23 | Gemeinsames Gebet

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Gebete ändern die Welt nicht. Aber Gebete ändern die Menschen. Und die Menschen verändern die Welt.

Albert Schweitzer

***

Arya

Es war bereits Sonnenuntergang. Ümit war gerade dabei mir das Haus zu zeigen. Bei jedem Zimmer blieb er eine Weile stehen und erzählte mir die Erinnerungen, die ihn damit verbindeten. Als wir im Badezimmer ankamen, brauchte er viel länger. Er setzte sich an die Kante des Beckens hin und sah sich nur den Boden an. Ich setzte mich neben ihm und hatte meine Blicke auf ihn gerichtet.

»Manchmal bin ich froh, mich nicht mehr an diesen Moment erinnern zu können. Aber manchmal macht es mich fertig, weil es andere wissen und ich nicht.«

»So geht es mir genauso.«, gestand ich ihm. Ich erzählte ihm das nicht, damit er sich dadurch besser fühlte, sondern einfach nur, weil es stimmte. Bei dieser Situation teilten wir unsere Gefühle.

»Komm, es ist Gebetszeit.«, Ümit stand auf und reichte mir seine Hand. Lächelnd nahm ich diese an und somit liefen wir gemeinsam die Treppen hoch, ins Dachgeschoss. Als wir oben ankamen, hatte der Teppich meine komplette Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Es war ein wunderschönes Grün, mit feinen weißen Mustern. Der Geruch hier war sogar anders. Ümit zeigte mir, wo sich das Badezimmer befand, für die körperliche Waschung vor dem Gebet. Da die Badezimmern getrennt waren, war ich kurz alleine und nahm mir kurz Zeit, um mir die Inneneinrichtung zu betrachten. Ein riesiger Spiegel schmückte die Wand, vor den vier Waschbecken. Jedes von ihnen war gleich groß und hatte nebendran seine eigenen Handtücher. Ohne weitere Zeit zu verlieren, zog ich meine Ärmel hoch und zog mir meine Socken aus, um mich für die Waschung bereit zu machen. Als ich fertig war und bereits vor der Badezimmertür stand, erblickte ich ein langes Regal mit vielen Gebetsteppichen und die dazu gehörigen Essentialien. Sofort führten mich meine Beine dahin. Ich hielt Ausschau nach einem passenden Rock, mit einem Kopftuch.

»Ich habe dir schon was ausgesucht, Arya.«,
sprach Ümit hinter mir. Schnell drehte ich mich um. Er stand mit den Sachen in seiner Hand vor mir und reichte diese mir über. Dankend nahm ich sie an und begab mich wieder ins Badezimmer und zog mich um. Wow, passt wie angegossen. Als ich in Richtung Gebetsraum lief sah ich, dass Ümit sich bereits mit seiner Stellung bereit machte. Leise gesellte ich mich ein Teppich hinter ihm und fing ebenso an zu beten.

***

Es war schon eine kurze Weile, seitdem wir zurück fuhren. Wir hatten mehrmals versucht Asya und Yasin zu erreichen, jedoch hatten sie keines Mal geantwortet. Dann entschlossen wir uns kurzfristig nach Hause zu fahren. Die Fahrt verging ohne jegliche Unterhaltung. Vielleicht war das auch besser so, denn Ümit und ich waren mit unseren Nerven und Tränen so ziemlich entladen. Ich hoffe nur, dass er es nicht bereut. Er soll sich nach diesem Geschehnis weiterhin wohl neben mir fühlen. Es soll sich nichts zwischen uns verändern. Was sollte sich denn verändern?

»Arya, hast du hunger?«

»Nein, wieso?«, ich sah ihn irritiert an.

»Hörst du es nicht?«, diesmal sah er mich irritiert an. »Dein Magen. Er knurrt wie ein Bär.«, fügte er lachend hinzu. Reflexartig fasste ich meinen Bauch an und merkte, dass mein Magen wirklich leer war. Trotz dessen hatte ich das Knurren gar nicht gehört. Das plötzliche Vibrieren meines Handy unterbrach unsere kurze Konversation. Asya rief mich an.

»Mädchen, wo bist du?«, fragte ich vorwurfsvoll. Meinen Vorwurf kann man mir aber nicht übel nehmen.

»Mach dir keine Sorgen, Arya. Wir sind im Taxi und fahren nach Hause.«, sie versuchte mich zu beruhigen.

Eine gemeinsame SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt