43 | Da wo ich hingehöre

824 123 90
                                    

Zuerst verwirren sich die Worte, dann verwirren sich die Begriffe und schließlich verwirren sich die Sachen.

Chinesische Weisheit

***

Arya

Weder mit meinem Herz noch mit meinem Kopf war irgendetwas in Ordnung. Ich war mir immer noch nicht im Sinnen, welches Organ welcher Meinung war. Und genau diese Tatsache führte dazu, dass ich zwei Männer vertauschte. Die chinesische Weisheit traf genau auf meine jetzige Lebenssituation zu.

»Du wirst Sushi lieben.«, Noah lief voller Begeisterung vor mir und hielt mir die Tür des Restaurants auf. »Die Lady.«, sagte er gentlemanlike und machte eine Handbewegung, damit ich vor ihm reinlaufen sollte. Sein charmantes Lächeln hatte hier und da immer seine Wirkungen auf mich, jedoch merkre ich nach und nach, dass das Interesse doch nicht so stark war. Jedenfalls nicht so stark wie ich dachte.

Seit dem Vorfall mit Mr Karan waren nun zehn Tage vergangen. Noah beschloss darauf, nicht über das Thema zu sprechen. Ich jedoch dachte, dass es eigentlich ein Gespräch wert war. Mittlerweile musste ich mir nämlich eingestehen, dass ich mit Mr Karan vor dem Unfall in einer Beziehung war. Es gaben sogar Beweise bezüglich darauf, dass wir sehr glücklich zu der Zeit waren.

Sein Statement an dem Tag mit Halte dich von meinem Mädchen fern schwirrte immer wieder in meinem Kopf herum. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich keine Schuldgefühle hätte. Mit bisschen Empathie konnte ich mir vorstellen, dass es für ihn auf gut deutsch gesagt scheiße lief. Vor allem, weil ich vor dem Vorfall vorher gesagt hatte, dass ich mehr Zeit mit ihm verbringen will. Ich hatte ihn einfach da stehen gelassen und ließ mich dazu noch von seinem guten Freund ausführen.

Noah zog mir meinen Stuhl nach hinten und setzte sich anschließend neben mich. Nicht vor mich. Warum nicht vor mich? Wir saßen eng beieinander, sodass ich mich ein bisschen unwohl fühlte. So nah waren wir uns bisher noch nicht.

»Ich bestelle uns beiden das selbe, okay?«

»Ein bisschen unsicher bin ich mir immer noch, ob ich rohen Fisch wirklich probieren will.«, sagte ich kritisch. Alles was roh war, hatte den Effekt von Würgreiz in mir.

»Ich werde dich überzeugen.«

Da das Restaurant, aus welch einem Grund auch immer, überfüllt war, vergingen einige längere Minuten, bis unser Essen ankam. Viele Menschen genossen wohl den Geschmack von Sushi, was ich überhaupt nicht nachvollziehen konnte. Während wir warteten, erzählte Noah wieder mal viel von sich selbst. Jedoch fühlte sich das Gespräch nicht wirklich persönlich an, da er nicht vor mir saß und wir uns nicht direkt in die Augen sahen. Es herrschte eine ungewöhnliche Atmosphäre. Jedenfalls für mich.

»Du musst Hoso-Maki mit Soja-Soße probieren, Arya.« sagte Noah mit einer sehr überzeugten Stimme und überreichte mir die zwei Stäbchen.

Völlig irritiert sah ich mir die Stäbchen an, mit denen ich zuvor noch nie in Kontakt getreten bin und sah Noah entgeistert dabei zu, wie er — wie ein professioneller Stäbchenmeister — sich an seinem Essen vergnügte. Ich legte die Stäbchen weg und bediente mich an dem Hoso-Maki mit meinen Fingern. Die Füllung bestand nur aus Reis und dieser war umrandet von einem Nori-Blatt. Ich tupfte das Sushi ein wenig in die Soja-Soße ein und versuchte mittig daran zu beißen, was jedoch sehr schief ging. Es fiel mir aus der Hand, bevor ich ihn überhaupt in den Mund nehmen konnte. Ich gab die Hoffnung daran auf.

»Oh, Arya... komm ich helfe dir.«, ein Lachen entwich aus seinem Mund als er mich beobachtete. Er nahm sich meine Stäbchen in die Hand und umklammerte diese um das Sushi. Dann kam er mir immer näher und überreichte es mir bis zu meinem Mund. Oh Gott. Will ich das wirklich in meinem Mund? Mund auf, kleines. Sehr schön und jetzt gut kauen und verdauen. Oh Gott.

Eine gemeinsame SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt