Kapitel 15

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Raphael Ragucci

„Ich weiß nicht, ob ich in der Lage bin, das für dich zu empfinden, was du dir wünschst.", sagt sie leise.

„Okay. Das bedeutet nicht, dass du nicht in der Lage bist. Du weißt es einfach nicht.", antworte ich. „Damit komme ich klar." Ich sehe sie an.

Ihre Hand fest um die Kante meines Tresens geschlossen als suche sie Halt. So fest, dass ihre Knöchel weiß hervortreten. Ihr Blick geht an mir vorbei, auf irgendwo hinter mir ins nichts. Sie hat eine Menge gesprochen, eine Menge Dinge erzählt. Monoton, emotionslos. Keine Spur von dieser Ruhe, die sie oft umgibt. Keine Spur von ihrer großen Klappe oder von diesem Funkeln in ihren Augen.

Seit Beginn des Gesprächs sind ihre Augen leer. Nicht mal diese eisige Kälte in ihnen, die vor dem Konzert für einen Moment in ihnen zu sehen war. Rein gar nichts. Ich verstehe nun, was sie vorhin mit dem rabenschwarzen Teil ihrer Seele meinte, allzu deutlich sehe ich ihn vor mir. Ihre Körperhaltung, der leere Blick, ihre Körpersprache.

Was sie mir erzählt hat, wahrscheinlich nur die Spitze des Eisberges. Ihre Vergangenheit sitzt tief, irgendetwas muss sie gesehen haben, irgendetwas, das einen Teil von ihr zerstört hat. Diesen leeren Blick sehe ich nicht zum ersten Mal in meinem Leben. In meiner Kindheit in Fünfhaus war er ein häufiger Begleiter derer, die aus dem Balkankrieg kamen. Traumatisierte Menschen, die Gewalt, Tod, Flucht und Zerstörung erleiden mussten.

Mir wird kalt, innerlich und ich muss schlucken. Bin mir nicht sicher, ob ich es noch genauer wissen will.

Ich sehe, wie sie das Feuerzeug vom Tresen nimmt, sie lässt es klicken und für einen Moment sieht sie in die Flammen, das Feuer reflektiert in ihren Pupillen, ehe sie den Daumen löst und das erhitzte Metall fest mit der Hand umschließt.

„Lass das los, du verbrennst dich!", entfährt es mir und reflexartig greife ich herüber und winde ihr fast mühelos das Feuerzeug aus der Hand. Es ist siedend heiß und ein zischender Laut entweicht mir. Ein Schlag trifft mich, als mir der Gedanke kommt, dass sie das mit Absicht gemacht hat.

Ich sehe sie an, ruckartig hebt Isabelle den Kopf. So fremd, wie sie mir eben noch nahe war. Knapp schüttelt sie den Kopf, als würde sie aus einer Badewanne voller Wasser auftauchen, unsere Blicke treffen sich und erleichtert sehe ich, dass das Leben zurück in ihre Augen getreten ist.

„Raphael, das tut mir Leid. Ich hab alles versaut, ich wusste es.", meint sie dann. „Ich bin nicht nur die Frau, die du gern hast, sorry. Ich habe einen üblen Dachschaden.", meint sie.

„Es ist alles okay. Wenn dieser Teil zu dir gehört ist das so. Und wenn du glaubst, ich hätte noch nie eine psychologische Praxis von innen gesehen täuscht du dich gewaltig. Bei unserem ersten Treffen habe ich dir von den Dämonen erzählt, Isabelle." Ich greife herüber, nehme ihre Hand in die meine und sie erwidert meine Berührung. Sie wäre nicht hier, würde sie mich nicht mögen, ich will nicht ausflippen wegen des einen Satzes eben.

„Du bist aber nicht in deinen zwischenmenschlichen Beziehungen eingeschränkt.", meint sie dann. Sie löst unsere Hände, rauft sich das Haar. „Ich habe mich noch nie in jemanden verliebt, Raphael.", sagt sie dann leise. Ich schlucke. Nein, ich werde ihr keine Szene machen, wozu auch. Ich nehme die Sache, wie ein Mann. Ihr geht es beschissen genug, da brauche ich nicht mit einem Affentheater anzukommen.

„Dann wird's mal Zeit, Cherié. Du kannst dir aussuchen, ob du jetzt gehst und wir das alles vergessen, weil du dir deinen hübschen Kopf zerbrichst. Oder du lässt dich drauf ein, zu schauen, wo das alles hinführt. Mit 'nem kleinen Dachschaden komme ich schon klar, solange der Rest stimmt."

Raben  / RAF Camora / Bonez Mc/ Teil 1&2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt