10 | Angehende Juristin

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Wenn man alle Gesetze studieren sollte, so hätte man gar keine Zeit, sie zu übertreten.

Johann Wolfgang von Goethe

***

Arya

Der Tisch war hauptsächlich mit vielen Fleischsorten gefüllt. Mary hatte ebenso verschiedene Salatsorten zubereitet, um den Geschmack von jedem zu treffen. Mich quälte hauptsächlich der Gedanke, ob dieser Zeitpunkt der richtige war. Ob es richtig war, jetzt reichlich zu essen und zu lachen. Während mein Onkel und ich an unsere Familien denken und für sie beten sollten, waren wir hier und taten so als ob nichts wäre. Mehrere Male sah ich mir sein Gesicht an. Er ließ sich nichts anmerken. Entweder war er ein sehr guter Schauspieler oder es bedeutete für ihn nichts. Kurz sah ich mir Ümit an, der mir genau gegenübersaß. Ich hatte gemerkt, dass er meinen Blicken folgte. Wahrscheinlich konnte er sich denken, was ich dachte. Das deutete mir sein Blick. Er gab mir den Blick mach dir nichts draus und sprach mich anschließend an, »Möchtest du ein wenig Nudelsalat?«

»Ja, gerne.«, antwortete ich ihm, obwohl ich überhaupt keinen Appetit hatte. Ümit legte eine ganz kleine Portion davon auf meinen Teller. Wahrscheinlich bewusst wenig. Ich sah mir die anderen an. Sie sprachen über verschiedene Themen und lachten viel. Wie konnte man so unbeschwert sein? Ich fühlte mich total fehl am Platz. Das alles war zu viel. Es war nicht der richtige Ort für mich. Wie konnte man nur denken, dass solch eine Aura für mich guttun würde? Das würde ja nicht mal ein kleines Kind glauben. Lieber würde ich zu Hause in meinem Bett liegen und nur weinen. Und bei Asya sein. Denn, wer war denn schon weit gekommen, in dem er sich andauernd selbst belogen hatte?

»Ein gemeinsames Freundschaftsessen ohne mich?«, war plötzlich zu hören. Ein Junge lief durch das Tor und kam in großen Schritten auf die Terrasse zu. Er hatte eine ganz lässige Haltung und nahm sich seine Sonnenbrille ab. Ich konnte erkennen, dass es Yasin ist. Sofort standen alle auf um ihn zu begrüßen. Ich blieb jedoch sitzen.

»Ich hatte deiner Mutter geschrieben, aber sie hatte mir nicht geantwortet.«, sagte Yaren zu ihm. Ümit stand ebenso auf und schenkte ihm ein kleines Lächeln. Sein Gesicht sah aus wie ein Pokerface.

»Alles klar, Bro?«, fragte ihn Yasin. Sie gaben sich einen kurzen Handschlag und umarmten sich.

»Ich bringe dir sofort einen Stuhl.«, sagte Mary und lief in das Haus rein.

»Mhm.«, gab Yasin köstlich von sich und sah sich den Tisch an, »Hier gibt es ja Essen für Jedermann.«

»Bediene dich.«,!sagte Onkel an Yasin gewandt und lächelte ihn an.

»So, bitteschön.«, Mary kam wieder raus und stelle den Stuhl zwischen mich und Ümit. So saß er nun am Anfang vom Tisch, gegenüber meinem Onkel. Dankend setzte er sich hin und füllte ohne Kommando seinen Teller mit Essen.

»Und du bist?«, fragte Yasin mich.

»Ich bin die Nichte von Ömer.«, antwortete ich ihm schlüssig.

»Ach, du bist es. Arya, stimmt's? Du bist ja groß geworden.«, er sprach ziemlich schnell und lachte währenddessen. Ich wusste nicht wie ich ihm entgegenkommen sollte. Mir fiel nichts ein. Zudem wollte ich aus irgendeinem Grund das Gespräch mit ihm vermeiden, doch er sprach weiter, »Weißt du woran ich dich hätte erkennen können?«

»Woran?«, stellte ich als Frage zurück, ich gab mir Mühe desinteressiert zu klingen. Yasin kam mir nun näher und sah tief in meine Augen.

»Deine Augen.«, er sprach in einem tiefen Unterton, »und diese kleine Stupsnase.«, fügte er noch hinzu. Jetzt fasste er auch noch meine Nase an. Reflexartig schlug ich seine Finger weg. Er reagierte jedoch schneller, weshalb ich mir selbst auf meine Nase schlug.

Eine gemeinsame SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt