Kapitel 70 - Ein Ende mit Schrecken

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Ich war so kurz davor einfach abzudrücken. Es wäre so leicht gewesen und vor Gericht hätte ich das leicht als Selbstverteidung durchbringen können. Doch einen schnellen Tod hatte Henry nicht verdient.

Als ich zur Tür hereingekommen war offenbarte sich mir ein Blick des Schreckens. Stefan saß geschwächt und schwer atmend auf dem Wohnzimmertisch, seine Brust zerschnitten und blutig. Und mein Vater hielt Henry mit seinem Gewicht am Boden, während dieser wie irre brüllte und auf meinen Vater einschlug. Jetzt war Ruhe... Hinter mir hörte ich irgendwo im Flur das verängstigte Heulen von Julie und meine Mutter, die versuchte sie mit flüsternden Worten zu beruhigen. Ich hatte Anne zurückgehalten, als Julie geschrien hatte und hatte sie gebeten an der Tür auf die Polizei zu warten. Gut, dass ich es getan hatte, denn diesen Anblick wollte ich ihr um jeden Preis ersparen.

Mit eiskalter Miene sah ich auf Henry herab, seinen Kopf im Visir der Pistole. Er sah schrecklich aus. Seine Augen waren weit aufgerissen, die Pupillen erweitert und nicht gleich groß. Das Gesicht war rot vor Blut, an einigen Stellen war es schon getrocknet und deshalb dunkler, an der Platzwunde auf seiner Stirn jedoch war es frisch und glänzte hellrot. Mit den zerschrittenen Händen hatte er auf dem Boden bereits blutige Abdrücke und Schlieren gezogen. Alles in allem also der Anblick eines blutenden Verrückten, der trotz seines in den Wahnsinn abgerückten Blickes den plötzlichen Ernst der Lage für sich zu verstehen schien. Und ich musste mich ehrlich zurückhalten, den Finger am Abzug nicht ganz langsam zurückzuziehen. Es wäre nur ein kleiner Ruck gewesen, eine kurze Bewegung. Aber wieder sagte ich mir wie ein Mantra, dass der jetzige Tod für Henry zu Feige und Milde wäre.

"N-nicht... bitte...", stieß Henry da überraschend hervor. "Wir k-können doch über alles r-reden..." Seine Stimme zitterte in der Lage, in der sich plötzlich sah. Ich rührte mich nicht, gab ihm keine Reaktion auf sein Gewinsel. "Schnauze! Du redest nur, wenn ich es dir sage. Hast du verstanden?", fragte ich kalt im bellenden Befehlston. Henry sah mich wie ein aufgeschektes Tier an, zögerte atemlos. Ein Zittern überlief seinen Körper. "Ob du verstanden hast, hab ich gefragt.", wurde meine Stimme noch etwas schroffer. Er nickte hastig und schluckte sichtlich während seine Augen abwechseln mich und dann wieder die Waffe fixierten. Ich gab meinem Vater das Zeichen das er aufstehen konnte. Henry wollte es ihm gleichtun. "Bleib liegen!", befahl ich kalt und sofort sackte Henry wieder auf den Boden. Gut so... Mein Vater wich keuchend zurück, ging zu der Scherbe und nahm sie vorsichtig auf. Ich sah es nur aus den Augenwinkeln, denn ich wagte es nicht, Henry auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Mein Herz pochte schnell und in meinen Adern floß Adrenalin und seit sehr langer Zeit fühlte ich mich nicht klein und gebrochen, nicht nutzlos oder verkrüppelt. Ich war ich, Soldat, kontrolliert, ... Derren.

"Wieso bist du hier?", fragte ich Henry schließlich mit emotionsloser Stimme ruhig. Die Pistole ließ ich dabei keine Sekunde von ihrem Ziel. "I-ich will Anne und Julie abholen... Nachhause bringen. Weil sie weggelaufen sind... Sie werden-" "Warum sind sie weggelaufen?", unterbrach ich seine zögerliche Antwort mit der nächsten Frage. Henry grunzte irritiert und musterte mich skeptisch. "Weil sie Teenager sind... es gab einen kleinen Streit und sie... sie sind vollkommen ausgerastet... h-haben geschrien und getobt. Sie haben sich wie... kleine Kinder aufgeführt. Ich bin ihnen natürlich sofort nach. Weil ich b-besorgt war.", haspelte er nach einer kleinen Pause vor sich hin und schluckte wieder hart. Das hatte er sich ja schön ausgedacht, hauptsache er rettete seine Haut und stellte sich als unschuldig dar. Doch wen wollte er hier beeindrucken? Immerhin war er durch unser Wohnzimmerfenster gebrochen, hatte meinen Bruder körperlich verletzt und sah aus wie der Teufel persönlich. Ich blieb unbeeindruckt von seinen Worten. "Und warum sind sie wirklich davon gelaufen,Henry?", fragte ich in dem gleichen Tonfall wie zuvor. Ich verkniff es mir zu abfällig zu werden, er sollte nicht denken, dass ich emotional handelte, das würde ihm nur unnötige Macht über das Gespräch geben. Henry sah sich irritiert um und dann wieder zu mir. Orientierungslos, bemerkte ich nebenbei. "Aber das habe ich doch gerade erzählt... es gab einen Streit, die Mädchen haben getobt, waren wie die Furien... da-" "Da hast du sie brutal zusammengeschlagen und ihrer beider Mutter ermordet. Kommt dir das bekannt vor?" Er sah mich star an, doch so viel ich auch in seinem Blick suchte, Reue konnte ich dort nicht findet. "Nein,... natürlich nicht... ich hab nicht..." Seine Worte wurden immer verwaschener und unverständlicher. Erst hatte ich noch gedacht es läge an den Schlägen, die Stefan ihm zuvor verpasst hatte, aber mittlerweile bezweifelte ich, dass es nur daran lag. Weiße Spuren unter seiner Nase verrieten ihn.

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