Kapitel 5
John Lorenz Moser
Einige Hundert Meter die Straße herunter wirft Aylin einen Blick über ihre Schulter, ehe sie mich nach links in eine Seitengasse schiebt.
„Hier lang. Hier kommen sie mit den Autos nicht durch.", sagt sie. Das Klappern ihrer Absätze hallt von den Häuserwänden um uns herum zurück. Obwohl sie getrunken hat, obwohl wir über Kopfsteinpflaster laufen und ihre High Heels mörderisch hoch sind, bewegt sie sich noch halbwegs elegant. Sie verringert ihr Tempo, fährt sich mit der Hand durch ihre pechschwarze Lockenmähne.
„Wer? Vor wem hauen wir gerade ab?" Ich grinse, schaue auf sie herunter. „Wer war der Typ? Und eigentlich wollte ich noch weiter feiern."
„Vor meinen Brüdern. Jibril und Deniz, wahrscheinlich mit ein paar anderen Jungs. Der Typ war Karim, mein Cousin. Und er hätte dich sowieso nicht mehr rein gelassen, das Feiern kannst du vergessen." Sie wirft mir einen kecken Blick zu, zwinkert einmal. Hat sie mir meinen Kommentar vorhin doch nicht so übel genommen?
„Ich bin Bonez MC. Ich komme überall rein!", behaupte ich, während ich ihr weiter folge. „Wohin gehen wir?", will ich wissen.
„Karim ist egal, ob du Bonez MC oder Mutter Theresa bist.", sagt sie. „Und wir gehen dorthin, wo sie mich nicht einsammeln können." Aylin atmet einmal durch.
Ich habe keinen Plan, woher Aylin oder, woher ihre Familie stammt. Doch bekomme ich den Hauch einer Idee, was das Problem sein könnte.
„Machen deine Brüder Ärger?", will ich wissen und erneut seufzt sie. „Eigentlich nicht. Eigentlich sind wir westlich genug aufgewachsen, damit sie wissen, dass ich tun und lassen kann, was ich will. Karim ist der Älteste und er möchte gern der Strengste mit mir sein. Zeitweise geht die Mentalität mit ihnen durch."
„Naja. Ich hätte dich auch nicht allein nach Hause gehen lassen." War ich eben noch hinter ihr, habe ich jetzt zu ihr aufgeschlossen. Sie geht neben mir, biegt nach rechts ab, wir laufen an einem riesigen Glasgebäude vorbei. Ich habe keine Ahnung, wo wir sind, bin schließlich nicht aus Berlin. Aber sie scheint genau zu wissen, wohin wir gehen müssen.
„Ach, denkst du, ich kann mich nicht wehren?" Sie lacht auf. Ihr Lachen klingt schön. Nicht zu hell, nicht zu dunkel. Genau richtig. Angenehm, weiblich.
„Du bist ein Mädchen.", stelle ich halb dümmlich fest.
Wann nochmal habe ich angefangen, mich vor einer Frau wie ein Trottel zu benehmen? Scheinbar jetzt. Glückwunsch Bonez. Du bist ein Mädchen. Eine Hymne an die Emanzipation.
„Was für eine Feststellung.", sagt sie gespielt überrascht. „Glaub mir, das macht nichts."
Wir biegen um die Ecke und finden uns plötzlich an der Spree wieder. Dunkel fließt das Wasser vor uns seiner Wege, ab und zu beleuchtet von den Laternen die am Ufer stehen. Kaum noch Menschen sind unterwegs, ich habe meine Jacke im Club liegen lassen und entsprechend friere ich mir den Arsch ab.
Okay Bonez. Durchatmen und zur normalen Form zurückfinden. Kurz bin ich stehen geblieben, habe ihr hinterher gesehen, als sie davon unbeirrt weiter lief. Dann lege ich einen Zahn zu und hole wieder auf.
„Aylin?"
„Bitte?"
„Ich will mich bei dir entschuldigen. Für den Spruch vorhin im Club. Die meisten Weiber gehen drauf ab und ich bin es gewohnt.", versuche ich, mich zu erklären. Hatte ich nicht schon festgestellt, dass sie nicht so Eine ist? Blöd, wenn man dann seinen Mund nicht unter Kontrolle hat.
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Raben / RAF Camora / Bonez Mc/ Teil 1&2
FanfictionTeil 2 Manchmal im Leben treffen Menschen aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein können. Deren Werte und Normen völlig verschieden sind. Und trotzdem lohnt es sich, auch mal unter die Oberfläche zu schauen. Aylin trifft Bonez MC. Und verlie...