09 | Melih's Zimmer

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Du und ich — wir sind eins. Ich kann dir nicht wehtun, ohne mich selbst zu verletzen.

Mahatma Gandhi

***

Arya

Nach dem Geschehnis war mittlerweile eine ganze Woche vergangen. Ich wusste immer noch nicht welche Antwort ich Ümit geben sollte. Er hatte so recht. Und er wusste, dass er recht hatte. Mein Körper explodierte auf Grund von Gefühlen. Jedoch wusste ich nicht, welche Gefühle es speziell waren. Glücksgefühle oder Hassgefühle? Freudegefühle, weil jemand meine Taten verstehen konnte? Vielleicht sogar alles in einem. Wenn ich versuchte ordentlich nachzudenken, merkte ich, wie gut seine Handlungen mir taten. Machte er das bewusst? Manchmal hatte er auch diese Blicke, denen ich nicht deuten konnte. Ob er mich vielleicht mochte oder einfach nur Mitleid hatte. Wobei ich noch nie den Mitleidsblick von ihm gesehen hatte. Jedes Mal hatte er ein neutrales Gesicht. Ich hatte so viele Fragen in meinem Kopf, dessen Antworten nur Ümit geben könnte. Wieso kümmerte er sich um mich? Woher wusste er, was mich beruhigen konnte? Warum wusste er, was ich dachte? Was hatte das alles bitte auf sich?

»Arya, komm in den Garten!«, ich hörte die laute Stimme von Melisa vom Garten aus ins Gästehaus. Ich versuchte meine letzten Kräfte zu sammeln, um vom Bett aufzustehen. Heute war Freitag und ein ziemlich sonniger Tag. Die Uhr zeigte auf 6:15 pm. An Freitagen arbeiteten Onkel und Mary nur bis nachmittags. Mary hatte sich heute entschieden im Garten zu grillen. Onkel war dabei das Fleisch zu grillen und Mary deckte schon mal den Tisch.

»Geht's dir besser?«, flüsterte Mary mir zu. Ich stand bereits bei ihr.

»Ja.«, versicherte ich ihr und schenkte ihr ein kleines Lächeln.

»Dann hol mal die Salate.«, Mary klopfte mir an den Rücken und ich lief rein in die Küche. So sehr ich darüber nachdachte, dass Ümit mir guttun würde, fiel mir ein, dass ich ihn somit immer des Öfteren begegnete. Als ob Gott bereits vorschrieb, wann ich ihn brauchen würde. Oder, dass ich ihn generell brauchte. Bis her hatte ich keine Methode gefunden, mich selbst zu beruhigen. Es fühlte sich so an, als ob Ümit diese Aufgabe freiwillig wahrgenommen hätte. Die Aufgabe, mich bei meinen Gefühlsausbrüchen nicht alleine zu lassen. Wie lange könnte das jedoch so funktionieren?

***

Sieben Stunden vorher

Die Zwillinge waren noch in der Schule. Mary und Onkel waren noch arbeiten. Zu Hause wusste ich nicht, was ich alleine tun konnte, weshalb ich das komplette Haus aufräumte. Man könnte schon sagen: ich habe die sauberen Stellen sauber gemacht. Nur weil ich nichts anderes zu tun hatte um mich abzulenken. Zudem verging die Zeit nicht. Hier schien mal wieder die Sonne. Wie jeden Tag, wie immer. Kurzzeitig entschied ich mich spazieren zu gehen. Die Wege waren hier perfekt dazu geeignet. Außerdem war es noch vormittags, weshalb die Umgebung frei von Menschen sein sollte. Ich stand vor meinem Schrank und nahm mir langes schwarzes Kleid raus. Das Kleid war langarmig und saß bis zu meiner Taille eng und ab da bis zu meinen Füßen fiel der Stoff locker runter. Dazu zog ich passende Sandalen an. Meine Haare ließ ich über meine Schulter fallen. Vielleicht sollte ich sie mal wieder schneiden, sie kamen schon bis zu meiner Taille. In meine kleine Tasche packte ich mein Handy, Geldbeutel und die Hausschlüssel ein. Ohne zu wissen, wohin meine Beine mich führten, lief ich durch die Umgebung. Wie ich es mir vorgestellt hatte befanden sich hier keine Menschen. Es fuhren keine Autos, nicht einmal Fahrradfahrer. Die Ruhe war sehr angenehm. Im Moment war ich in einer Gegend, an der ich mich nicht auskannte. Fast jedes Gebäude zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Die Architektur war hier sehr interessant. Anschließend kam ich an einem Gebäude an, was nicht irgendein Gebäude war. Es war Das Gebäude.

Eine gemeinsame SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt