14 | Kein Morgen für schwache Nerven

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So mancher meint ein gutes Herz zu haben und hat nur schwache Nerven.

Marie von Ebner-Eschbach

***

Arya

Wir saßen bereits im Auto und fuhren wieder Richtung nach Hause. Seitdem ich hier war, war jeder Tag voller Erlebnisse. Viel zu viele Sachen passierten unerwartet. Mal wurden sie negativ und kurz darauf wendete es sich zum Positiven zu. Und der Kernpunkt war, dass Ümit immer eine große Rolle spielte. Während ich mir einen friedlichen Feierabend nach meinem ersten Arbeitstag vorstellte, wurde mein Montag voller Aktionen. Zugegeben, der Kuss mit Ümit nahm mich am meisten mit. Wieso tat er das? Wieso küsst man einen Menschen, liebe Arya? Da meldete sich meine liebe innere Stimme wieder. Vielleicht sollte ich der inneren Stimme mal endlich einen Namen geben. Dann wären die Gespräche mit ihr persönlicher. Nenn mich Boss. Ich bestimme hier einiges und gebe dir sogar oftmals Anweisungen. Du hörst auf mich. Deshalb nenn mich Boss. Die Stimme zauberte mir ein belustigtes Grinsen auf meinem Gesicht. Okay, Boss. Zurück zur Sache. Würdest du jemanden küssen, für den du nichts empfindest? Nein. Selbstverständlich nein. Dann kannst du dir vorstellen, wieso er es getan hat. Schließlich hast du den Kuss auch erwidert. Sofort drehte sich mein Kopf zu Ümit. Er hatte einen lässigen Halt und fuhr, während er sich nur auf die Straße fokussierte. Hatte er Gefühle für mich? Das hatte er ja heute irgendwie zugegeben. Bei diesen Gedanken kam das Schamgefühl in mir hoch, weshalb ich meinen Kopf sofort wieder wegdrehte. Als mir nach und nach die einzelnen Geschehnisse vor Augen gingen, wie zum Beispiel unser erstes Aufeinandertreffen im Garten, danach die Fahrt zum Eiscafé, der Vorfall am Strand, unser zufälliges Treffen in der Moschee, seine beschützerische Art im Kino, dann unser Benehmen im Kinosaal und die Aktion von heute. Diese Eifersucht, als er mich mit Yasin gesehen hatte, wie er mich ins Auto gezerrt hatte und sofort weggefahren ist. Der Kuss, sein Geständnis. Das waren zu viele Geschehnisse auf einmal. Wie sollte ich damit umgehen? Hier hatte ich mir Ruhe vorgestellt, jedoch passierte das Gegenteil.

»Um wie viel Uhr fängst du morgen an?«, Ümit unterbrach unerwartet die Ruhe.

»Um acht Uhr.«

»Gut, dann sei um 7:30 Uhr bereit.«

»Was?«

»Ich werde Yasin schon bescheid geben, dass ich da sein werde. Keine Sorge.«, mir ging es doch nicht um Yasin? Sondern um das Prinzip. Ümit drehte seinen Kopf zu mir und sah mir in die Augen, »Wenn du mich kennenlernen willst, dann musst du jede freie Zeit mit mir verbringen.« Darauf hatte ich nichts mehr einzuwenden. »Wir sind da.«, sagte er leise. Reflexartig schnallte mich ab und machte mich für den Abschied bereit.

»Danke... für das Essen.«, ich musste mich echt räuspern und konnte keinen Augenkontakt zu ihm halten.

»Nur für das Essen?«, fragte er amüsiert. Ich spürte seinen Finger unter meinem Kinn. Er hob meinen Kopf, sodass wir uns in die Augen sahen. Voller Liebe. Diese Augen waren befüllt mit Liebe. Ümit schnallte sich ebenso ab und zog mich zu sich. Er umarmte mich so fest... ich genoss jedes Kribbeln... jede Sekunde davon. Langsam lösten wir uns voneinander und sahen uns stumm in die Augen. So als ob unsere Augen miteinander kommunizieren würden. Ümit neigte seinen Kopf ganz leicht und schloss die kurze Nähe zwischen seinem Mund und meiner Wange.

»Ich hoffe die Nacht vergeht schnell und wir sehen uns morgen früh sofort wieder...«

***

»Niemals hätte ich gedacht, dass du so sehr abgelenkt wirst.«, Asya sah mich durch die Kamera erstaunt an. Hier war es bereits 22:00 Uhr. Asya und ich lagen im Bett und sprachen via FaceTime.

Eine gemeinsame SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt