47 | Familie, mein einziger Segen

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Als ich aus der Zelle durch die Tür in Richtung Freiheit ging, wusste ich, dass ich meine Verbitterung und meinen Hass zurücklassen musste, oder ich würde mein Leben lang gefangen bleiben.

Nelson Mandela

***

Arya

Wenn ich meine Verzweiflung nicht hinter mir gelassen hätte, wäre ich jetzt nicht da, wo ich momentan bin. Ich wäre gefangen in meiner Welt, ohne Vertrauen und ohne die Menschen, die für mich kämpften. Es ist sehr schwer sich frei zu geben. Nur wer meine Situation mal selbst erlebte, könnte mich verstehen. Der Kampf in mir wurde jedes Mal zu einem Krieg, den ich bis heute immer verlor. Denn ich war zu schwach. Zu schwach, um einfach gewissen Menschen mein Vertrauen zu schenken.

Als ein gläubiger Mensch, vertraue ich der höheren Macht mehr als auf mich. Ich überlasse vieles dem Schicksal, ohne viel davon zu verlangen. Trotz dessen kämpfe ich. Ich kämpfe so, als wäre es mein aller letzter Tag, an dem ich noch leben durfte. Und sieht, wohin mich mein Kampf hingeführt hat. Ich hatte immer ein Ziel. Dieses kannte jeder. Ich wollte nichts sehnlicher als meine Erinnerung wieder haben. Das Ziel war ein sehr großes, doch ich wollte es sehr. Daher kämpfte ich. Mich plagten die höllischsten Kopfschmerzen. Die absurdesten Spiele, um die Erinnerung wieder erwachen zu lassen, hatte ich jeden Tag durchgezogen. Viele Bilder und Videos die ich mir stundenlang stumm angeschaut habe. Schlaflose Nächte wegen Überlegungen, was für ein Mensch ich in den letzten zwei Jahren war. Was ich alles erlebt hatte, was ich getan hatte. Doch jeder Gedanke stand am Ende ohne eine Antwort da. Doch was war mir egal. Denn ich hatte ein Ziel.

Mein Ziel zeigte mir letztendlich, dass der Ziellose sein Schicksal erleidet und der Zielbewusste sein Schicksal freihändig gestaltet. Die Zeit, in der ich mein Schicksal gestaltet habe, waren mir meine Empfindungen und meine Erlebnisse wichtig. Es kam darauf an, wem ich meine Zeit schenke, wer mir beistehen kann und durch wen ich schneller auf die Beine komme.

Meine Mutter hatte immer bestimmte Weisheiten, die sie mir und Arda oft sagte. Eine Weisheit, die ich jetzt am eigenen Leib erlebte; Wenn du dem Schicksal nichts gibst, dann wird sie von dir auch nichts nehmen. Jedoch habe ich dem Schicksal viel Geduld und Liebe gegeben. Ich habe dem Schicksal meine Emotionen anvertraut. Und somit habe ich einen Weg gestaltet, der mich wieder zu dem Mann geführt hat, der mich liebt. Ich war wieder da, wo ich vorher war. Weil ich dem Schicksal alles gegeben habe.

Du hattest recht, Mama. Wie bei jedem Thema auch, hattest du jetzt auch wieder recht.

Mama's Weisheiten stimmten immer. Sie brachten mich sogar dann weit, wenn sie selbst nicht da war. Ich hoffe sie sah von oben herab und war stolz auf mich.

»Woran denkst du nach?« Ich drehte mich zu meinem linken und erblickte direkt Ümit. Es war bereits der nächste Morgen und wir fuhren nach Hause zu Onkel.

»Über das Schicksal.«, antwortete ich. Seine Augen blickten mich barmherzig an, als er wohlfühlend meine Hand in seine nahm und sie sanft drückte. Ich erwiderte seinen Blick.

»Danke, dass du mir vertraut hast.«, sagte Ümit, als er an der roten Ampel anhielt. Ich blickte wieder zu ihm, mit den Gedanken, dass ich die jenige sein musste, die sich bedankt.

»Ich danke dir, dass du auf mich gewartet hast.«, entgegnete ich ihm. Das war für mich keines Falls selbstverständlich. Ümit hatte die größte Geduld mitgebracht, während ich ihn oftmals von mir abgestoßen hatte.

»Ich lebe für dich. Wie sollte ich nicht auf dich warten?«

***

Ümit parkte auf den Hof von Onkel. Ich sah, wie alle auf der Terrasse am Tisch saßen und frühstückten. Asya war auch mit ihnen. Mein Herz klopfte wie verrückt. Ich wusste nicht, wie ich ihnen entgegen kommen sollte. Hallo, meine Erinnerung ist wieder da. Quatsch. Sollte ich überhaupt etwas sagen?

Eine gemeinsame SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt