Wo viel Gefühl ist, ist auch viel Leid.
Leonardo da Vinci
***
Ümit
»In dem Moment konnte ich mich nicht daran erinnern, wann ich zuletzt so aggressiv wurde. Ich hatte noch so viele Fragen zu stellen und noch so viel zu sagen. Jedoch konnte ich nicht mal meinen Mund aufmachen. Ich traute mich nicht zu fragen, wie das alles verlief. Wie sie danach weitergemacht hatte... wie sie Valeria großgezogen hatte... wie sie es ihr erzählt hatte, dass ihr Vater ein Vergewaltiger sei. Mir wurde klar, dass es Valeria viel schlechter ging als mir. Die Konditionen, mit denen sie leben musst... keine Hoffnungen... keinen Vater...«
Bei dieser Aufzählung stockte ich mehrmals. Ich merkte, wie ich jahrelang nicht darüber nachgedacht, gar darüber gesprochen hatte, wie es meiner Schwester eigentlich ging.
»Sie ist so alt wie du.«, ich sah Arya an und lächelte leicht.
»Echt?«, ihr Lächeln wurde breiter.
»Sie wird Ende November vierundzwanzig Jahre alt.«, meine Gedanken schweiften an Valeria. Ich vermisste sie sehr.
»Uh, ich bin also fast zwei Monate älter als sie.«, sagte Arya. »Und... wie ging es dann weiter?«
»Wie sollte es denn weiter gehen... Jedes Mal, wenn Valeria an ihn dachte, litt sie genau auf die Sekunde unter einer Panikattacke. Camila erzählte mir, dass Valeria bis zu diesem Tag immer noch Schwierigkeiten hätte, sich selbst und ihr Leben zu akzeptieren. Valeria dachte, dass Camila sie nicht wie ihre Tochter sah, weil sie nicht mit Liebe erzeugt wurde. Einmal hätte sie sogar zu Camila gesagt, dass sie es ihr nicht übel nehmen würde, wenn Camila sie nicht wie ihre eigene Tochter sah und sie nicht so sehr liebte.«
»Oh, wow... ich kann mir gar nicht vorstellen, in welcher Situation sich ihre Psyche befand.«
»Arya, hast du dich selbst auch gefragt, ob du die einzige bist, die so sehr leidet?«
***
Arya
Ich erinnerte mich an die Zeit zurück, als ich mir zu der Zeit jeden Tag, jede Sekunde irgendwelche fragen stellte.
Warum fühlt es sich so an, als ob meine Seele die einzige ist, die so sehr leidet?
»Ja. Diese Fragen habe ich mir immer unkontrolliert und ungewollt gestellt. Es hatte sich so angefühlt, als ob meine Seele dieses Verlangen danach hatte, unbedingt Antworten darauf zu brauchen.« Meine Blicke waren nur auf den Rasen gerichtet. Seitdem ich Ümit kannte und Zeit mit ihm verbrachte, hatte ich keine derartigen Gedanken mehr. Ich merkte, wie befreiend es sich gerade anfühlte.
»Ich auch. Und Valeria auch.«
Fühlte ich mich dadurch besser? Dafür, dass ich doch nicht die einzige war? Fühlte ich mich besser, weil der Mann vor mir; für den ich Gefühle entwickelte, auch litt und ich somit nicht die einzige war? Was bringt mir die Tatsache, dass mich Menschen verstehen und auch hart gelitten haben?
Nichts. Nichts, außer Trauer.
»Als Valeria rausgerannt ist, lief David ihr sofort hinterher. Ich wusste nicht genau, was er mit ihr machte. Jedoch kam sie wieder ziemlich beruhigt und friedlich in die Hütte zurück. Und... da hatte ich sie dann. Meine Mutter Camila und meine Schwester Valeria. Meine Familie. Mein eigentliches Herz und Blut.«, Ümit sah sich den Himmel an und lächelte leicht. Sein Anblick befriedigte mein inneres.
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Eine gemeinsame Seele
Ficção Adolescente🌙 Vincent van Gogh sagte mal; »Mancher Mensch hat ein großes Feuer in seiner Seele und niemand kommt, um sich daran zu wärmen.« Doch durch sein Feuer, wird sie wieder einen Sinn in ihrem Leben finden. Das Feuer - welches durch Leid in ihm entstand...