32 | Liya

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Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lesen.

Augustinus Aurelius

***

Arya

Es verging noch eine Weile, bis wir uns tatsächlich beruhigt hatten nach unserem magischen Moment. Wir lagen stumm nebeneinander und sahen uns auf meinen Wunsch eine Folge Brooklyn Nine Nine an. Die Stimmung war entspannt zwischen uns.

»Arya...«, murmelte Ümit an meinen Haaren.

»Mhm?«

»Ich will die Stimmung ungern zerstören, aber... ich will dich etwas fragen.« Jetzt hatte er meine komplette Aufmerksamkeit zu sich gezogen. Ich setzte mich langsam auf, er tat es mir gleich. Somit waren wir jetzt auf Augenhöhe. »Du musst aber nicht antworten.«, sagte er vorerst.

»Du kannst mich alles fragen, Ümit.«, versicherte ich ihm. Ehe er sich kurz räusperte, fing er wieder an zu reden.

»Würdest du mir von deiner Familie erzählen?«

Plötzlich schlug mein Herz schneller. Mit allem hatte ich gerechnet, aber nicht damit. Ich wusste, dass er mittlerweile ein Recht darauf hatte, mehr über mein Leben zu erfahren. Jedoch musste ich nicht erklären, dass meine Situation etwas anders war. Ich dachte jeden Tag über meine Familie nach. Jeden Abend betete ich für sie, auch wenn ich es wirklich nicht zeigte. Aber reden? Das hatte ich lange nicht mehr getan. Ihre Persönlichkeiten beschreiben... unsere Erlebnisse... das ist echt eine Herausforderung.

»Gerne.«, sagte ich verkrampft und versuchte ein Lächeln rauszubringen. Um mich ein wenig stärker zu fühlen, nahm ich seine rechte Hand in meine und ordnete halbwegs meine Gedanken.

»Meine Mutter heißt... hieß Melek. Sie war wie ein lebender Engel auf dieser Welt. Mit der vollen Bedeutung trug sie ihren Namen. Ich glaube, ich muss gar nicht sagen, dass sie mein größtes Vorbild war und immer noch ist.«

Ich konnte meine Blicke nicht von unseren Händen nehmen. Jedoch erinnerte ich mich daran, dass Ümit keine Sekunde seine Augen von mir nahm, als er über Camila sprach. Ich sammelte meinen letzten Mut zusammen und sah ihm in die Augen.

Mein Ziel ist es, so stark zu sein wie er.

»Mein Vater hieß Murat. Er war dazu bekannt ein wahrer Komiker zu sein. Jeder, aber wirklich jeder liebte ihn wegen seinem Humor. Zudem war er wirklich ein Frauenheld. Jedes Mädchen liebte ihn und er liebte alle Mädchen.« Bei diesen Erinnerungen musste ich grinsen, »Eigentlich wollte er wirklich auch nur Töchter und laut Mama war er ein wenig traurig, als sie erfuhren, dass Arda ein Junge ist.«, fügte ich grinsend hinzu. »Die Hoffnung haben sie aber nicht aufgegeben und haben anschließend mich bekommen.«, ergänzte ich leicht angeberisch. Erkenne die Ironie.

»Die erste Prinzessin des Hauses.«, sagte Ümit lächelnd.

»Die erste und die einzige.«, korrigierte ich ihn.

»Wollten sie keine weiteren Kinder?«

»Doch, schon. Allerdings erkrankte meine Mutter zwei Jahre nach meiner Geburt an Gebärmutterhalskrebs, den sie leider genetisch schon von ihren Großmüttern erbte...«, kurz stockte ich. Die Gedanken, dass ich das auch mal bekommen könnte, plagten mich tief im inneren heute noch. Obwohl ich die Spritze dagegen bereits geimpft bekommen hatte, konnte man sich nicht durch das Schicksal von Gott schlagen.

»Hatte sie ihre Gebärmutter verloren?«, fragte Ümit vorsichtig.

»Ja, sie mussten es ihr rausoperieren. Es ging ihr jedoch wieder gut und wir konnten weiter unbeschwert leben. Irgendwie hatte ich auch ein wenig Gefallen daran, die einzige verwöhnte Prinzessin zu Hause zu sein.«, ich konnte mir mein schelmisches Grinsen nicht verkneifen, bis Ümit später mit seinen Fingern meine Wangen zwickte.

Eine gemeinsame SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt