Kapitel 36

3K 88 51
                                    


Kapitel 36


Raphael Ragucci


Isabelle raucht die zweite Zigarette in Folge, während sie darauf wartet, dass ich endlich meinen Mund aufmache. Diese Geduld, die sie gerade hat, niemals hätte ich sie selbst. Sie hätten ausrasten können, herumschreien, aus dem Haus laufen. Sie hätte alles recht, mich zur Sau zu machen, mir meine Schwäche vorzuhalten und doch tut sie es nicht.

Ich kann es nicht fassen, sie an meiner Seite zu haben. So stark, so ruhig, so selbstbewusst. So bestimmt und in Augenblicken an meiner Seite, in denen andere längst gegangen wären. Niemals werde ich das als selbstverständlich ansehen dürfen.

Noch nie zuvor war ich der schwächere Part in einer Beziehung und es ist nicht leicht, sich diese Rolle einzugestehen.

„Raphael.", durchbricht sie die Stille dann sanft, mit dieser so entwaffnenden Stimme. „Lass uns darüber reden." Sie drückt ihre Zigarette in dem Aschenbecher aus, der auf dem kleinen Gartentisch steht, kommt auf mich zu und nimmt meine Hände in die ihren. Ich löse sie jedoch wieder, nehme ihr Gesicht in meine Hände, sanft lege ich meine Finger auf ihre Wangen und küsse sie. Fest, intensiv, besitzergreifend und als wäre dieser Kuss die Welt.

„Scheiße, ich liebe dich, Isabelle.", fasse ich das Einzige in Worte, was ich gerade fühle. „Ich liebe dich für alles, was du bist- und für das, was du für mich bist." Erneut küsse ich sie, spüre, wie sie fest in den Stoff meines Pullis greift, sich mir entgegen lehnt. Mein Herz schlägt schneller bei diesen Worten, denn sie sind etwas besonders. Für mich zumindest.

„Oh, Raphael.", sagt sie leise. Ich lege meine Stirn an ihre, sehe sie an und endlich kann ich lächeln. In ihren Augen schimmert es verdächtig. Dann schlingt sie ihre Arme um meinen Nacken und verbirgt ihr Gesicht in meiner Halsbeuge.

„Du weißt, dass es mir auch so geht.", murmelt sie kaum verständlich. Ich muss grinsen, eine direkte Erwiderung habe ich definitiv nicht erwartet.

„Du liebst dich?", ärgere ich sie. „Hab ich mir gedacht, bei deinem Selbstbewusstsein, Chérie." Sie boxt mir leicht in die Seite.

„Wenn du glaubst, du könnest mir so entlocken, dass ich es sage dann muss ich dich enttäuschen, Idiot." Sie schmiegt sich noch einmal an mich, ich verberge mein Gesicht in ihrem so unglaublich weichen Haar.

„Ich liebe dich, wirklich, du wunderschöne, starke Frau.", murmel ich und fühle mich erleichtert, es ihr endlich gesagt zu haben. Irgendwann wäre ich sonst geplatzt und es fühlt sich einfach nur gut an. So viel besser, es ihr gesagt zu haben, bevor wir über alles andere sprechen.

„Raphael.", sagt sie dann. „Lass uns reingehen und über Ria reden." Ich verziehe die Mundwinkel, dann nicke ich und wir gehen zurück in meine Küche. Es sieht aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen, die angebrannte Soße auf dem Herd, das dreckige Geschirr, die aufgerissenen Lebensmittelpackungen aber das ist jetzt nicht wichtig. Ich habe gerade keinen Hunger und auch Isabelle wird gerade andere Dinge als ein Abendessen im Kopf haben.

„Warum hast du es nicht geschafft, sie rauszuschmeißen?", will sie wissen, als wir am Tresen sitzen und ich atme durch. „Liebst du sie noch immer?"

„Nein.", sage ich entschieden und es entspricht der Wahrheit. „Ich liebe sie nicht mehr. Ich würde lügen, wenn ich sage, dass sie mir egal ist. Aber um sie zu lieben hat sie mir zu viel angetan. Ich war nicht vorbereitet auf diesen Auftritt und sie hat mich eiskalt erwischt, ich wusste nicht mehr, wo mir der Kopf stand." Isabelle nickt und lächelt.

Raben  / RAF Camora / Bonez Mc/ Teil 1&2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt