Kapitel 54 - Geplante Lügen

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Am Nachmittag waren wir wieder zuhause. Müde und erschöpft saß ich über einem Kaffee in der Küche, Anne neben mir. Stefan rührte gerade Zucker in seinen Kaffee und Julie hatte sich nach der kurzen Freude des Wiedersehens mit Anne hingelegt, sie war noch immer müde von den Ereignissen vom Vortag.

„Wie ist es gelaufen?", fragte Stefan stirnrunzelnd. Ich zuckte mit den Schultern. „Nicht schlecht, denke ich. Ein Polizist hat Anne zu dem Unfall befragt und schien mit der Geschichte zufrieden zu sein. Du kannst besser als ich erzählen was da passiert ist.", meinte ich an Anne gewandt, die schwach nickte. Es war offensichtlich, dass sie am liebsten alles vergessen hätte. „Ein Auto fuhr zu schnell die Straße runter und der Mann hatte es beim Schneeschaufeln nicht kommen sehen. Also bin ich losgerannt und habe ihn zurückgerissen, wobei er hinfiel und sich eine Platzwunde am Kopf zuzog. Der Autofahrer ist einfach weiter gefahren, als hätte er uns nicht gesehen. Ich konnte sein Gesicht auch nicht erkennen, weshalb ich zu ihm keine Aussage machen konnte.
Wie auch immer. Der Mann hat gejammert und mich beschimpft, was mir denn einfällt ihn so ungehobelt umzuwerfen und das ich wohl eine Verrückte sei, die leicht bekleidet durch die Nachbarschaft rennt. Bis seine Frau kam, die natürlich ihm mehr geglaubt hat als mir und die Polizei gerufen hat.", ratterte Anne unemotional runter. Ich konnte mir ein grimmiges Schnauben nicht verkneifen. Sollte dieser Mann froh sein, dass Anne überhaupt den Mut und die Kraft besessen hatte ihn vor einem richtigen Unfall zu retten. „Also bist du nicht verletzt?", fragte Stefan routinemäßig als wären wir noch immer bei der Befragung. Anne schüttelte den Kopf. „Außer ein paar Schrammen ist nichts passiert.", seufzte sie und sah zu mir, mit der stummen Bitte weiterzuerzählen. Ich nahm ihre Bitte natürlich sofort entgegen. „Davor hat er Anne noch zu ihrer Person befragt. Name, Alter, Beziehung... Das Übliche.", erzählte ich knapp, um dann tief durchzuatmen und Stefan giftig anzusehen. „Sag mal was war das eigentlich? Verlobt? Hast du sie noch alle? Weißt du, in was für Schwierigkeiten du uns alle damit bringst. Immerhin ist Anne nicht mal volljährig, geschweige denn alt genug um verlobt zu sein. Was-", begann ich grimmig, als Stefan mich rüde unterbrach. „Es schützt sie.", warf er schlicht ein. Als er meinen unverständlichen Blick sah, verdrehte er die Augen und fuhr fort. „Wenn ich das richtig verstanden habe und ich eins und eins richtig zusammengezählt habe, fürchten Anne und Julie von der Polizei wieder nach Hause gebracht zu werden. Die beiden sind noch nicht achtzehn und unterstehen damit ihren Eltern, beziehungsweise Henry. Wenn sie wieder nach Hause kommen wird Henry wahrscheinlich schon auf sie warten. Ich schätze ihn so ein, dass er sich in der Zeit, in der sie weg waren bestimmt schon eine kranke Strafe ausgedacht hat, mit der er sie begrüßen will." Anne verzog den Mund kaum merklich neben mir, als würde Stefan genau ins Schwarze treffen mit seinen Worten. Ich war nicht schlecht erstaunt wie intensiv er sich mit den Problemen von Anne und Julie beschäftigt hatte. „Wenn ich also das Gerücht streue, ihr wärt verlobt, rückt Anne in den Schutz unserer Familie.", schloss Stefan nachdenklich. Ich brummte unzufrieden, war aber nicht schlecht überrascht, wie viel hinter Stefans Lüge steckte. Das es keine Willkür gewesen war hatte ich mir schon gedacht, Stefan tat nie etwas ohne Hintergedanken. „Du vergisst nur immer noch, dass Anne nicht volljährig ist und diese ‚Verlobung' daher ohne die Einwilligung ihrer Eltern absolut nicht rechtskräftig ist.", gab ich zu bedenken und seufzte leise, während ich mir die Schläfen massierte. „Stimmt genau, aber wie sie selbst gesagt hat ist unsere liebe ja doch schon achtzehn.", zwinkerte Stefan Anne zu. Ich schüttelte über seine Worte den Kopf. „Wann wirst du achtzehn?", fragte ich Anne erschöpft von den Ereignissen des Tages und der, die noch auf uns zukamen. Anne sah mich mit großen Augen an. „A-am 20. Januar, aber... das steht doch gerade nicht wirklich zur Option, oder?", fragte Anne heiser und sah mich erschrocken an. Stefan begann zu grinsen. „Perfekt! Also fallen die wenigen Tage auch nicht weiter ins Gewicht.", meinte er zufrieden und schien sich gut über Annes Entsetzen zu amüsieren. Ich war nicht zufrieden. Das alles hörte sich in meinen Ohren wie ein ungekochter Plan an, der niemals funktionieren konnte.

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