Ich lehnte mich in dem Rollstuhl so weit von Black weg wie nur möglich. Das letzte was ich jetzt wollte war, diesem Mann mein Herz ausschütten und erzählen was alles nicht stimmte. Hauptproblem. Ich hatte kein Problem. Ein Problem konnte mit den richtigen Entscheidungen und Handlung gelöst werden, aber meine Situation nicht. So wie es jetzt war würde es bleiben. Es gab keine Handlungen oder Entscheidungen, die das wieder gut machen. Die meine Beine wie anwachsen ließ und mich gesund entließ aus dieser Klinik. Ich hatte also kein Problem, ich hatte ein Schicksal.
„Mister McConnell, Sie sind jetzt schon seit einigen Wochen hier. Bald ist dieser Schrecken vorbei, haben Sie Pläne für die Zukunft?", fragte Black sachlich und mit eingeübter Interesse. Ich presste die Lippen aufeinander. Da war keine Zukunft für mich, aber das würde ich Black nicht erzählen. Es störte mich das nach Luke nun auch Black diese Frage stellte. War meine Zukunft nicht offensichtlich? „Meine Familie wird sich um mich kümmern. Sie wird mir sicher helfen wieder ins normale Leben zurückzufinden.", versuchte ich so nahe wie möglich an der Wahrheit zu bleiben. Tz, normales Leben... Das gab es für mich doch eh nicht mehr. „Nein ich meine weiter in der Zukunft. Was ist mit einem Job, was wollen Sie tun? Oder eine Frau und Kinder, wäre das nichts?", fragte Black weiter und kaute an der Spitze seines Füllers. Ich unterdrückte gerade noch ein freudloses Auflachen. Nichts davon gab es in meiner Zukunft. Welche halbwegs anständige Frau wollte schon einen Krüppel wie mich? Zudem hätte ich keine Möglichkeit sie zu ernähren, geschweige denn eine ganze Familie. Ohne Job, denn den würde ich wohl kaum finden, gab es kein Geld und die Abfindung allein reichte knapp für mich. Ich war nutzlos, auf die Hilfe anderer angewiesen, ein Stück Fleisch, das nur noch als Dünger für die Blumen taugte. „Mein Bruder hat Freunde in New York, die können einen wie mich vielleicht gebrauchen. Mechaniker oder Verkäufer an der Tanke ein bisschen wesentlich von hier.", antwortete ich nachdem ich etwas zu lange gezögert hatte. Ja, Mechaniker oder Verkäufer, wie jemand, der nie auf dem College war. Black zog die Augenbrauen hoch. „Ein guter Anfang. Und die Familie, Kinder? Wie viele Kinder wollen Sie?", fragte Black weiter und bohrte weiter in einer Wunde, die ich eigentlich ignorieren wollte. „Zwei... oder drei. Ein Mädchen und zwei Jungen.", versuchte ich hervorzupressen, doch meine Stimme brach und ich fühlte bereits wie mein Blick verschwamm. Peinlich berührt versuchte ich meine Fassung wiederzugewinnen und holte tief Luft, während ich die Tränen wegblinzelte. Das war die Antwort, die ich vor dem Unfall gegeben hatte. Drei Kinder und ein kleines Haus irgendwo außerhalb. Mit einer Frau, die lächelte wenn ich von der Arbeit nach Hause kam und Kinder die auf mich zustürmen und mir von ihrem Tag erzählen. Perfekt. Ein perfektes kleines Bild, das irgendwo in ferner Zukunft auf mich gewartet hatte. Bis jetzt... Jetzt lag dieses Bild in Scherben. Ein stummer Schrei was hätte sein können und was nun nie, niemals Realität würde.
„Wollen Sie laut sagen, was Sie plötzlich so traurig macht?", fragte Black. Er hatte es bemerkt, natürlich hatte er das. Ich war fast in Tränen ausgebrochen, noch deutlicher ging es ja nicht. „Nicht traurig. Es ist nur die Vorstellung... die mich glücklich macht.", versuchte ich zu retten und versuchte mich an einem wackeligen Lächeln. Eine Lüge. Früher war ich besser darin gewesen. Black zeigte mit seinem Gesicht nicht ob er mir glaubte, er strahlte noch immer eine höfliche, besonnene Aura aus, die mich nichts ahnen ließ. Professionalität in seiner reinsten Form. „Was daran macht Sie glücklich?", fragte Black ruhig und kratzte an meinen Nerven. Konnte er es nicht einfach darauf beruhen lassen. „Das es irgendwann Wirklichkeit ist. Die Wärme der Vorstellung...", antwortete ich und muss mich abbrechen um neue Tränen wegzublinzeln. Schwach... Black nickte, schrieb etwas auf.
Gequält wandte ich den Blick ab und schaute aus dem Fenster, um mich wieder unter Kontrolle zu bekommen. Ich atmete ein paar mal tief in und aus, kühlte mich innerlich ab, während ich an die monotonen weißen Flure draußen dachte.
Wieder das Ticken der Uhr und das leise Kratzen der Füllerfeder auf dem Papier in der Stille. „Danke, ich glaube das reicht für heute. Morgen machen wir weiter.", sagte Black, legte den Füller mit einem Schwung ab und reichte mir wieder seine Hand über den Tisch. Ich ergriff sie, viel leichter als eben noch und murmelte ein ‚Bis morgen' ehe Black zum Telefon griff, eine Kurzwahl eingab und offensichtlich eine Schwester am Hörer hatte. „Ja, Mister McConnell kann jetzt wieder auf sein Zimmer gebracht werden. Danke!" Ich schnaubte missmutig und starrte auf die Uhr auf dem Schreibtisch. Nachmittag. Wir hatten eine Stunde lang geredet. Es kam mir viel kürzer vor.
Black legte auf und stand auf. Aus einer versteckten Schublade holte er einen Korb mit Bonbons. Er hielt mir den Korb hin und ich starrte vom Korb zu seinem Gesicht und wieder zurück. War ich ein Kind, das man mit Süßigkeiten bestach? Ich zog eine düstere Miene und schüttelte den Kopf. Black zuckte mit den Schultern, nahm sich selbst ein Bonbon raus und stellte den Korb zurück in die Schublade. „Ich mag die Roten. Sie erinnern mich immer an kleine Kirschen.", meinte Black als er sich das knallrote, zuckersüße Teil in den Mund schob. „Oder an rote Käfer, die mit ihrem Panzer zu hart sind um sie auf einmal zu knacken." Ich zog die Augenbrauen hoch und schaute Black eindringlich an. Er kicherte leise unter meinem Blick und zerbiss das Bonbon demonstrativ in seinem Mund.
Im nächsten Moment ging die Tür nach einem Klopfen auf und eine mir nur vom sehen bekannte Krankenschwester betrat den Raum. Sie war bestimmt nicht älter als Anne, hatte einen südländisches Aussehen mit schwarzen Haaren und dunkelbraunen Augen. Doch ich nahm das alles nur am Rand wahr, denn mein Blick blieb auf Black gerichtet, der nach wie vor lächelte. Irgendwas stimmte mit diesem Mann nicht. So wie er nun locker an seinen Schreibtisch lehnte und die Ärmel seines Hemdes hochgekrempelt, sah er nun gar nicht mehr wie ein Psychologe aus. Alles an ihm stank nach reichem, eingebildeten Söhnchen, der vielleicht selbst einen kleinen Knacks weg hatte. Ich entschloss mich jetzt, nachdem ich ihn während des Gespräches über nicht einschätzen konnte dazu, ihn nicht zu mögen. Leute wie er hatte mir noch nie gefallen, so sauber und ordentlich und sich selbst für eine Art Gottheit haltend.
Die Schwestern nahm meinen Rollstuhl zur Hand und schob Black aus meinem Blickfeld, als sie mich drehte und durch die Tür führte. Nachdem die Tür hinter geschlossen war und wir längst unseren Weg über diesen „fantastisch" eingerichteten Flur nahmen, meinte die Schwester hinter mir: „Dr. Black ist schon ein kurioser Herr. Er macht mir auch ein bisschen Angst, wenn ich das mal so zugeben darf."
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Soldiers Scars #PlatinAward
Ficção Geral„Krieg... Krieg macht dich zu einem Menschen der du nicht sein willst. Er zerfrisst dich von innen nach außen, bis nichts mehr von deinem alten Ich übrig ist." Derren McConnell ist gerade mal 22, als er für zwei Jahre nach Vietnam in den Krieg gesch...