Kapitel 29

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Kapitel 29


Isabelle Sommer


„Was musst du mir sagen?"

Raphael sieht mich ernst an, die Stirn leicht in Falten gelegt, den Kopf auf seinen Unterarm gestützt. Seine Haut schimmert golden im gedimmten Licht, seine Augen sind dunkel, in ihnen reflektiert das Licht, das dunkle Haar ist wieder ein wenig länger geworden. Wenn ich könnte, würde ich ihm verbieten, Caps zu tragen, er gefällt mir nochmal besser, wenn ihm die Strähnen ein wenig ins Gesicht fallen. Er sieht gar nicht mehr so sehr aus, wie Raf Camora, wenn er das Cap absetzt.

„Isabelle.", reißt er mich aus den Gedanken. „Was ist los? Hast du heute Nachmittag doch gelogen?", Er verengt die Augen ein wenig, ich drehe mich auf den Rücken, seufze, fahre mir mit den Händen durchs Haar.

„Blödsinn.", sage ich. „Also zum Thema Verhütung: Du weißt, dass ich sehr auf meinen Körper achte, vom Rauchen mal abgesehen. Früher, als ich im Club und im Escort gearbeitet habe, habe ich die Pille genommen aber in den letzten Jahren brauchte ich sie nicht mehr. Seit ein paar Jahre tracke ich meinen Zyklus, morgens meine Körpertemperatur und andere Körpersymptome und ich weiß darum genau, wann die fruchtbaren Tage sind. Die waren am letzten Wochenende, da haben wir verhütet und jetzt kann ich nicht mehr schwanger werden in diesem Zyklus.", beginne ich meine Biostunde für Raphael Ragucci.

„Und dem vertraust du?", will er wissen und ich nicke. „Ja."

„Warum nehmen die Weiber dann alle so ein Zeug, wenn es so einfach ist?"

„Frag die Weiber.", gebe ich zurück und er muss grinsen, streckt seine Hand aus, nimmt eine meiner Haarsträhnen, spielt daran herum.

„Das ist aber nicht das, was dir auf der Seele liegt.", meint er dann, jetzt ein wenig sanfter. Seine Stimme so tief und ruhig, dass sie mir einen wohligen Schauer über den Rücken jagt. Ich nehme seine Hand, verschränke sie mit der meinen, mit der anderen Hand fahre ich leicht die dunklen Federn, die auf seinem Handrücken tätowiert, sind nach. Ich schüttle den Kopf.

„Wie unbedingt willst du Kinder?", frage ich direkt. „Ich weiß, es ist viel zu früh für sowas aber ich glaube wir müssen darüber reden." Ich beiße mir auf die Unterlippe, lass seine Hand los. Unsere Blicke treffen sich, er versteht nur Bahnhof, wie er gerade schaut.

„Warum? Hast du irgendwo eines, von dem ich nichts weiß?", will er wissen.

„Oh Raphael.", meine ich. Ich beuge mich herüber, küsse kurz aber fest seine Lippen, streiche mit der Hand durch sein weiches Haar. Ich kann spüre, wie seine Anspannung unter meiner Berührung beinahe schlagartig nachlässt. Wahnsinn, welche Wirkung nicht nur er auf mich hat. Sondern auch ich auf ihn. Wenn ich es will, wird auch er Wachs unter meinen Händen. Seine Hand auf meiner Seite, wie von selbst schiebt er sie unter mein Shirt.

„Ragucci, ich hab dich etwas gefragt.", wispere in, kann mir das leise Lachen nicht verkneifen.

„Du hast angefangen.", gibt er zurück. Noch ein Kuss, ehe er sich zurückzieht.

„Ich habe übrigens nicht ein Kind.", sage ich noch. „Ich habe zehn." Er lacht, er weiß, dass ich die Kinder von meiner Arbeit meine. Dann wird er wieder ernst.

„Ich möchte unbedingt Kinder.", sagt er dann. „Mindestens zwei." Er sieht ernst aus, und ja, ich hätte es mir denken können. Ich seufze, sehe weg.

„Du willst keine.", stellt er dann fest. Ich erwarte, dass er ein Stück von mir abrückt, doch er zieht mich in seine Arme.

„Es war nie eine Option für mich, über Kinder nachzudenken. Ich habe immer geglaubt, ich könne mich nicht verlieben, bis du kamst. Du bist der erste Mann, auf den ich mich eingelassen habe, ich habe keine Ahnung, ob ich welche will.", antworte ich leise, schmiege mich an ihn. „Aber ich habe für meine Lebensplanung eigentlich keine geplant. Ich könnte nicht mal mehr in meinem Beruf arbeiten, mit der Schichtarbeit, den Wochenenddiensten und Nachtschichten und ich möchte das nicht aufgeben. Und dann habe ich keine Freiheit mehr, und die Freiheit ist mir das Wichtigste. Mein Leben leben, wann und wie ich es möchte. Weggehen können, wann ich es will, schlafen können, wenn ich es will. Reisen, wohin ich will. Ich habe noch gar nichts von der Welt gesehen.", gestehe ich. „Und meine Arbeit im Kinderdorf ist das Einzige, was ich wirklich kann. Es ist vielleicht verständlicher, wenn ich es mit dem Vergleiche, was du mit deiner Musik hast. Ich wollte nie etwas anderes machen, als in der Jugendhilfe zu arbeiten."

Raben  / RAF Camora / Bonez Mc/ Teil 1&2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt