Kapitel 26: Die moralische Instanz

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„Also... nochmal von vorne... was ist passiert?", fragte er und sah sie durchdringend an.
Hermine setzte sich auf das Bett und schlug die Seite auf, las die Stelle vor.
„[...] Ich besah mir meine Liebe, jenes Gefühl, das meinem Herrn gehörte, das er erweckt hatte. Es zitterte und bebte in meinem Herzen wie ein leidendes Kind in einer kalten Wiege; Krankheit und Schmerzen hatten sich seiner bemächtigt; es konnte nicht Zuflucht suchen in Mr Rochesters Armen, es konnte sich nicht Wärme borgen an seiner Brust. Ach, niemals mehr konnte es sich ihm zuwenden, denn jeder Glaube war verdorrt, alles Vertrauen erstorben! Mr Rochester war für mich nicht mehr, was er mir gewesen war, denn er war nicht der, für den ich ihn gehalten hatte. Nicht daß ich ihn jetzt des unmoralischen Lebenswandels geziehen hätte; nicht daß ich ihn des Verrats bezichtigte. Aber die Aura makelloser Aufrichtigkeit, die ihn in meiner Vorstellung umgeben hatte, war von ihm gegangen, und daß auch ich nun von ihm gehen mußte, begriff ich nur zu gut. Wann- wie- wohin, das mußte ich erst noch herausfinden; aber ich war fest davon überzeugt, daß er selbst mich schnellstens aus Thornfield Hall forthaben wollte. Wahre Zuneigung, so schien es, konnte er für mich nicht empfinden; alles war nur ein ungestümes, leidenschaftliches Begehren gewesen, dessen Erfüllung vereitelt worden war. [...]", sagte sie mit zitternder Stimme und sah wieder zu Sirius auf.
Ihre Augen waren wieder mit Tränen gefüllt. Sirius lächelte sie an, sein Blick war mitleidig.

„Ich hab doch gesagt, dass er alles kaputt macht mit seinen Geheimnissen.", sagte Sirius und nahm ihr das Buch aus der Hand.
„Wie konnte er nur? Und wie kann sie ihn jetzt einfach verlassen? Sie wollten heiraten!", sagte sie aufgebracht.
Sirius Züge waren gütig, er musterte ihr Gesicht.
„Wärst du bei ihm geblieben an ihrer Stelle?", fragte er sie ruhig.
Hermine hielt inne, sie sah Sirius an und legte den Kopf schief, „natürlich", flüsterte sie. Sirius sah sie verwundert an, er zog die Augenbrauen zusammen.
„Das glaube ich nicht. Er hat sie verraten, er hat ihr verschwiegen, dass er eine Frau hatte, er hat sie in diesem Haus verwahrt und festgesetzt.", meinte er.
„Sie ist verrückt! Sie hat versucht das Haus anzuzünden, wer sollte sich um sie kümmern, wenn nicht er?", fragte sie wieder aufgebrachter.
„Es hätte eine Lösung gegeben, er hätte ihr die Wahrheit sagen müssen.", gab Sirius zurück.
„Ja das hätte er, aber wenn sie ihn wirklich liebte, dann hätte sie darüber doch hinweg sehen können. Warum geht man fort?", Hermine war traurig.
„Vielleicht war der Schock einfach zu groß, vielleicht konnte ihr Herz, das für den Moment nicht verkraften.", meinte Sirius und strich ihr durch die Haare, die mittlerweile sehr zerzaust aussahen.
„Es war doch alles gut zwischen den beiden... so schön.", meinte Hermine und sah traurig zu Boden.
„Es war schön, weil es ebenbürtig war und bis zu diesem Punkt aufrichtig.", sagte Sirius.

„Wieso weißt du eigentlich, was passiert?", fragte Hermine verwirrt, als sie darüber nachdachte, was Sirius sagte.
„Lily hat mich damals gezwungen das Buch zu lesen.", sagte er leicht lachend.
„Ein Sirius Black lässt sich zu etwas zwingen...", sagte sie leicht schmunzelnd und sah ihn an.
„Die Zeiten sind vorbei", sagte er und zog die Augen zu Schlitzen.
„Wie schade", sagte sie leise und lachte leicht.
Sirius schmunzelte, er gab ihr das Buch zurück, „lies es zu Ende."
Hermine nahm es und sah ihn erwartungsvoll an, Sirius seufzte.
„Na gut... aber du kennst die Regeln.", sagte er und schüttelte den Kopf.

Er ging zu seinem Schrank und zog sich weiter aus, zauberte sich die Boxershorts an und ging wieder zum Bett, in dem es sich Hermine schon bequem gemacht hatte. Sie hatte sich ihren kurzen Schlafanzug angezaubert und war unter die Bettdecke gekrabbelt, schlug das Buch auf und las es weiter.
Sirius schmunzelte, als er sich ebenfalls ins Bett legte und auf Hermine sah. Sie war so konzentriert und vertieft in das Buch, dass sie ihn gar nicht bemerkte. So ein Bücherwurm, dachte Sirius und wandte sich selbst einem Buch zu.

Nach einiger Zeit merkte er, dass ihr Buch immer tiefer rutschte und sah auf. Hermines Augen waren geschlossen, das Buch, welches sie noch in den Händen hielt, lag fast ganz auf ihrer Brust. Tiefe regelmäßige Atemzüge zeigten ihm, dass sie eingeschlafen war.
Er lächelte und nahm ihr vorsichtig das Buch aus der Hand, legte es auf den Nachtschrank, zog die Decke etwas mehr über sie, legte sein Buch ebenfalls zur Seite, löschte das Licht der Lampe und legte sich richtig ins Bett. Er sah noch einmal zu Hermine und lächelte, dann schloss er die Augen und fand einen schnellen Schlaf.

Hermine wachte nach einigen Stunden auf und sah sich verschlafen um, sie musste kurz nachdenken, wo sie war und erkannte es schnell, als sie zur Seite blickte und Sirius sah.
Er schlief ruhig und friedlich, sie rutschte etwas zu ihm, legte den Kopf auf seine Brust und kuschelte sich an ihn, legte den Arm über seinen Bauch. Er brummte leicht im Schlaf und legte einen Arm um den warmen Körper, der sich an ihn gedrückt hatte. Hermine schlief mit einem Lächeln wieder ein.

Am nächsten Morgen, die Sonnenstrahlen fielen schon ins Zimmer, wurden die beiden von einem Klopfen an der Tür geweckt. Hermine öffnete verschlafen die Augen, ebenso wie Sirius, er strich sich durch das Gesicht und sah auf Hermine, dann auf seinen Arm, der immer noch um Hermine lag. Es klopfte erneut, dann öffnete sich die Tür.
„Sirius ich-...Hermine?!", meinte Remus erschrocken.
Hermine schreckte auf, zog sich die Decke über den Körper und versteckte sich leicht dahinter.
„Remus", knurrte Sirius genervt, „nie kannst du warten, bis man dich reinbittet... rein oder raus, es muss nicht das ganze Haus darüber informiert werden."
Remus überlegte hin und her und entschied sich dann, für Hermines Unwohlsein, dafür, einzutreten. Er schloss die Tür und sah fassungslos zu den beiden im Bett.
„Bevor du dich aufregst, es ist nichts passiert.", sagte Sirius und rollte genervt die Augen, als er Remus Blick sah.
Hermine war puterrot und hätte losheulen können.

„Wie kannst du das zulassen Sirius?!", fragte der Werwolf aufgebracht.
„Es ist nicht passiert! Sie hat hier geschlafen. Sie kam abends in mein Zimmer weil sie wie ein Schlosshund geweint hat... ich hab sie hier lesen lassen, dann ist sie eingeschlafen und hat sich wohl über Nacht an mich gekuschelt.", sagte Sirius sauer.
„Warum hast du geweint?", wollte Remus wissen und sah verwirrt zu Hermine.
„Ich habe gelesen", sagte sie leise.
„Was?", fragte Remus, sie war so leise, er verstand nichts.
„Meine Güte sie hat gelesen Remus.", er hielt ihm das Buch entgegen.
„Jane Eyre... ist das nicht Lilys Buch?", fragte Remus, „Sie hat doch auch deswegen geweint, oder? Ich kann mich dunkel erinnern..."
„Ja und ja...", meinte Sirius und legte das Buch wieder auf den Nachtschrank.
„Sirius das geht nicht... sie ist 16 Jahre alt. Nicht einmal volljährig, sie ist noch fast ein Kind.", fuhr Remus in seiner Moralpredigt fort.
Hermine stand hektisch auf und lief aufgebracht aus Sirius Räumen, sie traute sich nicht Remus anzusehen und stürmte aus dem Zimmer ins Bad.
Sie schloss mit einem lauten Knall die Tür und lehnte sich an sie.

„Guten Morgen", meinte eine dunkle Stimme hinter ihr.

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