagte dann ungeahnt frech: "Ich auch." Und zog íhren Teller nahe zu sich heran. Ich grinste. Sie war also doch mehr, als nur dieses verängstigte, schüchterne kleine Mädchen, dem man Benehmen eingebläut hatte. Trotz dem sie ein Kind war. "Und ich werde mich nicht dafür entschuldigen, dass meine Worte anmaßend waren, oder wie auch immer du das nennst.", fügte ich leiser hinzu und sah, wie sie sich tatsächlich in Windeseile über ihren Rest Kuchen her machte. Mein Grinsen wurde breiter. Sie nickte verständnisvoll, während sie kaute. Ihr Blick verriet mir, dass sie jetzt wieder um einiges besser drauf war. Zum Glück... "Musst du nicht. Es war nicht anmaßend, nur... überraschend.", erklärte sie mir und schob den leeren Teller von sich.

Ihr Lächeln war bezaubernd, das sie mir über den Tisch hinweg zuwarf. "Mh okay, wenn das noch nicht genug war...", dachte ich laut und hörte Anne überrascht auflachen. Offenbar war sie so große Offenheit allein in der Wortwahl nicht gewohnt. Ich beugte mich noch ein bisschen näher zu ihr, was ihr Lächeln sofort ersterben ließ. Scheu sah sie mich an, wich aber auch nicht zurück. "Wenn du einen Mann verführen willst, musst du einfach nur so wunderbar lachen wie eben. Dann wird er dich nie wieder gehen lassen.", murmelte ich in etwas gedämpfterer Lautstärke und sah Anne dabei zu wie sie innerlich explodierte. Ihr Gesicht wurde besorgniserregend rot und ihre Lippen zuckten, als wollte sie etwas dazu sagen, doch es kam kein Ton heraus. Ich lächelte leicht und legte dann meine Hand an ihre glühende Wange. Sie brachte nur ein ersticktes Krächzen hervor und ihre Finger zitterten kraftlos, als sie nach meinem Handgelenk griff. "Siehst du, jetzt haben wir beide etwas Anmaßendes gesagt.", flüsterte ich lächelnd, strich ihr mit dem Daumen kurz über die Wange und ließ sie dann los. Erstaunt bemerkte ich, dass mein Herzschlag sich leicht beschleunigt hatte, während ich mir bei ihr Sorgen machte, dass sie gleich vom Stuhl kippte.

Bedauernd merkte ich, dass wir nun gehen mussten, zahlte beim Kellner mit dem wenigen Geld, dass meine Familie mir hiergelassen hatte und trat mit Anne hinaus. Sie schob mich auf den Eingang des Krankenhauses zu. Doch noch bevor wir die fein geschnittenen Hecken am Eingang passiert hatten, gebot ich ihr zum Anhalten. Sie sah mich verwundert an. "Stimmt etwas nicht? Ist dir schlecht? Das kann zusammen mit den Arztneimitteln mal passieren." Sie wirkte besorgt und sah mich, bereit sofort etwas zu tun, eindringlich an. Aber ich schüttelte locker den Kopf. "Nein, mir geht es gut. Verwirrend gut sogar.", sagte ich, während ich mich selbst darüber wunderte, aber ich wischte den Gedanken auf später. "Nun, egal. Was ich eigentlich fragen wollte bevor du da drinnen wieder deinen Kittel überziehst und eine unnahbare Krankenschwester wirst... Wollen wir uns wieder treffen? Nach meiner Entlassung, meine ich.", fragte ich und merkte wie ich diesmal leicht errötete. Anne schien wieder einmal erschrocken, lächelte dann aber breit und nickte etwas zu heftig. "N-natürlich", stotterte sie heiser. Ich nickte ebenfalls und merkte wie beruhigt ich durch ihre schnelle Antwort war. "Aber... ich bin doch noch da in den nächsten Tagen.", fügte sie verwirrt hinzu. "Wie ich sagte, in den nächsten Tagen wirst du wieder die unnahbare Krankenschwester. Wenn jemand mitkriegt, wie wir uns ganz offiziel als Patient und Schwester verabreden ist deine Stelle in unnötiger Gefahr. Ich möchte nicht, dass du riskierst rausgeworfen zu werden.", erklärte ich ihr und löschte ihre Irritation damit aus. Sie nickte verstehend und scharrte dann mit den Füßen über den Boden. Mir gefiel es auch nicht, aber es war einfach besser so. Allein der heutige Ausflug war eigentlich nicht richtig gewesen. Aber zum Teufel sollte ich gehen, wenn ich diesen Tag mit Anne bereute.

"Ich gebe dir auf meinem Zimmer meine Nummer, dann kannst du mich anrufen, wenn es dir mal passt.", meinte ich rasch und wartete ihr Nicken ab. "Aber kein Wort zu deinen Kollegen, oder sonst wem." Ich legte nachdrücklich den Finger auf meine Lippen. Wieder nickte Anne und schob ein "Ja, klar" nach, um ihre Zustimmung zu bekräftigen. Mein darauffolgendes Lächeln wurde von ihrem erwidert. Und der seichte, schon etwas kühle Wind fuhr durch die Bäume und durchwirbelte unser Haar. "Na dann, Schwester. Sie müssten wieder Ihre Arbeit machen.", sagte ich, zwinkerte und erntete ein leises Kichern, während sie mich in das Gebäude schob, die Gänge entlang und in mein Zimmer zurück, dass noch immer verlassen und leer dalag. Glücklich darüber, Lukes fragendem Blick nicht gleich augeliefert zu sein, fuhr ich mich die letzten Meter zu meinem Beistelltisch, zog einen billigen Kugelschreiber hervor und holte eine Serviertte vom letzten Essen hervor. In großen, möglichst sauberen Zahlen schrieb ich meine Nummer auf. "Linkshänder... wie selten.", stieß Anne wie zu sich selbst hervor. Ich zuckte nur mit den Schultern, faltete die Serviertte und drückte sie ihr in die Hand. "Steht das nicht in meiner Krankenakte, Schwester?", fragte ich und erntete einen fragenden Blick, gefolgt von einer kurzen Überlegung. "Es ist keine Krankheit, also nein.", sagte sie erneut verlegen lächelnd. Ich nickte, als hätte ich gerade eine neue Erkenntnis bekommen und setzte mich dann auf mein Bett. Es ging jetzt schon leichter sich aus dem Rollstuhl zu heben. Oder es kam mir gerade nur so viel, weil durch meine Adern Adrenalin pulsierte und ich den Blick kaum von Anne lösen konnte, wie sie sich nun das Haar hinter das Ohr schob, Haltung annahm und ihren Kittel richtete. "Wir sehen uns, Mr. McConnell.", verabschiedete sie sich förmlich und meinte mit dem Wiedersehen nicht die Anreichung zum Mittagessen, dass bald folgte.

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