Kapitel 129: Klarheit

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„Harry", flüsterte Hermine, stand auf, rannte durch den Raum und fiel ihm in die Arme, „du lebst.", schob sie leise hinterher, mehr für sich, als für ihn. Harry drückte sie und atmete laut aus.
„Offenbar funktioniert der Traum...", seine Stimme zitterte.
„Was ist passiert? Habt ihr es geschafft?", fragte Hermine aufgeregt und ängstlich, als sie sich löste.

Er wandte den Blick ab, ging zur Couch und ließ sich auf das Polster fallen, atmete laut aus und legte die Brille auf den Tisch.
„Harry bitte... was ist passiert?", Hermine hockte sich auf die Erde vor ihn, die Zwillinge stellten sich rechts und links von ihr hin und warteten ebenso auf Harrys Bericht.
„Ich kann dir gar nicht sagen, wie wir es heil daraus geschafft haben... Dobby konnte uns direkt in das Verlies bringen, ich hab den Horkrux gefunden... der Trinkbecher von Helga Hufflepuff... offenbar hat Voldemort eine Schwäche für wertvolle Artefakte... natürlich sind die Alarme angesprungen, genau wie Dumbledore gesagt hat.
Hagrid hat draußen gewartet... da war ein Drache... und was für ein Drache", er schnaubte ungläubig auf, „Hagrid hat mit ihm gesprochen, als wäre es Fluffy... erst war er ruhig aber als die ganzen Kobolde kamen und uns angegriffen haben... der Drache hat alles zerstört... alles... ich weiß wirklich nicht wie wir daraus gekommen sind...", stotterte Harry am Ende.
„Aber die Horkruxe", bohrte Hermine nach, „konntet ihr sie zerstören?"
„Als das Drachenfeuer auf die Horkruxe traf... das Zerstören eines Horkruxes ist unfassbar, aber zwei auf einmal... Voldemorts Seelenteile sind implodiert und haben Gringotts beinahe dem Erdboden gleich gemacht... Dumbledore wurde in einen Seelenteil gezogen, er ist zusammengebrochen, Hagrid ist beinahe durchgedreht, es war alles so chaotisch... aber ja.. sie sind zerstört, es ist nichts mehr übrig von ihnen, Dobby hat uns alle wieder heil zurück gebracht, Dumbledore ist im Krankenflügel. Slughorn hat ihn sofort mit starken Aufpäppeltränken versorgt, er hatte zufällig welche auf Lager", sagte er nachdenklich.
„Dumbledore wird schwächer... es ist der Fluch... Harry wir sollten uns langsam auf das schlimmste vorbereiten", sagte Hermine leise und nahm seine Hand.
Dieser schüttelte nur den Kopf, „nein... es wird alles gut werden... alles wird gut..."

Hermine sah ihn mitleidig an, sie konnte sich nicht vorstellen wie es für Harry sein musste, nach Sirius seinen letzten wirklich langjährigen Verbündeten bald verlieren zu müssen.
Remus war noch da, aber dieser hatte zurzeit andere Sachen zu erledigen.
Auch Fred und George erkannten den Ernst der Lage und setzten sich auf die Couch, Harry zwischen ihnen.
„Das ist alles gar nicht so einfach", sagte Fred und sah zu seinem Bruder, „wann war es je einfach Bruderherz?", fragte George im Gegenzug.
„Dann sind es nur noch zwei....", sagte Hermine nachdenklich, musterte Harry, „Nagini und... was ist der letzte Horkrux?"
„Ich kenne ihn... der allerletzte, nach Nagini kann nur von Voldemort selbst zerstört werden...", sagte Harry leise, er vermied es Hermine anzusehen.
„Genau, Voldemort wird selbst einen Horkrux zerstören... so viel Glück werden wir nicht haben.", gab Hermine zurück.
„Wir können nichts anderes machen als abzuwarten.", Harry stand auf, nahm seine Brille, strich sich durch die Haare und verließ ohne eine weiteres Wort den Gemeinschaftsraum.
„Lass ihn erstmal durchatmen... man entgeht nicht jeden Tag nur knapp dem Tod...", sagte Fred.
„Aber... macht Harry das nicht seit Jahren?", fragte George, Hermine sah zwischen den Zwillingen hin und her und musste lachen, sie halfen ihr hoch und setzten sie lachend auf den freigewordenen Platz.

Die Tage strichen vorüber, der Sommer war schon fast vorbei und endete in einem angenehmen Herbst, das sanfte Licht der Abenddämmerung flog durch die Fenster von Hogwarts, die Blätter der Bäume leuchteten in orange, rot und gelb auf.
Das ein oder andere Mal zog eine kühle Brise über die Ländereien und gab einen kleinen Vorgeschmack auf den offenbar harten Winter, der über sie einbrechen würde.

Harry war nach dem letzten Abenteuer mit Dumbledore und Hagrid ruhig geworden, nachdenklich.
Hermine machte sich mehr und mehr Sorgen um ihn, sie hätte ihm so gerne geholfen, aber er wollte keine Hilfe annehmen.
„Ich muss das erstmal mit mir selbst ausmachen Mine", sagte Harry, als Hermine einen weiteren Versuch gestartet hatte ihn endlich zum Reden zu bringen. Sie schluckte und nahm ihn einfach in den Arm, Harry atmete tief ein und aus, erwiderte die Umarmung.

Dumbledore erholte sich nur langsam von der letzten Begegnung mit Voldemorts Seelenteil, er wollte mit keinem darüber reden, was wirklich in Gringotts passiert ist.
Er wirkte genauso verschlossen wie Harry, was für Hermine, Ginny und auch McGonagall doppelt frustrierend war. Es war, als würden alle in der Schwebe stehen, als würden sie auf etwas warten, was unvermeidbar kommen würde.
Ganz unverhofft kam am nächsten Tag eine Einladung von Dumbledore, er wollte sie alle nochmal in seinem Büro sprechen.
Hermine und ihre Freunde gingen geschlossen zum Schulleiter, in dessen Büro schon einige bekannte Gesichter auf sie warteten: Tonks, Remus, Kingsley, Mad-Eye, McGonagall. Hermine, Harry und die komplette Familie Weasley traten abwartend in den Raum.

„Schön, dass ihr alle da seid", sagte Dumbledore gütig und strahlte jeden von ihnen an, Hermine bemerkte, dass etwas an seinem Blick anders war, eine fatale Ruhe lag in ihm, als wäre er mit seinem Schicksal im Reinen, als hätte er den Schleier der Dunkelheit abgelegt und wäre ins Licht getreten, „wir haben alles geschafft, was wir schaffen wollten. Zusammen. Wir haben die Horkruxe zerstört, bis auf zwei, die allerdings nur in Verbindung mit Tom aufgespürt und zerstört werden können... Fred, George und Horace haben einen phantastisch realistischen Traum herstellen können, Hermine deine Idee war grandios. Es erfordert wirklich viel Mut sich dem grausamsten Zauberer aller Zeiten mutwillig in den Weg zu stellen und ihm die Stirn zu bieten.", er sah anerkennend durch den Raum, musterte seine Schüler und Kollegen.
„Wir sollten in den nächsten Tagen zur Schlussphase kommen... wir sollten das alles beenden. Den Krieg, die Unterdrückung, die Angst. Wir müssen Voldemort nach Hogwarts holen. Die Schutzmauern, die diese Schule umgeben werden von uns aufgehoben, das wird er merken...", erklärte Dumbledore.
„Aber wie können wir sicher sein, dass er wirklich dann kommt, wenn wir es wollen?", fragte Arthur und sah zu Dumbledore.
„Jemand muss ihn rufen. Genau wie Todesser seinem Ruf folgen müssen, wird Voldemort einem Ruf seines Untergebenen folgen...", sagte der alte Zauberer und sah zu Hermine.
„Sie wollen, dass Professor Snape ihn ruft? Voldemort wird ihn auf der Stelle töten... sein Verrat ist zu groß.", meinte Hermine und versuchte nicht allzu besorgt und aufgebracht zu klingen.

„Ich habe in den letzten Tagen viel mit Severus gesprochen, er weiß, dass es so enden wird und er ist damit einverstanden. Das wird seine Schuld begleichen.", gab er zurück.
„Schuld begleichen? Welche Schuld? Wurde seine Schuld nicht schon lange beglichen?", Hermine konnte sich nicht länger zurückhalten, sie war sauer und es war ihr egal, wer alles etwas mitbekam, mittlerweile wäre sowieso schon allen bekannt, dass Hermine und Severus eine Affäre hatten.
„Ich weiß es nicht Hermine, sag du es mir.... Ist diese Schuld beglichen?", Dumbledore sah sie eindringlich an.
Hermine sah durch den Raum, alle Augen waren auf sie gerichtet, als würde sein Schicksal von ihrer Antwort abhängen.

„Was wollen Sie von mir hören Professor?", fragte sie mit zusammengezogenen Augen.
„Albus... bitte, ist das nicht ein Tag zum Feiern?", mischte sich McGonagall ein.
„Ich möchte deine Meinung hören Hermine", Dumbledore ging gar nicht auf McGonagall ein.
„Meine Meinung?", schrie sie fast.
„Hat er verdient zu sterben?", fragte er wieder ruhig.
„Nein! Natürlich nicht! Er hat einen Fehler gemacht, einen schwerwiegenden schlimmen Fehler, aber... dafür hat er jahrelang bezahlt. Sie können ihn nicht sterben lassen. Niemand von euch kann das! Niemand hat das Recht dazu, sich über ihn ein Urteil zu bilden. Und ich werde Severus nicht sterben lassen.", sagte Hermine energisch und gab jedem von ihnen einen bösen Blick.
Dumbledore lächelte leicht und nickte.
„Wir sollten diesen letzten Abend friedlich verbringen. Lasst uns ein wenig feiern.", mit einem Handschwenker erschien ein großer Tisch in seinem Büro, Hauselfen ploppten an allen Ecken auf und füllten den Tisch mit Köstlichkeiten und Getränken auf, Hermine wurde von Tonks in den Arm genommen und mit zum Tisch gezogen.

„Sir... was war das eben?", fragte Harry, als sich seine Freunde an den Tisch setzten und sich lachend und gelöst unterhielten.
„Das war eine einfache Frage, Harry.", lächelte Dumbledore.
„Eine einfache Frage mit enormen Auswirkungen...", Harry schüttelte den Kopf.
„Es war nötig, dass Hermine ihre Sicht der Dinge klar ausspricht. Klarheit ist am Ende aller Dinge das einzige, was uns weitermachen lässt... das Ziel vor Augen zu haben gibt mehr Kraft als irgendwelche Tränke...", der Schulleiter zwinkerte zu und ging mit ihm ebenfalls zum Tisch.

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