02 | Der Beginn der Einsamkeit

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Die Empfindung des Einsamseins ist schmerzlich, wenn sie uns im Gewühl der Welt, unerträglich jedoch, wenn sie uns im Schoße der Familie überfällt.

Marie von Ebner-Eschenbach

***

Asya

Sie schrie so laut wie sie konnte. Sekundenlang, atemlos. Wahrscheinlich sind bereits viele Minuten vergangen, an denen sie bedienungslos schrie. Das war das einzige was Arya in dem Moment tun konnte. Dieser langersehende Tag; welcher unser schönster sein sollte, ist schlimmer als jeder Albtraum geworden. Nicht mal ein Empathie Experte könnte sich gerade das Gefühl vorstellen, welches Arya empfand. Das war das einzige was ich mir für ihre Situation denken konnte. Ihre Knie gestützt auf dem Sand, ihre Hände zu Fäusten geballert und im Sand versteckt, schrie sie. Das einzige was ich konnte war nur ihr zuzusehen. Sie hatte ihren Kopf nach unten gesenkt, sodass ihre Haare ihr komplettes Gesicht verdeckten. Es ist das schlimmste eine Person, die man liebt, leiden zu sehen. Noch schlimmer ist es jedoch nichts für diese Person tun zu können. Man sitzt mit gebundenen Händen und Beinen da.

Was ist das bitte nur für ein Leid?

Unvorstellbar. Obwohl jeder von uns das eines Tages auskosten wird vergessen wir manchmal, dass dieses Leid existierte. Jeder andere könnte an ihrer Stelle sein. Inklusive ich.

»Warum nicht ich?«, schrie sie verzweifelt vor sich hin. »Warum alle drei von ihnen, warum nicht ich?«, Arya schluchzte zwischen den Wörtern, die sie vor sich rausbrachte. Langsam kniete ich mich neben sie und legte einen Arm um ihren Rücken. Langsam setzte Arya sich auf. Ihre Haare klebten an ihrem tränevollen Gesicht. Sanft nahm ich einzeln die Stränen und legte diese hinter ihre Ohren. Ihr Gesicht war komplett rot, zudem lief ihre Nase. Da mein Kleid langarmig war, zog ich meinen linken Ärmel über meinen linken Daumen und wusch ihre Tränen langsam weg und versuchte ihr Gesicht abzutrocknen. Sie hatte aufgehört zu schreien, atmete jedoch unkontrolliert sehr schnell.

»Ich will nach Hause.«, sagte Arya leise. Man hörte, dass ihre Stimme jetzt schon weg war. Es klang sehr ächzend.

»Sofort.«

An ihrer Einfahrt angekommen war sofort zu erkennen, dass das Haus voll mit Besuchern war. Unzählige Autos parkten auf dem Hof und am Straßenrand, sodass ich selbst nicht mal wusste wo ich parken sollte. Verzweifelt versuchte ich schnell mein Auto an einer vernünftigen Stelle abzulassen, entfernte den Gurt von Arya und half ihr beim Aussteigen. Vor der Haustür angekommen, wurde diese unerwartet geöffnet.

***

Arya

Jeder Schritt, den ich vorwärts ging, fühlte sich an, als ob ich rückwärts gehen würde. Ich wollte ins Haus reinlaufen, aber irgendwie auch nicht. Von draußen waren bereits Stimmen zu hören. Die parkenden Autos hier sprachen schon für sich. Es ist nicht üblich, dass es hier gelegentlich voll war. Jeder kam um zu trauern, das konnte man sich sofort daraus schließen. Plötzlich wurde die Haustür geöffnet. Meine sehr geliebte — nichtleibliche Tante — Céline, stand vor mir. Die treue Lebensbegleiterin meiner Mutter. Sie sah sehr fertig aus. Wahrscheinlich hatte sie jedem den Eintritt ins Haus gewährt, da nur sie unsere Ersatzschlüssel besaß. Ihr Anblick machte mich sehr emotional. Ich konnte mein Weinen nicht zurückhalten, weshalb ich sofort anfing laut zu schluchzen. Sofort öffnete sie ihre Arme für mich um mich zu umarmen. Ohne weitere Gedanken nahm ich dies an und drückte sie fest an mich.

»Wir schaffen das.«, flüsterte Céline in mein Ohr. Ich spürte mehrere Küsse von ihr, auf meinem Hals sowie als auf meinem Kopf, »Ich bin immer bei dir.«

Eine gemeinsame SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt