Kapitel 14 - Emotional

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Als wir - also ich und Anne - das Zimmer wieder betraten, waren wir nicht allein. Eine ganze Zahl an Leuten stand um Lukes Bett herum. Ein gealtertes Paar, viele Leute in Lukes Alter und eine Frau mit einem Kleinkind auf dem Arm. Ich kam mir sofort schrecklich deplatziert vor, als sich die Köpfe nach uns umdrehten und uns lächelnd zugenickt wurde. Ich hätte jetzt gern die Füße in die Erde gehauen und Anne zum Umkehren gezwungen, aber aus gegebenen Umständen war das ja nicht möglich. Und dennoch war der Wille für eine Sekunde so stark, die Bewegung so real, dass ich mich erst selbst daran erinnern musste, dass meine Beine diese Bewegung nicht mehr ausführen konnten.

Anne merkte von der ganzen Verwirrung wenig. Sie schob mich zu meinem Bett wie es ihre Aufgabe war und die Gespräche der Fremden gingen ohne Vertun weiter. Ich schaffte es mich allein wieder vom Rollstuhl ins Bett zu bringen. Anne gab mir zwar ungenutzte Hilfestellung, aber sie ließ mich machen, wofür ich ihr dankbar war. „Den Rollstuhl kannst du mir hier neben dem Bett hinstellen, ich bekomme das jetzt ja hin.", sagte ich und sah Anne kurz mit sich hadern. „Aber du darfst doch noch nicht-"
Ich sah sie mit einem strengen Blick an, der keine Widerworte zuließ. Sie nickte ergeben, räusperte sich kurz und stellte den Rollstuhl dann wir verlangt an meine Seite. Ich lächelte triumphal und erntete ein leichtes Erröten ihrerseits, ehe wir beide unter dem bellenden Lachen einer Frau erschreckten. „Hat er nicht gesagt. Sag mir, dass das nicht wirklich passiert ist. Ach Darling!", sie verfiel wieder in einem Lachschwall, der die andere ebenfalls zum Schmunzeln brachte. Anne und ich sahen uns zweifelnd an, als würden wir genau das gleiche denken. Dann beugte sie sich überraschend zu mir runter. „Wollen wir uns morgen wieder treffen? Zum Kaffee oder so? Ich hab zwischendurch Pause.", fragte sie nicht wenig verlegen mit aufgeregter, aber leiser Stimme. Ich zog die Augenbrauen verwundert hoch. Meinte sie das gerade ernst? Sie fragte mich, ob wir uns treffen wollen? Andererseits konnte ich mir bei ihr auch nicht vorstellen, dass sie es nicht ernst meinte. Sie wirkte mit ihrem abwarten Gesicht und den immer dunkler werdenden Wangen nicht, als würde sie spaßen. Und ich Idiot wusste so auf die Eile nicht zu reagieren.

Natürlich hätte ich es ihr ausreden sollen. Ich hätte sie für ihre Naivität auslachen und wegschicken sollen, aber ich brachte kein Wort über die Lippen. Sie war zu jung, - jedenfalls jetzt noch - als dass sie sich für jemanden wie mich interessieren sollte und viel zu unsicher war sie auch. Sie brauchte einen Jungen in ihrem Alter, genauso unerfahren wie sie, sodass sich zarte Bande über die anfängliche Unsicherheit hinwegsetzen konnten. Jemand der sie zu einer Frau machte und nicht von ihr erwartete eine zu sein. Denn in ihren Augen glitzerte nicht das Wissen einer Frau einem Mann zu betören, sondern Naivität über die Geheimnisse des Frau-werdens...

Wie dem auch sei. Ich nickte. Natürlich tat ich das, ich unbeholfener Trottel der Annes Gesellschaft nur deshalb genoss weil sie mich vom unmittelbaren ablenkten. Und wenn es nur für einen kurzen Augenblick war, jede Sekunde wo ich nicht an meine elendige Existenz denken musste war Balsam für meine Seele. Da hatten wir es also, ich nutzte die Zuneigung dieses armen Mädchens aus um mich selbst besser zu fühlen. Ich widerte mich an... jedenfalls hätte ich das getan, würde nicht leichte Vorfreude auf den nächsten Tag in meiner Magengegend aufflammen.

Anne grinste breit und ich hätte erwartet, dass sie vor Freude hüpfen würde, aber sie blieb still und freute sich stumm wie ein Kind über ein Eis. „Dann hole ich dich morgen um eins ab.", sagte sie glücklich. Ich wollte gerade erwidern, dass es ein rein dienstliches Treffen zwischen Patient und Krankenschwester wäre und Anne deshalb etwas Diskretion wahren sollte. Aber da ging sie schon davon, mit federnden Schritten und schwingenden Armen. Ich wusste es: Noch ein Kind durch und durch. Es machte mir nur Sorgen das sie das so wenig verstecken konnte. Schließlich wollte ich nicht, dass gleich das ganze Krankenhaus Wind von unserem Treffen - dem ich nicht hätte zustimmen sollen - bekam. Anne konnte gekündigt werden, wenn es publik wurde, dass sie amouröse Gefühle für einen ihrer Patienten hegte.

Ich seufzte und ließ mich in mein Kissen zurück sinken. Das Geschnatter der Personen schwoll wieder an. Es nervte mich. Das laute Gerede und meine Blödheit Anne auch noch Zuspruch in ihren Gefühlen gegeben zu haben. Hätte ich nein gesagt wäre das besser gewesen. Für sie auf jeden Fall.

Ich schloss dir Augen. Erstaunlicherweise hatte mich dieser kleine Ausflug mehr geschafft als er sollte. Ich fühlte mich müde und wollte etwas schlafen, doch wie das halt so war, schwoll in dem Moment wieder das Lachen der Gäste am anderen Bett an. Unmöglich dabei zu schlafen, oder sich gar auszuruhen und sich einfach mal keine Gedanken über seinen momentanen Zustand zu machen. Andererseits wollte ich auch die Augen nicht wieder öffnen. Es tat gut, sie geschlossen zu halten.

Ohne es zu wollen hörte ich die Gespräche von Luke und seinen Gästen mit, die ich verzweifelt versuchte zu ignorieren. „...alles halb so schlimm.", antwortete ein Mann gerade auf etwas. „Schon so gut wie neu.", stimmte jemand anderes zu. Ein kleines Kind quengelte lauthals untermalt von kurzem Lachen einer Frau. „Ich glaube sie hat keine Lust mehr. Wir sollten vielleicht langsam gehen.", sagte die gleiche Frau. „Nein!", rief Luke aufgebracht. Wieder eine Tonlage, die ich bei ihm noch nie gehört hatte. Er klang flehentlich wie ein kleines Kind, dem man das Stofftier wegriss. „Mach dir keine Sorgen. Schließ einfach die Augen und morgen bin ich wieder da. Dann bleib ich den ganzen Tag hier. Ist das gut?", fragte die Frau, die ich als Helen identifizierte, die Frau, die Luke heiraten wollte. Ich wünschte es hätte mich mehr interessiert. Ich hörte Luke schluchzen. Er antwortete nicht, jedenfalls nicht hörbar. „Ach Schatz, ...", flüsterte Helen berührt, während Luke weiter schluchzte. Ich versuchte weg zu hören, das war nicht für meine Ohren bestimmt. „Wir gehen jetzt, wir sehen uns ja morgen. Ich liebe dich...", sagte Helen so leise, dass ich sie kaum verstand.

Die Gäste verabschiedeten nach Helen sich nach und nach. Jeder flüsterte noch ein paar aufbauende Worte auf die Luke dann mit brüchiger Stimme antwortete. Ruhe kehrte ein, nachdem sich die Tür hinter dem Letzten geschlossen hatte und ich konnte endlich - begleitet von Lukes leisen Schluchzern - in eine Traumphase übergleiten. Ein leichter, oberflächlicher Traum, der zur Abwechslung mal einigermaßen gut anfing:

Da war Anne...
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Hallöchen!
Erstmal: Danke fürs Lesen (wie immer)!
Wie man sieht bin ich wieder zurück aus dem Urlaub und hab ein paar neue Ideen im Gepäck :)

Eure Autorin ;)

Soldiers Scars #PlatinAwardWo Geschichten leben. Entdecke jetzt