Kapitel 9

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Kapitel 9

John Lorenz Moser

„John!"

Marten taucht auf, packt mich am Arm und dreht mich zu sich herum, ich sehe wie auch Gazo, Maxwell und Alex auf uns zu gerannt kommen.

„Tyga hatte einen Unfall, ich muss ins Krankenhaus. Kannst du mich fahren?", bricht es aus mir heraus.

„Niemand kann mehr fahren.", antwortet mein Cousin. „Atme mal durch, wir nehmen ein Taxi."

Gazo läuft fast in Maxwell hinein, als der plötzlich stehen bleibt. „Und?", fragt er, beugt sich nach vorn, stützt seine Arme auf die Knie und atmet einmal durch.

„Sie ist im Krankenhaus, Cora hat mich angerufen. Scheiße! Ich dreh ab! Was ist, wenn sie sich den Kopf angehauen hat? Hirnblutungen, Schädelbasisbruch? Leute, Krankenhaus! Was ist, wenn sie stirbt?"

„So schlimm? Was ist passiert? Digga, sie stirbt nicht, so'n Scheiß.", kommt von Alex. „Hier, zieh dran, komm runter."

„Ich habe keine Ahnung!" Ich nehme ihm den Jib ab, den er mir hinhält, ziehe, einmal, zweimal. Dann beginne ich, kopflos den Bürgersteig auf und ab zu laufen. „Ich muss sofort dahin! Wer fährt mich? Fuck, und alles ist meine Schuld! Vielleicht hab ich sie umgebracht!"

„Ich fahre!", kommt augenblicklich von Gazo. „Ich bin auch Vater, ich verstehe das. Der Wagen steht da hinten." Er deutet mit dem Daumen über seine Schulter, wo unser auberginenfarbener Mercedes steht und nicke ihm dankbar zu,

„Du bist drauf und hast keinen Führerschein.", fährt Marten dazwischen. „Wir nehmen ein Taxi!"

„Scheiß mal auf Führerschein, den kann mir eh keiner mehr wegnehmen. Tyga ist im Krankenhaus! Wir haben keine Zeit für Taxi, sie braucht ihren Vater!", gibt Gazo zurück. „Besser, ich fahre als Bonez, wenn er Panik hat, dann haben wir am Ende alle noch einen Unfall."

„Sehe ich auch so...", sagt Maxwell.

„Nein. Taxi. Kommt!", bestimmt Marten, wendet sich ab. Scheinbar der Einzige, dessen Gehirn nicht ausgesetzt hat. Er geht in Richtung Taxistand, wie mechanisch laufe ich ihm hinterher, die anderen drei auf den Fersen. Natürlich kommen sie mit, sie sind sowas wie Tygas Onkel. Keine Frage, dass sie für mein Baby da sein wollen. Selbst zu ihrer Einschulung sind sie gekommen.

Wir quetschen uns in ein Großraumtaxi, mein Herz rast, Adrenalin schießt durch meinen Körper und macht mich schwindeliger, als jede Droge. Cora hat mir erst auf mehrere Nachfragen gesagt, in welchem Krankenhaus Tyga ist- die Kinderklinik in Altona.

Der Fahrer fährt los, quer durch Hamburg, bis wir an der Klinik ankommen und Gazo ihm ein paar Scheine reicht, ehe wir aus dem Auto steigen und in einem Tempo zur Eingangstür marschieren, als wäre Sonstwer hinter uns her.

Was wir für ein Bild abgeben- fünf Männer, die nach Suff und Gras stinken, teilweise in Jogginghosen, zum Teil von oben bis unten tätowiert. Einer von ihnen mit blauem Auge, einer von ihnen mit blutverschmiertem Zinken im Gesicht. Die Frau am Empfang rückt ein Stück nach hinten, als sie uns kommen sieht.

„Ich suche meine Tochter! Tyga Moser. Sie ist eingeliefert worden." Ich schiebe mich an Marten vorbei, klatsche schwungvoll meine Hände auf den Empfangstresen, beuge mich ein wenig darüber und mustere die etwas in die Jahre gekommene Dame. Kurzhaarfrisur in gefärbtem blond, hellroter Lippenstift, schwarze Hornbrille.

„Und Sie sind?"

„Er ist der Vater, haben Sie doch gehört!" Gazo kommt näher, flankiert mich von rechts, Marten von links und Alex und Maxwell stehen versetzt hinter mir. Wäre ich nüchtern, wäre ich bei Sinnen würde mir wahrscheinlich auffallen, was für ein lächerliches Bild wir abgeben. Besoffen, stoned, blutend und als Gang im Kinderkrankenhaus auftauchen.

Raben  / RAF Camora / Bonez Mc/ Teil 1&2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt