Kapitel 17 - Die Erinnerung an Urlaub

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Das Café war laut und gut besucht. Das meiste waren Patienten mit ihren Gästen. Viele Alte Leute, die sorglos lachten, als hätten sie kein Sauerstoffgerät bei sich oder würden nicht mit einem gebrochenen Oberschenkelhals nur halb auf ihrem Stuhl sitzen. Alles wirkte so paradox friedlich und normal. Beinahe hätte ich vergessen warum ich überhaupt hier war, oder was davor geschehen ist. Aber da war die Teilnahmslosigkeit, die an mir haftete und mich von den anderen Leuten in diesem Raum trennte. All ihr Lachen und ihre Fröhlichkeit waberte herum und machte einen Bogen um mich, als wäre ich nur da, um sie einzusaugen und nie wieder herzugeben. Oder vielleicht dachte ich schon wieder zu viel nach, weil ich unglaublich müde war und deshalb eh nicht ernsthaft sein konnte.

Anne lächelte mir unwissend über meine düsteren Gedanken zu und legte ihre Karte bei Seite. „Und? Was nimmst du?", fragte sie und drehte sich nervös die braunen Locken um den Finger, nur um sie wieder fallen zu lassen und von vorn zu beginnen. Sie hatte den Schwesternkittel abgelegt und saß mir nun in einer blassrosa Bluse und einem Schwarzen Rock gegenüber. Wie ein braves Schulmädchen, schoss es mir durch den Kopf.

Ich zuckte mit den Schultern auf ihre Frage hin. „Ich hatte seit einer Ewigkeit keinen richtigen Kaffee mehr." Im Krieg war es schwer welchen zu bekommen. Meistens nur gestrecktes Zeug das nach allem schmeckte, aber nicht nach Kaffee. „Dann Kaffee. Kuchen?", wollte sie wissen und sah mich an. Ich runzelte die Stirn. „Nein, Süßes ist nicht so meins.", murmelte ich und schielte an ihr vorbei zu der Glasvitrine in der perfekt angerichtete Torten und Kuchen winkten. Es sah köstlich aus. „Naja, vielleicht kann ich ja mal eine Ausnahme machen.", schob ich resignierend nach und sah wie Anne zustimmend nickte. „Ich auch. Obwohl ich eigentlich auf meine Figur achte.", lächelte sie und winkte einen Kellner heran. Ich besah mir ihre schlanke Figur und hätte ihr am liebsten noch ein extra Stück Kuchen bestellt. Sie war nun wirklich niemand, der übermäßig auf seine Figur achten musste. Sie sah gut aus, vielleicht sogar etwas zu dünn für meinen Geschmack.

Sie bestellte und lächelte dem Kellner zu den sie mit Vornamen ansprach. Offenbar war Anne öfter hier und verbrachte ihre Mittagspause mit Kaffee. Ich musterte sie. Und sie tat es mir gleich. Es entstand eine Stille zwischen uns beiden, die ihr unangenehm zu sein schien. Anne räusperte sich nervös, strich mit zwei Fingern über das Ende ihres Kiefers. „D-dein Bruder...", begann sie schüchtern. Ich presste automatisch die Lippen aufeinander in Erwartung das sie fort fuhr. „Er hat mich gefragt, ob ich mal mit ihm ausgehen will." Anne hoffte offensichtlich auf eine Reaktion von mir, doch ich blieb stumm. Sie hatte mir keine Rechenschaft abzulegen, was sie tat - mit meinem Bruder oder mit jemand anderem - war ihre Sache. Deshalb wunderte ich mich, warum sie jetzt damit anfing. „Ich hab abgelehnt.", fuhr sie vorsichtig fort und forschte in meinem Gesicht. Ich hätte am liebsten mit den Schultern gezuckt und sie darauf aufmerksam gemacht, wie egal mir das war, aber es interessierte mich auf eine höchst beunruhigende Weise. „Warum?", fragte ich heiser und versuchte so neutral wie möglich zu klingen. Anne zuckte mit den Schultern. Sie sah mich hilfesuchend an, wie ein Kind... Das sie ja auch noch war. „Er ist einfach nicht mein Typ.", murmelte sie wie eine Entschuldigung und wandte den Blick ab. War das... Verlegenheit? Log sie etwa? Ich verdüsterte unbewusst den Blick bei dem Gedanken, Anne könnte meinen Bruder möglicherweise mehr mögen als sie zugab.

„Was ist denn dein Typ?", fragte ich noch immer angestrengt neutral. Sie sah mich nicht an und zuckte nur die Schultern. Der Kaffee kam auf dem Tablett eines unmotiviert aussehenden Kellners. Keiner von uns beiden bedankte sich, sondern nahm einfach nur schweigend die Tasse an. Ich wartete nicht mehr auf eine Antwort, es war schließlich ihre Sache. Das beste war wenn ich mich einfach wieder in meine graue, bedeutungslose Welt igelte und meinen Kaffee lustlos runterschlang.

Ich fühlte wie mein Blick in die Ferne glitt und glasig, abwesend wurde. Die Zeit verschwamm, ich vergass ob sie vorwärts oder rückwärts ging während ich hier in diesem Café saß. „Ich mag Männer mit Humor.", unterbrach Anne schließlich meine Abwesenheit. Ich blinzelte. Sie sah mich noch immer nicht an, sondern auf den Kaffee in ihren Händen. "Mein Bruder hat Humor.", meinte ich locker. Nur den ganz normalen Humor den alle männlichen Mitglieder meiner Familie zu haben scheinen. Witzig, wenn man ihn verstand, weniger witzig, wenn man es nicht tat. Und es brauchte schon eine Menge, um diesen Humor witzig zu finden. „Ja, naja und Ernsthaftigkeit. Eben beides... zur richtigen Zeit.", warf Anne ein, als müsste sie ihre Abweichung verteidigen. Ich trank einen Schluck von dem Kaffee ohne zu wissen was ich darauf erwidern sollte. „Ach, ich weiß es nicht. Vergiss einfach, was ich gesagt und erzähl lieber was dein Typ Frau ist... Also... nur wenn du willst, natürlich." Sie versuchte ihre Verlegenheit zu überspielen und schloss die Hände fester um den Kaffeebecher. Ihr Lächeln wackelte etwas, wahrscheinlich lief das Gespräch nicht so, wie sie es sich vorgestellt hatte. Den Bann zu brechen war nicht ihre Stärke, so viel stand fest.

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