Kapitel 21

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Kapitel 21


Raphael Ragucci

Mein Kopf schmerzt, meine Schultern sind verspannt, die Stelle am Rücken, an der ich vor einigen Jahren meinen Bandscheibenvorfall hatte zieht, ich fühle mich wie verkatert, als ich aufwache. In einem fremden Bett. Es riecht fremd und ich brauche einen Augenblick, um mich zu orientieren. Ein paar Mal hatte ich eine solche Situation schon in meinem Leben.

Dieses Zimmer ist mir völlig unbekannt, ich sehe an mir herunter- zum Glück bin in vollständig angezogen, Jeans, Shirt, Socken, mein Cap liegt auf dem Nachtschrank. Kurz reibe ich mir über die Augen.

Ich sehe auf, ein dunkler Haarschopf auf dem Kopfkissen neben mir und plötzlich schlägt die Erinnerung an den vergangenen Abend ein, wie eine Bombe. Ein blasses, dünnes Mädchen auf dem Fußboden, so viel Blut, tiefe Wunden, Blaulicht, Tränen, leere Augen, blasse Gesichter.

Isabelle mit blutbeschmiertem Pulli, dunkelrot auf weiß, ihre Hände rot, die Farbe läuft über die schwarzen Linien der Tattoos auf ihren Armen. Irgendwie scheint mir das alles so weit entfernt und irreal wie ein abstruser Albtraum. Und doch ist es passiert. Das erste Mal in meinem Leben habe ich einen Suizidversuch miterlebt.

Ich habe Aylin nach Hause gebracht, bin bei ihr geblieben, bis sie irgendwann in den frühen Morgenstunden in den Schlaf gefunden hat. Und scheinbar bin auch ich irgendwann eingeschlafen, neben ihr in ihrem Bett. Kurz überlege ich, sie schlafen zu lassen doch dann entscheide ich mich dagegen. Der Blick auf mein Smartphone verrät, dass es bereits zehn Uhr am Morgen ist. Erst gegen halb vier in der Nacht habe ich Aylin ins Bett gebracht aber ich will erstens nicht einfach durch ihre Wohnung laufen und zweitens sicher gehen, dass sie okay ist, bevor ich gehe.

Eine Whats App von Isabelle blinkt auf, in der Nacht hat sie mir noch geantwortet. „Ja, bin okay.", hat sie nur geschrieben, um vier Uhr in der Nacht. Um sieben Uhr war sie das letzte Mal online, scheinbar hat sie kaum Schlaf bekommen, jetzt will sie noch bis mindestens fünfzehn Uhr arbeiten, ehe jemand kommt, um sie für die Nacht abzulösen, das hat sie gestern noch mit Aylin besprochen, damit die heute Nacht auch noch einmal zu Hause bleiben kann. Für Isabelle bedeutet das über dreißig Stunden Dienst mit einer schlaflosen Nacht dazwischen. Unglaublich, was sie scheinbar alles wegsteckt. Viel Arbeit, wenig Schlaf, belastende Geschichten und Bilder.

Vorsichtig stoße ich Aylin neben mir an, flüstere ihren Namen, ehe sie hoch schreckt und mich verwirrt ansieht.

„Raphael.", entfährt es ihr dann. Sie lässt sich zurück in die Kissen sinken, die Hände über ihrem Gesicht.

„Richtig.", antworte ich. „Sorry, dass ich dich wecke aber ich wollte nicht gehen, ohne zu sehen, ob du okay bist."

„Danke. Ja, mir geht es besser. Das ist alles so surreal.", meint sie leise und ich sehe, wie sie den Kopf schüttelt. „Danke, dass du bei mir geblieben bist."

„Kein Ding. Und ja, mir kommt das vor, als wäre es ein Albtraum gewesen.", gebe ich zurück.

„Ein realer Albtraum.", antwortet Aylin und setzt sich auf. „Wenn du ins Bad möchtest, neben dem Waschbecken ist ein Schrank mit Handtüchern und Zahnbürsten. Bedien dich. Ich mache uns in der Zeit einen Kaffee."

„Danke. Hast du zufällig Schmerztabletten? Ich hab das Gefühl, mein Schädel zerspringt gleich."

„Klar, ich brauche auch eine." Aylin steigt aus dem Bett und in einer anderen Situation hätte ich sie wegen des Anblicks wahrscheinlich wieder zu mir zurück gezogen. Kurze Shorts, weites Shirt, das schwarze Haar fällt ihr in Locken über den Rücken. Sie ist durchaus ansehnlich, der Typ Frau, den ich gern mit nach Hause nehme.

Raben  / RAF Camora / Bonez Mc/ Teil 1&2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt