Kapitel 7

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Kapitel 7

John Lorenz Moser

Ich bin zu Fuß in Bezirk Altona unterwegs, mein Cap tief ins Gesicht gezogen, den Fellkragen meiner blauen Alphajacke aufgestellt. Erstens gegen die Kälte, denn das norddeutsche Scheißwetter zeigt sich heute von seiner besten Seite und zweitens zur Tarnung. Ich möchte Tyga abholen, habe keine Lust, dabei von irgendwelchen Leuten angesprochen zu werden. Heute ist einer meiner Umgangstage mit ihr. Ich habe vor mit ihr in die Stadt zum Shoppen zu fahren. Cora hat gesagt, dass sie schon wieder aus ihren Hosen herausgewachsen ist- es ist unfassbar, wie schnell sie groß wird, gefühlt braucht sie alle zwei Wochen einen neu gefüllten Kleiderschrank. Danach dachte ich, darf sie sich aussuchen, wo wir etwas essen gehen- ich schätze ihre Wahl wird auf ihren Lieblingsburgerladen fallen und wenn Tyga Lust hat, gehe ich mit ihr danach noch ins Kino. Es läuft ein neuer Animationsfilm, den sie sehen möchte.

Ich halte meinen Plan für gut. Cora wird vom Burgeressen zwar nicht begeistert sein aber Tyga wird bei ihr den Rest der Woche mehr als gesund ernährt, da darf sie auch mal Fast Food bekommen, wenn sie bei mir ist. Könnte ich kochen würde ich das wahrscheinlich für Tyga auch machen. Aber bei meinem Geschick in der Küche fackeln wir diese wahrscheinlich eher ab.

Noch bevor ich an dem Haus ankomme, in dem Cora und Tyga die Wohnung haben, die ich ihnen vor ein paar Jahren gekauft habe, klingelt mein Smartphone. Es ist Raf, wie mir ein Blick auf das Display verrät, also gehe ich zügig ran.

„Was gibt's?", frage ich ihn ohne Begrüßung und bin nicht vorbereitet auf das Donnerwetter, welches vom anderen Ende der Leitung auf mich einprasselt. Raf ist in Wien, schreibt in der Suite eines Luxushotels gerade an den Texten für sein neues- und letztes – Album Zenit und ich brauche einen Moment um zu kapieren, was ihn so aufbringt.

„Du hattest Recht!", regt er sich auf. Ich lache auf, kicke mit dem Fuß hinter eine leere Flasche Astra, die auf dem Bürgersteig vor mir liegt. Klirrend rollt sie über die Betonplatten den Bordstein hinab und bleibt unter einem parkenden Auto liegen. Was solls. Bin nicht die Müllabfuhr.

„Das ist nichts Neues.", antworte ich Raf locker, biege nach links ab und bleibe vor dem modernen Mehrfamilienhaus stehen, in dem die Beiden leben .

„Hör auf mit dem Scheiß.", knurrt Raf und mir wird bewusst, dass gerade alles andere als gut Kirschen essen mit ihm ist. Er ist ein höflicher, kontrollierter Mann – zumindest in den allermeisten Fällen. Ab und zu entgleist auch er und wenn, dann ist es nicht meine Lieblingsbeschäftigung, in seiner Nähe zu sein. Man traut es ihm nicht zu aber er kann in die Luft gehen, wie 'ne Bombe, wenn ihn etwas nur gut genug triggert. Und an diesem Tonfall ist er schon ziemlich nahe dran.

Ich ziehe meinen Zweitschlüssel für die Wohnung aus der Tasche, den ich nur wegen Tyga habe.

„Mit was hatte ich Recht?", frage ich, warte noch einen Moment, bevor ich die Haustür aufschließe. Ich schiebe den Schlüssel ins Schloss, drücke die Tür leicht auf aber bleibe noch kurz draußen stehen.

„Sie war eine verdammte Nutte!", wettert er und ich bin drauf und dran, das Smartphone ein Stück von meinem Ohr wegzuhalten. Keinen Bock drauf, mir von ihm das Trommelfell zerschmettern zu lassen, ehrlich nicht. Brauche ich schließlich noch zum Arbeiten.

„Wer?", frage ich. Meine Nacht war kurz, der Stoff zu viel und ich bin nicht ganz auf der Höhe. Es rattert in meinem Kopf aber bevor mir einfällt, was er meinen könnte, sagt Raf es auch schon.

„Isabelle. Sie war 'ne Nutte!", wiederholt er.

„Oh!", mache ich, weil mir nichts Besseres einfällt. Ich lasse die Haustür wieder zufallen, lehne mich mit dem Rücken an die frisch sanierte, weiße Hauswand hinter mir. Erst Raf runter fahren und dann Tyga abholen also. „Und wo ist das Problem?", will ich wissen. „Ist doch scheiß egal, was sie mal war."

Raben  / RAF Camora / Bonez Mc/ Teil 1&2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt