Hermine
Den Rest des Samstags hatte ich damit verbracht mich mit den Büchern in eine andere Welt zu flüchten. Am Abend ging es mir etwas besser oder eher gesagt, weniger instabil, aber ich fühlte mich trotzdem noch nicht bereit dazu anderen Menschen gegenüber zu treten. Also zog ich mich schließlich in den Mädchenschlafsaal der Gryffindors zurück, um etwas Ruhe zu haben. Irgendwann kam Ginny herein und als sie mich sah, wechselte ihr Gesichtsausdruck von fröhlich zu besorgt.
"Hey, alles in Ordnung? Was ist passiert?"
"Hey... naja, es geht, könnte wohl schlimmer sein."
antwortete ich zu meiner eigenen Überraschung. Und tatsächlich fühlte ich mich zwar traurig und mitgenommen, aber gleichzeitig auch seltsam gefestigt.
"Und was hat er gesagt? Hast du ihm verziehen? Wie sieht die Situation aus?"
fragte sie neugierig. Ich erzählte ihr knapp, was Draco gesagt hatte und fuhr dann fort
"Ich habe gesagt, dass ich ihn verstehe und... und das ich ihn liebe..."
flüsterte ich schon fast.
"Und...?"
"Und das ich... ich das alles einfach nicht kann...
Dann bin ich gegangen."
Jetzt hatten die Tränen doch wieder ihren Weg in meine Augen gefunden, flossen jedoch nur still meine Wangen hinunter.
"Oh... hey... das wird schon wieder..."
versuchte Ginny mich ein wenig zu trösten und nahm mich in den Arm.
"Es... es ist einfach zu viel... Der...der Schmerz ist zu groß. Ich kann... ich kann das einfach nicht. Ich kann ihm das nicht so einfach verzeihen..."
schluchzte ich jetzt.
"Würdest du ihm denn gerne verzeihen?"
"Ich... ich weiß es nicht... Ich... ich liebe ihn... Ich... Ja..."
"Hmmm... Und dann? Willst du wieder mit ihm zusammen sein?"
"Ich weiß es doch auch nicht Gin...
Es tut einfach alles so weh... Ich... Ich keine Ahnung... Aber es würde nicht so weh tun, wenn ich ihn nicht wirklich lieben würde, oder? Aber ich weiß nicht ob ich das kann..."
schluchzte ich weiter.
"Hey... Gib dir Zeit. Die Zeit heilt viele Wunden und vielleicht kommt irgendwann der Tag, an dem du es wieder kannst. Er hat dich tief verletzt, wenn auch nicht wirklich absichtlich, es wäre seltsam, wenn du ihm sofort komplett verzeihen könntest, hm? Und jetzt versuch etwas zu schlafen, vielleicht sieht die Welt morgen schon wieder anders aus."
Sagte Ginny weise, löste die Umarmung und deckte mich zu.
"Danke Ginny."
flüsterte ich und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht, jetzt spürte ich auch, wie müde ich war. All diese Gefühle hatten meinen Körper wirklich ausgelaugt.
"Hey Gin?"
sagte ich noch, da mir noch etwas eingefallen war.
"Seit wann ist dein Bruder so weise?"
"Was meinst du?"
fragte sie etwas verwirrt.
"Ich habe ihn heute getroffen, nachdem ich bei Draco war. Er hat gesagt, dass ich Draco eine Chance geben soll, wenn er wirklich derjenige ist, der mich glücklich macht."
"Wow, das war bestimmt schwer für ihn. Aber er hat schließlich trotzdem noch ein gutes Herz, er liebt dich wirklich, dich gehen zu lassen ist eine große Geste."
Sagte sie beeindruckt. Ich nickte bloß noch, denn plötzlich konnte ich die Augen kaum noch offen halten. Das schien auch Ginny bemerkt zu haben, denn ich hörte sie noch
"Gute Nacht Mine."
murmeln, bevor ich ins Land der Träume abdriftete.Am nächsten Morgen fühlte ich mich erstaunlich gut für die Umstände. Zum ersten Mal seit langem fühlte ich mich halbwegs ausgeschlafen und hungrig. Zusammen mit Ginny ging ich zum Frühstück, wo auch schon Draco war. Für einen Moment rutschte mir das Herz in die Hose und ich verspürte den starken Drang einfach wieder zu gehen, jedoch versuchte ich es einfach zu ignorieren und konzentrierte mich stattdessen auf das himmlische Frühstücksbuffet, das es in Hogwarts immer gab. Draco versuchte zwar immer wieder mir Blicke zu zuwerfen, diese ignorierte ich jedoch hartnäckig, wobei mir trotzdem nicht entging, wie gut ihm ein gelegentliches Lächeln stand. Irgendwann verschwand er schließlich, doch Ginny und ich blieben noch sitzen und unterhielten uns ausgiebig. So ein langes und ausgedehntes Frühstück hatte ich schon lange nicht mehr, doch es tat gut dort zu sitzen, Tee zu trinken und mir den neusten Klatsch und Tratsch anzuhören, den ich aufgrund meiner eigenen Probleme in letzter Zeit nicht mitbekommen hatte. Irgendwann kamen auch Ron und Harry, die beide ein wenig verschlafen aussahen. Harrys Haare standen mal wieder in alle Richtungen ab und Ron wischte sich verschlafen etwas Schlaf aus den Augen.
"Morgen, wie seht ihr den aus?"
fragte Ginny amüsiert, nachdem sie Harry mit einem kurzen Kuss begrüßt hatte.
"Haben gestern zu lange Schach gespielt."
Murmelte Ron und fing an seinen Teller mit Würstchen zu beladen.
"Hey, nachher ist Quidditch Training, nachdem wir letztes Mal verloren haben, habe ich beschlossen jetzt auch das Wochenende zu nutzen. Hast du vielleicht Lust zu kommen?"
fragte Harry. Ginny sah mich fragend an, doch ich nickte.
"Ja klar warum nicht?"
Momentan war mir eigentlich jede Art von Ablenkung recht, selbst ein Quidditch Training.
"Super, hey, seht mal, da kommen Luna und Neville."
Sagte Ginny.
"Morgen Leute."
sagte Neville.
"Hey, habt ihr vielleicht auch Lust nachher bei Quidditch Training zu zusehen?"
fragte Ginny, die es offenbar für keine gute Idee hielt, mich alleine in der Kälte auf einer der Tribünen sitzen zu lassen.
"Ja, warum nicht."
Sagte Luna fröhlich und somit war die Sache beschlossen.
Den Rest des Tages verbrachte ich also mit Luna und Neville auf der Tribüne und auch wenn Quidditch mich doch sehr an Draco erinnerte, tat es mir dennoch gut draußen zu sein und hin und wieder mal an etwas anderes, als ihn zu denken. Als Ginny fast von einem Klatscher getroffen worden war,
kommentiere Neville
"Uuuh, das war knapp."
woraufhin Luna, in ihrer oft etwas verträumten und schwammigen Art, etwas antwortete, was mir seit dem nicht mehr aus dem Kopf gegangen war.
"Ja, aber manchmal ist es auch gut getroffen zu werden. Es macht einen achtsamer und man kann gestärkt daraus hervor gehen."
Das verwirrte Neville ein wenig, denn er antwortete
"Du meinst es wäre besser gewesen, wenn der Klatscher Ginny den Arm gebrochen hätte? Aber dann hätten wir doch diese Saison vergessen können."
Daraufhin hatte ich nicht mehr zugehört, denn meine Gedanken waren schon wieder zu Draco gewandert.
...gestärkt daraus hervorgehen...
Und mit einem kleinen Hoffnungsschimmer dachte ich, dass es am Ende vielleicht alles einen Sinn haben könnte. Doch dann tat ich auch diesen Gedanken ab, er ging mir zu sehr in Richtung Wahrsagerei. Das große Ganze, Prophezeiungen... meiner Meinung nach alles Blödsinn, obwohl... die Prophezeiung über Harry und Voldemort hatte schließlich auch gestimmt...Nach dem Quidditch Training saßen wir alle zusammen in der großen Halle beim Abendessen. Alle unterhielten sich gut und die Stimmung war ausgezeichnet, sodass sie bei mir sogar zum ersten Lächeln seit Tagen führte. Als es schließlich spät wurde und alle in Richtung Gemeinschaftsraum aufbrachen, hatte ich den Entschluss gefasst, diese Nacht wieder in meinem eigenen Bett zu schlafen. Als ich diese Entscheidung Ginny mitteilte, fragte sie besorgt
"Meinst du wirklich? Du kannst gerne noch weiter bei mir schlafen, das ist kein Problem."
Doch ich versicherte ihr, dass das schon in Ordnung sei und machte mich dann mit einem etwas mulmigen Gefühl im Bauch auf den Weg zum Turm der Vertrauensschüler.
Vor dem Portrait angekommen, holte ich tief Luft und murmelte das Passwort. Ob Draco wohl da war?Ja, er war tatsächlich da, aber wo hätte er auch sonst sein sollen? Und trotzdem, als ich ihn sah, erstarrte ich für einen Moment. Er hatte mein Eintreten bemerkt und er sah glücklich aus, mich wieder zu sehen, leise begrüßte er mich mit
"Hallo."
als hätte er Angst, dass ich wieder gehen würde, wenn er zu viel oder zu laut sprach. Und obwohl er nur ein Wort gesagt hatte, registrierte ich mal wieder, wie gut seine tiefe Stimme klang, jedoch versetzte es mir gleichzeitig auch einen Stich, was dazu führte, dass ich mich wieder in Bewegung setzte und in meinem Zimmer verschwand. Nicht jedoch, ohne ihm vorher noch ein
"Hey."
zuzumurneln.
In meinem Zimmer schlug ich schnell die Tür hinter mir zu und ließ mich dagegen sinken. Ich atmete tief durch und überlegte, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, wieder hier zu schlafen. Wenigstens hatten wir hier nie...
Nein, weg damit, jetzt bloß nicht daran denken!
Da ich sehr müde war, der Tag an der frischen Luft war doch sehr anstrengenden gewesen, begann ich mich zum Schlafen fertig zu machen. Als ich dann jedoch endlich schlafen wollte, fiel mein Blick auf etwas silbrig glänzendes in einer ein wenig offen stehenden Schublade. Verwundert holte ich es raus und erkannte sofort, was es war.
Es war die Kette, die er mir geschenkt hatte, als wir zum ersten Mal "Ich liebe dich" gesagt hatten.
Der Abend war so unglaublich schön gewesen...
Und bei all diesen schönen Erinnerungen, fing ich wieder an zu weinen. Warum? Warum war das alles bloß so schrecklich geendet? Es hatte doch so schön begonnen. Es hätte alles so schön sein können, ich hätte glücklich sein können, aber stattdessen saß ich hier und weinte dem Vergangenen nach. Und plötzlich war eine wunderschöne Erinnerung zu einer unendlich traurigen geworden.
Mit feuchten Fingern strich ich über die Rückseite des Anhängers.
"Always"Und plötzlich war mir klar, wie kurz "für immer" sein konnte.
Doch irgendwie fand sich in meinem gequälten Geist noch der Gedanke, zwar nicht für immer, aber vielleicht irgendwann wieder. Er war zwar ganz klein und leise, doch er war da. Und irgendwie beruhigte mich dieser Gedanke, sodass ich schließlich, immer noch mit der Kette in der Hand, einschlief.
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So, das war's mal wieder, ich hoffe es hat euch gefallen. Wie immer würde ich mich sehr über ein Feedback freuen und dann sehen wir uns auch schon im nächsten Kapitel.
Bis bald.

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Yin und Yang
FanfictionDramione "Die Spannung war förmlich greifbar, ich merkte, wie ihre Atmung schneller wurde und sie in dem zaghaften Versuch sich von meiner Nähe zu befreien, die Hände gegen meine Brust drückte. Jedoch gelang es ihr nicht den Abstand um auch nur eine...