Kapitel 25

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Kapitel 25


Raphael Ragucci

Manchmal gibt es Momente, in denen man glücklich ist und dann wieder Augenblicke, in denen man sich nicht traut, glücklich zu sein, weil einen plötzlich die Angst vor dem Fall überkommt. Mit klopfendem Herzen schreckt man in der Sekunde auf, in der man feststellt, dass das Leben nicht für immer gerade laufen wird. Wie ein Lenkdrache in der Luft, oben gehalten vom Wind, durch Sturm bekommt er Auftrieb, hält sich am Himmel. Manchmal länger, manchmal kürzer, ehe ihm plötzlich die Luft fehlt und er abstürzt. Oder der Wind wird zu heftig, reißt einem die Schnurr aus der Hand und der Drache verschwindet so schnell, dass man es nicht mehr schafft, ihn zu greife. Meist bekommt man ihn zurück, wenn man schnell genug hinterher rennt und dennoch kann es sein, dass er für immer verloren ist.

Scheiße, ich bin glücklich in diesem Augenblick. Isabelles Worte vorhin im Auto sind mehr als genug für mich. Ich weiß um ihre Gefühle für mich, sie braucht es mir nicht sagen und ich weiß, dass sie es auch so schnell nicht tun wird. Ich sehe es in der Art, wie sie mich ansieht, an ihren kleinen Gesten. Wie sie sich wie zufällig an mich schmiegt, wie sie dann wieder in ihrem ganzen Bewusstsein meine Nähe sucht. Diese Besonderheit darin, wie wir seit unserem ersten, gemeinsamen Moment miteinander agieren, wie es sich anfühlt, als wären wir irgendwie miteinander verbunden. Der Moment vor Wochen, am Esstisch in der Wohngruppe, unser erster Augenblick in dem wir festgestellt haben, die gleichen Motive auf den Armen tätowiert zu haben, unser erster Kuss vor der Konzerthalle, der so natürlich war, als hätten wir es schon tausende Male gemacht. Später im Club, als ich feststellte, dass wir uns zueinander bewegen, als hingen wir durch unsichtbare Fäden zusammen. Irgendwann zu Beginn unseres Kennenlernens habe ich mal über Seelenverwandtschaft nachgedacht- wahrscheinlich fühlt sie sich so oder so ähnlich an.

Die letzte Nacht mit war unglaublich, so berauschend, dass mir die kitschigsten Methapern dazu einfallen. Ich hatte ein paar Frauen in meinem Bett und der Sex mit ihnen war gut, keine Frage und eigentlich habe ich nicht damit gerechnet, dass alles noch einmal mit einem ganz anderen Hochgefühl zu erleben- doch mit Isabelle war es so. Wie unendlich schön sie ist, wenn sie sich fallen lässt und sich hingibt, wie wir miteinander sind, als wären wir füreinander gemacht.

Doch am Großartigsten ist ihre Stärke, ihre Ruhe ihr Humor, ihre freche Klappe, die sie manchmal nicht so ganz unter Kontrolle hat. Diese Lebensfreude, die sie ausstrahlt, wenn sie nicht gerade über die dunklen Zeiten ihres Lebens nachdenkt. Ich fühle mich, als würde ich permanent über irgendetwas lachen, wenn wir zusammen sind, merke selber, wie ich das Grinsen kaum aus meinem Gesicht bekomme, wenn sie mit mir ist. Nicht nur, weil meine Hormone in ihrer Nähe durchdrehen, nicht nur, weil mein Herz schneller schlägt, wenn sie mich ansieht und ich einfach nur verknallt in diese hübsche Frau bin. Sondern weil sie mich ständig zum Lachen bringt, weil sie mich kontern kann, weil sie mit mir auf Augenhöhe ist.

Diese ganzen Facetten faszinieren mich. Das Lebensfrohe, das Düstere. Der Engel in ihr, die starke Frau, die Hure in meinem Bett. Sie kann genauso flach wie tiefgründig sein. Sie ist intelligent und hat gleichzeitig noch immer Blödsinn im Kopf. Ich vertraue ihr, würde ihr ohne Zögern alles in die Hand geben. Mehr und mehr wird mir bewusst, dass sie alles in sich verkörpert, was ich mir je an einer Frau gewünscht habe. Und ich glaube, sie ist nun tatsächlich meine Freundin.

Durch all das reicht es mir tatsächlich, zu wissen, dass sie mehr für mich fühlt. Ich weiß es einfach. Wahrscheinlich das größte Geständnis, dass sie jemals einem Mann gemacht hat, als sie mir sagte, sie würde überall mit ihr hingehen. Es ist zu früh, um zu sagen, dass diese Worte die Welt für mich bedeuten und doch ein Hochgefühl ohne Gleichen, sie an meiner Seite zu wissen.

Raben  / RAF Camora / Bonez Mc/ Teil 1&2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt