Kapitel 38

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Kapitel 38


Raphael Ragucci


„Bruder, gib es zu, Isa hat dich inspiriert zu dem Song."

Sam sitzt neben mir auf einem der Bürostühle vor meinem Mischpult und darf die ersten, fertigen Songs meines Albums hören.

„Wenn man sie kennt ist es offensichtlich." Er grinst breit, fährt sich mit der Hand durch seine Dreadlocks.

„Blödsinn, wie kommst du drauf?", gebe ich zurück und muss ebenfalls grinsen.

„Die Zeile mit Kyle Jenner. Isa hasst Kyle Jenner." Sam lacht laut auf, nimmt sich eine Zigarette aus seiner Schachtel und zündet sie sich an. „Aber das andere mit den Dessous stelle ich mir lieber nicht vor, sie ist meine Erzieherin. Weiß sie davon?" Jetzt schüttelt er sich ein wenig und bringt mich zum Lachen.

„Das sollst du dir auch nicht vorstellen.", antworte ich. „Und nein, ich glaube nicht, ich habe es ihr zumindest nicht gesagt.", gebe ich zu.

„Trotzdem süß. Ich feier das mit euch. Und ich feier es, dass ihr euch wegen Leyla kennengelernt habt. Hätte sie dir nicht im Februar geschrieben, wärst du niemals zu uns ins Haus gekommen. Du hättest Isa nicht kennengelernt, ich würde nicht hier sitzen. Eigentlich müssen wir uns alle bei ihr bedanken, dass sie den Mut hatte.", meint er und klingt jetzt ein wenig weise.

„Aber reite da nicht so drauf rum. Sie ist noch immer deine Erzieherin und damit ist ihr Privatleben für dich eigentlich tabu." Ich bin mir ziemlich sicher, dass Isabelle ihm so etwas gesagt hätte. Auch sie erzählt mir zwischendurch von ihrer Arbeit aber sie erzählt immer nur grob. Anderes darf sie auch gar nicht und da hält sie sich dran.

„Ja, ich weiß. Aber wer weiß, wie lange noch.", meint Sam grinsend.

„Sam. Du solltest immer noch einen Plan B haben, falls das alles hier nicht funktioniert."

„Isa färbt auf dich ab. Sie predigt mir das Gleiche." Er verzieht die Mundwinkel. „Aber ich will das alles nicht halbherzig machen. Und am Ende ist es ein Job, wie jeder andere auch. Was für Maurer werden, das bringt mir nichts für das, was ich machen will. Wenn ich irgendwas mit Musik machen könnte."

„Dann sitzt nicht rum und erzähl drüber sondern mach. Vom Labern ist noch niemand was geworden.", meine ich und wundere mich selbst über den strengen aber fast schon väterlichen Tonfall.

„Ich mache. Ich werde nur keine Ausbildung zum Maurer anfangen. Im August bin ich schon achtzehn, da kann mich das Jugendamt mal."

„Und von was willst du dann deine Wohnung zahlen, deine Fixkosten? Harz vier und der Tag gehört dir, oder was?", will ich wissen und ziehe meine Augenbraue hoch.

„Komm, Bruder, Isa hat dich auf mich angesetzt. Das ist eins zu eins ihr Wortlaut.", meint Sam. Er zieht an seiner Zigarette.

„Hat sie nicht. Das sind die Worte von Leuten, die wissen, wie man es macht.", gebe ich ernst zurück. Direkt angesetzt hat sie mich wirklich nicht auf ihn, aber wir haben vor einer gefühlten Ewigkeit mal darüber gesprochen.

„Als ich nach Deutschland kam, ohne Staatsbürgerschaft und Arbeit musste ich auch sehen, wo ich bleibe. Sei froh, dass du die Ausbildung antreten kannst. Damit hast du ein Dach überm Kopf und verdienst schon mal Geld, bis alles los geht. Erst mache ich meinen Abgang und danach kümmern wir uns intensiv um dich. Das geht nicht von heute auf morgen."

„Scheiß Warterei. Ich würde am liebsten sofort in die Kabine gehen.", meint er seufzend.

„Kannst du auch. Aber wir machen das vernünftig. Die Leute sind heiß auf dich, das nutzen wir strategisch aus. Musikbusiness ist Marketing und Strategie, Sam. Du bist hier, um zu lernen, wie das alles abläuft. Sie es als eine Art Ausbildung.", antworte ich. „Vier Wochen noch, dann nehmen wir die ersten Sachen für dich auf und gucken, wie wir dich weiter ins Gespräch bringen."

Raben  / RAF Camora / Bonez Mc/ Teil 1&2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt