54 | Willkommen zu Hause

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Je kaputter die Welt draußen, desto heiler muss sie zu Hause sein.

Reinhard Mey

***

Arya

Während alle am Schlafen waren, konnte ich vor Aufregung kein einziges Auge zudrücken. Wir verbrachten den halben Tag im Flugzeug, doch mir kamen es vor wie Jahre. Ich sah mir verschiedene Filme an, doch brach nach den ersten zehn Minuten ab, da ich eigentlich nicht in der Stimmung dafür war. Stattdessen packte ich mir Asya's Handtasche und nahm das Dokument heraus. Ich fing an jedes einzelne Blatt zu lesen. Selbst die kleinen Schriften am Ende der Seite, die sich keiner durchlies.

All die Paragraphen, die erwähnt wurden, kamen mir auf Anhieb bekannt vor, da ich jahrelang damit gearbeitet hatte. Ich erwischte mich selber beim Lächeln, als ich jeden einzelnen Satz vom Notar nachvollziehen konnte. Irgendwie fühlte ich mich wieder schlau. So absurd es auch klingen mag.

Als Anhang waren Kaufverträge, als auch Kontoauszüge von meinen Eltern beigelegt worden, genauso wie eine beglaubigte Abschrift des Testaments. Ich wusste, dass Arda sich ein Grundstück zugelegt hatte. Zwar erwartete ich kein Testament von ihm, doch ich fand es fragwürdig, dass nichts über sein Eigentum stand. Vielleicht hatte er es auch für eine Spende ausgegeben. Das sollte mir der Notar dann erklären.

Ich unterschrieb alle Dokumente und verstaute diese wieder in den Umschlag. Währenddessen kam von dem Piloten die Ansage für die Landung. Sofort blickte ich raus aus dem kleinen Fenster und erkannte Stuttgart von oben.

Willkommen zu Hause...

***

»Oh mein Gott.«, kam es euphorisch von Kelsey, während sie sich den Regen ansah. Wir fuhren gerade mit dem Bus zum Terminal, um den Flughafen endlich verlassen zu können.

»Fünf Tage kannst du es doch wohl aushalten, Kelsey.«, sagte ich schmollend und ging mit meiner Hand sanft an ihrem Rücken auf und ab.

»Hamburg ist sogar noch schlimmer.«, sagte David. »Also im Gegensatz zu den anderen Städten.«

»Das hatte ich auch immer so gehört.«, stimmte Asya ihm zu.

»Jetzt sei mal nicht so pessimistisch. Genieß es einmal in kuscheligen Sachen zu chillen und unendlich viel Tee zu trinken, um dich vor der Kälte zu schützen. Und was gibt's Besseres als das?«, kam es diesmal von Ümit, der anscheinend sehr begeistert vom ständigen Regen in den nächsten Tagen war.

»Okay, ich bin ja schon ruhig.«, sagte Kelsey und hob sich wehrend die Hände hoch.

In dem Moment hielt der Bus vor dem Tor an, sodass wir endlich aussteigen konnten. Direkt nach der Zollkontrolle liefen wir raus und sahen erstmals eine Menschenmenge.

»Oh mein Gott.«, wisperte Asya neben mir. Eine sehr große Menschenmenge stand vor uns. Als ich binnen Sekunden in mehrere Gesichter sah, wurde selbst mir die Sprache genommen. »Oh mein Gott!«, kam es erneut von Asya. Sah ich richtig? Ein riesiges Schild mit der Aufschrift „Willkommen zu Hause" wurde getragen von vielen Menschen, die wir liebten. So viele bekannte Gesichter standen vor uns, die Asya und mich mit langersehnten Blicken ansahen.

»Endlich!«, hörte ich die Stimme von Larissa. Ich blickte nach rechts und sah sie wie auf uns zulief. »Endlich...«, sagte sie nun weinend und umarmte Asya und mich gleichzeitig. Natürlich konnte ich mir meine Tränen nicht zurückhalten und ließ ihnen somit den freien Lauf.

Jeder Name, der mit einfallen konnte, stand hier. Vor mir. Die wichtigsten Menschen für meine Familie waren hier, um uns zu empfangen. Abgesehen von Céline, standen die engsten Freundinnen von meiner Mutter und meinem Vater da. Die besten Kollegen von Arda. Asya's Familie. Unsere Kindheits- und sowohl auch Freunde von der Uni.

Eine gemeinsame SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt