Kapitel 34

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Kapitel 34


Raphael Ragucci 



„Du nennst sie auch Chérie? Ein wenig einfallslos oder findest du nicht? Und wie ich sehe bist du unvorsichtig geworden, Raphael."

Mein Hals schnürt sich zu, als ich sie sehe, wie sie in meiner Küche steht, als wäre sie nie weggewesen.

Sie ist groß, auf ihren High Heels mit Sicherheit etwas über einem Meter achtzig, ihre Beine endlos lang. Das kastanienbraune Haar fällt ihr in Wellen über die Schultern, sie hat es ein wenig abgeschnitten und es reicht ihr noch bis knapp über die Brust. Ihre Augen haben einen warmen Braunton, sie hat immer so einen kleinen, honigfarbenden Ring um ihre Pupillen. Sie trägt kein Make up, ansonsten könnte man die wenigen Sommersprossen auf ihrer ein klein wenig zu großen, aber so in ihr Gesicht passenden Nase nicht erkennen, die Haut gebräunt, als wäre sie gerade im Urlaub gewesen oder sie als hätte sie eine paar Stunden im Solarium verbracht. Für sie typisch trägt sie eine leichte, Bluse in rosé, enge Jeans und farblich passende Pumps, eine Designertasche über ihrem Arm, goldee Creolen an ihren Ohren. Stil hatte sie schon immer, das hat sich auch in den letzten sechs Monaten nicht geändert. Sie ist gegangen, ohne ein Wort zu sagen, sie hat alles beendet, ohne mit mir zu sprechen. Ich glaube, das Schlimmste war diese Ungewissheit über das, was ich falsch gemacht habe. Eigentlich habe ich geglaubt, ich würde vor Hass und Wut platzen, sollte ich sie wieder sehen. Doch was ich fühle kann ich nicht beschreiben. Es sollte ein Nichts sein. Aber das ist es nicht.

Maria Brancovic, die Frau, die vor einem halben Jahr mein Her gebrochen hat, steht hier. Unangekündigt, unerwartet und mit einem beschissenen Timing. Ich muss schlucken, ehe ich meine Worte wieder finde, in meiner Brust zieht sich mein zu schnell schlagendes Herz zusammen. Völlig unvorbereitet bin ich auf diese Begegnung.

„Ria.", bringe ich endlich hervor. „Was willst du hier?"

Wie selbstverständlich stellt sie ihre Tasche auf den Tresen, das Selbe, mir so vertraute Bild, wie ich es in den letzten Jahren immer gesehen habe. Sie lächelt dieses Lächeln, mit dem sie mich mehr als einmal um den Verstand gebracht hat und kommt auf mich zu. Ich bin so perplex, dass ich sie nicht mal Beiseite schieben kann, als sie mir einen Kuss auf die Wange drückt und mir ihr noch immer so vertrauter Duft in die Nase steigt. Sie riecht klassisch nach Armani Code und Vanille.

„Du hast mir meine Fragen nicht beantwortet. Scheint nichts Besonderes zu sein mit ihr, wenn du ihr den gleichen Kosenamen gibst, wie mir. Und seit wann öffnest du einfach so deine Haustüre.

„Du kommst einfach in meine Wohnung, du bist nicht an der Reihe damit Fragen zu stellen.", antworte ich und schiebe sie weg von mir. Sie lächelt, hebt kurz die Hände.

„Sorry, dass ich dich so überfalle, Raphael. Ich wollte einfach nur sehen, wie es dir geht."

„Inzwischen wieder gut, wie du siehst. Die Karriere läuft, der Ferrari steht vor der Tür, meine Familie ist gesund, ich bin gesund und in einer neuen Beziehung. Was will ich mehr?"

„Du hast dich nicht verändert.", sie lächelt. „Noch immer die gleichen Werte wie früher.", sagt sie. „Aber nochmal: Es kann doch nichts großes sein, mit deiner Kleinen."

„Du weißt gar nichts, Maria.", antworte ich. „Wie ich sie nenne kann dir egal sein."

„Falsch, Raphael. Ich weiß so einiges.", gibt sie zurück. Sie dreht sich herum, öffnet den Küchenschrank mit den Gläsern, nimmt sich eines heraus, nimmt eine Flasche Wasser und gießt sich etwas zu trinken ein. Selbstverständlich, als würde sie noch immer hier wohnen. „Hier hat sich auch nichts verändert.", stellt sie fest und lächelt. Sie nimmt einen Schluck aus dem Wasserglas.

Raben  / RAF Camora / Bonez Mc/ Teil 1&2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt