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Es klingelte. So schnell wie lange nicht mehr rannte Leyla nach unten zur Tür, hoffte, dass es Milan war. Umso irritierter war sie, als Rebecca vor ihr stand – und neben ihr Charlotte. Was wollten die beiden denn hier?
„Und?", platzte Rebecca heraus und stierte sie neugierig an, während Charlotte blöd vor sich hin grinste.
„Was Und?", fragte Leyla irritiert.
„Ich hab gehört, du bist mit ihm zusammen", raunte ihre irgendwie-sowas-ähnliches-wie-eine-beste-Freundin Rebecca.
„Hä?"
Wovon zur Hölle redete sie?
„Simons Bruder!", fuhr Charlotte dazwischen.
„Simons Bru...? Ach, du meinst Milan? Woher...? Na ja, egal...Wir sind...", stotterte sie immer noch verwirrt. Sie brach ab, als sie begriff, woher sie das wussten. Hieß Charlottes Freund nicht Simon? Vermutlich war Milans Bruder auch gleichzeitig Charlottes Freund. Verrückt, wie klein die Welt doch war – oder was Charlotte alles für Kippen, Wodka und kostenlosen Taxiservice tat. Eigentlich hatte Leyla widersprechen wollen. Aber sie wollte nicht, dass Simon das herausfand und Milan wieder runtermachte. Also sagte sie: „Ja, wir sind zusammen. Und ich war noch nie so glücklich"
Wie zur Bestätigung strahlte sie – was ihr bei dem Gedanken an Milan nicht allzu schwerfiel. Die Augen ihrer beiden Mitschülerinnen wurden kreisrund.
„Aber...er ist blind!" Die Verachtung in Charlottes Stimme machte sie wütend.
Diese Information schien für Rebecca neu zu sein, denn sie rief überrascht: „Moment, was?" Leyla jedoch beachtete sie nicht, sondern sprach ihre Mitschülerin an: „Na und? Lieber blind als blöd und das scheint Simon ja zu sein"
Sie wusste, dass sie sich kindisch verhielt, aber es war ihr egal.
„Na ja, immerhin kann er sich die Schönen raussuchen und muss nicht aus Verzweiflung die Nächstbeste nehmen, die ihm über den Weg läuft!", zischte Charlotte, wandte sich an Rebecca und sagte: „Komm, gehen wir!"
Rebecca, die immer noch völlig überrumpelt von der Information war, dass Milan blind war, sah zwischen den beiden hin und her, als wüsste sie nicht, zu wem sie halten sollte, was Leyla wiederum überraschte.
„Geh ruhig, Rebecca, alles gut", seufzte sie und schloss, noch während die beiden sich umdrehten, die Tür.
„Oh, hey, Amor", murmelte sie, als sie versehentlich gegen den Schäferhundrüden stieß. In ihr kam der Gedanke auf, dass sie sich bald von den Hunden würde verabschieden müssen. Sie waren mittlerweile drei Monate alt, alt genug, um von der Mutter getrennt zu werden. Aber ihre Mutter und sie hatten entschieden, die Kleinen erst nach Neujahr abzugeben, um zu vermeiden, dass sie als Weihnachtsgeschenke endeten und dann später im Tierheim landen mussten. Allein beim Gedanken daran wurde Leyla schlecht. Amor saß vor ihr und sah sie an, beinahe fragend und kurz darauf leistete Abby ihm Gesellschaft. Die Welpen waren inzwischen alle etwas ruhiger geworden, obwohl Abby und Amor noch wesentlich wuseliger waren als Alpha. Aber Alpha schien ohnehin ganz anders zu sein, was mit ein Grund war, warum Leyla ihn so liebte. Seufzend setzte sie sich auf den Boden und kuschelten mit den beiden Welpen. Amy lag in ihrem Körbchen und Alpha...Alpha saß mal wieder am Gartenzaun, starrte wie verrückt rüber zu den Rattners.
„Alpha!", rief Leyla lockend, „na komm. Milan wird nicht rauskommen, nicht bei dem Wetter!" Der Rüde hatte sofort den Kopf in ihre Richtung gewandt, war sich aber für einen Moment unschlüssig, ob er wirklich seinen Platz, seinen Beobachtungsposten, aufgeben sollte, entschied sich dann aber dafür. Gemütlich trabte er auf Leyla zu und kuschelte sich zu seinen Geschwistern. Eine Weile blieb dieses Bild bestehen – eine 17jährige umringt von drei Hundewelpen.
Als die Tür aufging, zuckte Leyla zusammen, sie war ganz in Gedanken gewesen. Da sie mit dem Rücken zur Tür saß, drehte sie sich um, um ihre Mutter zu begrüßen – und war überrascht, als sie ihre Begleitung erblickte.
„Milan? Was machst du denn hier?", fragte sie erstaunt und merkte erst danach, dass ihre Freude gar nicht herauszuhören war, es klang mehr so, als wollte sie ihn schnell wieder loswerden. „Also, ich meine...Schön, dass du hier bist. Ich bin nur überrascht. Damit hab ich nicht gerechnet"
Jetzt, da war sie, die Freude, der Optimismus, all das, was er sonst von ihr gewohnt war – abgesehen von der Unsicherheit. Vielleicht bildete sie sich das nur ein, aber sie hatte das Gefühl, dass sie ihre Unsicherheit immer öfter ablegen konnte wie einen Mantel. Die Frage war nur, ob das nur dann so war, wenn Milan anwesend war oder sie sich einfach weiterentwickelt hatte, generell sicherer geworden war. Plötzlich fiel ihr auf, dass sie noch immer auf dem Boden saß. Schnell stand sie auf und ging auf Milan zu. Einem inneren Impuls folgend umarmte sie ihn – was Alpha eifersüchtig zu machen schien, denn dieser drängte sich nun zwischen die beiden und begrüßte den Jungen erfreut. Leyla lachte.
„Ach, Alpha, ich will ihn dir doch nicht wegnehmen oder so. Er gehört ganz und gar dir."    

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