35 | Ich hasse dich, Mr Karan

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Es ist leicht den Hass, schwer die Liebe, am schwersten Gleichgültigkeit zu verbergen.

Ludwig Börne

***

Arya

Ich fühlte mich fremd. Fremd wie noch nie. Ich hatte überhaupt keine Kontrolle was um mich herum ging.

»Kannst du mir das erklären, Doktor?«, fragte Onkel aufgebracht.

»Mrs Umut, welches Jahr haben wir?«, fragte der Doktor ruhig und lief langsam auf mich zu.

»2015.«, antwortete ich, ohne zu zögern. War das falsch? Denn kurz danach atmeten alle stark auf und flüsterten sich gegenseitig zu. Was ging hier vor sich?

»Mr Karan, selbe Frage an dich.«, der Doktor wendete sich an ihn.

»2015.«

Ja also! Ich hatte doch recht!

»Könnte ich euch alle dazu bitten, den Raum zu verlassen? Ich würde gerne mit meinen Patienten alleine sein.« Nach und nach verließen alle das große Zimmer, bis ich das einzige Mädchen unter den zwei Männern war. »Bevor ihr von mir erwartet, dass alles nochmal auf englisch zu erklären, erkläre ich es von vornherein auf eurer zivilen Sprache. Also... vor fünf Wochen wart ihr an einem Dienstagmorgen unterwegs. Die Polizisten gingen davon aus, dass du, Mr Karan, Mrs Umut nach Hause fahren wolltest. Bis dahin war auch alles schön und gut, die Straßen waren geräumig und der übliche Arbeiterverkehr am Morgen hatte auch schon sein Ende. Jedoch war da eine Gruppe von Jugendlichen in einem Auto, die Montagabend bis zum nächsten Morgen feiern waren. Keiner von ihnen war nüchtern, nicht einmal der Fahrer. Mr Karan, du hast laut deinem Auto wirklich versucht, dem Auto nicht entgegenzukommen, du hast sogar abgebremst. Aber... leider ist in den nächsten Sekunden der Unfall passiert. Alles verlief schnell und... beide Autos sind aufeinandergestoßen und einen kleinen Berg runtergerollt. Ein Glück ist niemand bei dem Unfall gestorben. Die vier Jugendlichen sind auch hier auf Station. Mrs Umut, ich habe dich drei Mal operiert. Du hattest mehrere Male ein Herzstillstand, aber wir konnten dich immer reanimieren. Dein schwaches Herz hat nur bisschen Aufmerksamkeit gebraucht und schon warst du wieder da. Mr Karan... bei dir war es ein wenig komplexer. Dadurch, dass du von Geburt an nur eine Niere hattest, hast du deine einzige während dem Unfall verloren. Wir waren auf einen Spender angewiesen. Drei Wochen nach dem Unfall hatten wir eine passende gefunden. Leider hast du auch deine Milz verloren, was eigentlich nicht tragisch ist, jedoch waren auch innere Blutungen oftmals das Problem. Etwas mit dem ich aber niemals gerechnet hätte, ist der Gedächtsnisverlust.«

»Was?«, fragte ich mit dem Jungen neben mir gleichzeitig.

»Das ist unmöglich, ich erinnere mich doch an alles.«, beschwerte er sich.

»Wir haben mittlerweile Ende Mai 2017.«

»2017?«, fragte ich unglaubwürdig.

»Ich werde sofort den Neurochirurgen kontaktieren, er wird wissen was zu tun ist, um auf die Ursache zurückzukommen. Denn vorher kam nichts bei raus und alles war positiv. Jetzt ruht euch ein wenig aus und verbringt Zeit mit euren Familien. Seit zwei Wochen seid ihr in dem Aufwachraum und daher ist der Besuch erlaubt.« Der Doktor drückte noch einmal unsere Hände und lief anschließend raus. Direkt danach kam meine Familie rein.

»Wer erzählt es ihr?«, flüsterte Onkel Mary zu.

»Ömer, das solltest du tun.«

»Meryem, ich brauche Zeit für sowas. Das ist nicht einfach.«

Eine gemeinsame SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt