39 | Mrs Carter

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Am Ende gilt doch nur, was wir getan und gelebt — und nicht — was wir ersehnt haben.

Arthur Schnitzler

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Arya

»Mrs Umut, ich habe nun endlich von deinem Doktor deine Akte erhalten. Gestern habe ich sie mir gründlich durchgelesen und mir einige Notizen gemacht, was ich davon halte. In unseren letzten Sitzungen hast du viel über den mysteriösen Mr Karan gesprochen. Viel mehr als über deine beste Freundin oder deine Familie. Das macht mir gewisse Anzeichen und gibt mir Bedenken.«

»Ich bekomme tatsächlich schon Kopfschmerzen, weil ich so viel daran denke. Meine Erinnerungen sind noch nicht da, aber wieso fallen mir gewisse Merkmale auf?«

»Genau darüber habe ich nachgedacht. In deiner Akte ist nicht viel zu deinem Gedächtsnisverlust aufgeschrieben worden, da dein Kopf einfach nicht am Unfall beschädigt wurde.«

Meine Psychologin ging noch einmal durch meine Akte und schrieb sich auf ihrem Block etwas auf. Seit ungefähr drei Wochen kam ich zwei Mal die Woche her. Das war mit Abstand die beste Entscheidung, die ich jemals treffen konnte, denn nichts ginge über eine professionelle Hilfe.

Karan hatte ich in diesen drei Wochen nur gezählte vier Mal gesehen. Und das auch nur, weil mir meine Psychologin davon abgeraten hatte. Das lag auch nur daran, dass ich in unserer ersten Sitzung hoffnungslos geweint hatte, weil ich mich selbst beschuldigte. Ich hatte mir selbst Anschuldigungen gemacht, dass ich ein schlechter Mensch sei und die Menschen um mich herum nur traurig mache, vor allem Karan. Ab dann wollte sie nicht mehr, dass ich ihn sehe, doch er kam trotzdem zu meinem Onkel nach Hause, bis David mit ihm gesprochen hatte, nicht mehr zu kommen. Für meine Gesundheit. Doch ich denke hierbei eher an die Gesundheit von meinen engsten. Und von ihm.

Mit David hatte ich jetzt eine ganz andere Bindung. Ein Leben ohne ihn war für mich unvorstellbar geworden. Er machte den Anschein wie ein großer Bruder zu handeln und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht Arda in ihn sehe. Jeden Tag war David bei Onkel zu Hause und verbrachte Zeit mit mir. Er erzählte viel von seinen Träumen und seine Liebe zu Kelsey. In den letzten zwei Wochen hatte er sich sogar mit mir hingesetzt und mein Wissen in amerikanisches Recht vertieft, nur aus dem Grund, falls ich wieder arbeiten wollen würde. Außerdem war er derjenige, der mich immer zu meinen Sitzungen brachte. Voller Geduld wartete er immer im Wartezimmer auf mich.

Asya hingegen lebte ihr Leben so gut wie nie zuvor. Das Datum für ihren Rückflug war schon längst vergangen, sie entschied sich länger zu bleiben. Diese Entscheidung gefiel Emir ganz und gar nicht. Asya erzählte auch, was alles mit Emir geschah, während sie hier war. Wie sie sich jeden Tag stritten und sie auf gut deutsch gesagt keinen Bock mehr auf ihn und sein Verhalten hätte. Während ich jeden Tag mit David war, war sie so fleißig und ging arbeiten. Morgens wurde sie von Yasin abgeholt und am späten Nachmittag von ihm wieder nach Hause gefahren. Das hatte natürlich Vorteile für ihren Lebenslauf.

»Ich hatte dir das noch gar nicht gesagt Mrs Umut... aber, das was ich dir jetzt sagen werde, wirst du in keiner Literatur finden. Es ist nur ein rein menschlicher Gedanke, die ich mir mit meinen persönlichen Erfahrung angeeignet habe.«, Mrs Carter hatte meine Neugier geweckt. Ich hörte ihr gespannt zu. »Ich bin ein ganz großer Fanatiker von Liebe. Aber... nicht diese Art von Liebe an die jeder sofort denkt, verstehst du? Die Liebe, die ich meine, basiert auf die Seele. Ein Mensch kann sich in alles verlieben. Beispielsweise in eine Blume oder auch in ein Auto. Aber nachdem diese Blume langsam ausstirbt, vergeht deine Liebe. Wenn du das Autos zu oft gefahren bist, dann willst du etwas besseres. Demnach vergeht die Liebe so schnell wie sie kommt auch wieder und du willst darauf aufbauend etwas besseres, etwas schöneres. Denn du verliebst dich in das was du siehst. Nicht in das was du fühlst. Etwas was du wirklich aus Leidenschaft fühlst. Kannst du mir folgen?«

Eine gemeinsame SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt