Kapitel 33

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Kapitel 33


Raphael Ragucci


„Hallo Raf, warum kommst du uns besuchen?"

Stürmisch fällt die kleine Leyla mir um den Hals- beziehungsweise um die Hüfte, weil sie gerade mal halb so groß ist, wie ich es bin. Ich umarme die Kleine aus einem Impuls heraus zurück. Sie strahlt, ihre dunklen Locken umspielen ihr Gesicht, die braunen Augen funkeln. Zu süß das kleine Ding.

„Machst du schon wieder allen die Haustüre auf?", erklingt die Stimme von Aylin, die gerade die Treppe des Wohnhauses herunter kommt. Das schwarze Haar zu einem Dutt gebunden, schwarze Jeans, weißer Hoodie, weiße Sneakers, ein Grinsen auf den Lippen. Unten aus der Küche schallt dieser neue Song von Daddy Yankee zu uns herauf, klingt hier eher wie Disco als wie auf einem Arbeitsplatz und mir gefällt die Atmosphäre.

„Leyla, du sollst uns die Tür aufmachen lassen. Hi, Raphael." Sie lächelt mir zu. „Hi.", gebe ich grinsend zurück. Leyla lässt mir los, sieht hoch zu ihrer Erzieherin.

„Ist doch nur Raf.", meint sie schulterzuckend. „Und ihr habt die Klingel nicht gehört." Nur Raf. Ich muss lachen, wenn mal jeder auf der Welt so denken und mir nicht in den Arsch kriechen würde.

„Ich hab sie schon gehört aber war nicht so schnell.", antwortet Aylin. „Komm rein.", fordert sie und ich gehe ins Haus, schließe die Tür hinter mir.

„Sam ist in seinem Zimmer. Und Isa ist unten in der Küche.", lässt die Schwarzhaarige mich wissen, beim zweiten Satz zwinkert sie mir zu.

„Gehst du Sam besuchen wegen seiner Musik?", fragt Leyla mich und ich nicke. „Ja, ich wollte ihm etwas vorbeibringen. Und mal gucken, wie es bei euch so läuft.", antworte ich ihr.

In einer Mappe trage ich ein paar Seiten Vertrag mit mir herum. Ein Vertrag zu ziemlich guten Konditionen mit meinem Label und meiner Künstleragentur. Akribisch hat Isabelle alles vorher durchgelesen, ehe sie mir überhaupt die Erlaubnis gegeben hat, damit an Sam und ans Jugendamt heran zu treten. Da war sie voll in ihrem Element, scheiße, Verträge lesen und verstehen hat sie definitiv drauf, hat es sogar noch geschafft, fünf Prozent mehr für Sam herauszuschlagen. Aber ich habe sie verstanden, schließlich ist Sam so etwas wie ihr Kind, sie will ihn schützen und sie nimmt ihren Job wirklich ernst. Ganz schön gewieft, wie sie mir und meinem Geschäftspartner Ronny vor zwei Tagen in meinem in meinem Wohnzimmer gegenüber gesessen und für Sam mit uns verhandelt hat.

„Wenn ihr nicht an mir scheitert dann am Jugendamt. Schreibt es gleich richtig."

In ihr steckt durchaus ein kleiner Hustler. Erst seit drei Tagen bin ich zurück in Berlin, zwei Wochen ist es her, dass wir beide in Wien waren, zwei Wochen, in denen wir wieder nur Kontakt übers Telefon hatten. Und scheiße, ich habe sie vermisst. So unendlich, dass ich beschlossen habe, mindestens einen Monat bei ihr in Berlin zu bleiben und Wien Wien sein zu lassen.

Auch in den letzten Tagen haben wir uns kaum gesehen, sie arbeitet zehn bis zwölf Stunden am Tag, Kollegen sind im Urlaub und krank und die Dienste müssen abgedeckt werden. Die letzten Beiden Tage kam sie abends um halb neun zu mir in die Wohnung und fuhr am nächsten Morgen um halb neun wieder zurück zur Arbeit- und ich glaube, dieses Pensum zieht sie schon seit über einer Woche durch. Entsprechend müde ist sie abends, entsprechend fällt sie um spätestens zwölf ins Bett und schläft, wie ein Stein. Aber übermorgen hat sie drei Tage am Stück frei, drei Tage, in denen wir Zeit haben, die letzten Wochen nachzuholen.

Mal sehen, was wir anstellen, der typische Pärchenkram fällt aufgrund meines Berufs flach. Mal eben so ins Kino gehen ist nicht, Schwimmbad kann man mit mir knicken, wenn man nicht tausend Leute am Hals haben will, beim Essen gehen muss ich aufpassen, nicht erwischt zu werden und so lässt sich die Liste fortführen.

Raben  / RAF Camora / Bonez Mc/ Teil 1&2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt