Als ich aufwache ist es noch immer Stockdunkel, die einzige Lichtquelle ist nach wie vor die kleine Lampe neben dem Sofa. Der Geruch von dem letzten Schluck Vodka in dem Glas vor mir steigt mir in die Nase und mir wird augenblicklich übel.
Ich unterdrücke den Würgereiz und versuche mich zusammenzureißen. Ich bin immer noch vollkommen fertig. Schwerfällig setze ich mich auf und blicke ein wenig verwirrt (vermutlich von den Tabletten und Alkohol Cocktail) um mich.
Ein leises „Ping" neben mir lässt mich zusammen schrecken. Mein Handy. Ich ignoriere es vorerst und versuche erst einmal wieder klarzukommen.
Wieder ein „Ping". Im Sekundentakt terrorisiert mich mein Handy und dann fällt es mir wieder ein.
Mit einem stechenden Schmerz kommt alles zurück. Ich werfe einen Blick auf mein Handy. Anrufe, Nachrichten und überall steht sein Name. Achtlos werfe ich mein Handy wieder neben mich auf die Couch.
Was erwartet er? Dass ich mir auch nur noch ein Wort von dem Mist anhöre, den er mir auftischen will?
Und schon wieder überkommt mich dieser Kummer.
Ich will das alles nicht.
Ich will die Gefühle nicht, die Gedanken nicht, ich will diese Stille nicht...
Ich will...
Ich weiß nicht was ich will!Ich dachte, ich wüsste es. Wochenlang habe ich mir den Kopf darüber zermartert, habe mich mit der Sache zwischen mir und Sam auseinandergesetzt, mir meine Gefühle eingestanden und sie zugelassen und versucht eine Lösung zu finden...
Für nichts und wieder nichts. Ich wünschte, ich wäre wieder so, wie ich vor Sam war. Ohne diese ganzen Gefühle. Damals hätte mich ein Mann nie so aus der Bahn werfen können. Das ist alles seine Schuld.
Ich wünschte, ich wäre ihm nie begegnet!
Ich raffe mich auf, ich muss etwas essen. Auch wenn mir bei dem bloßen Gedanken daran schon schlecht wird, kann ich mich nicht nur von Xanax und Vodka ernähren.
Wie lange habe ich eigentlich geschlafen?
Widerwillig gehe ich zurück zur Couch. Ich entsperre mein Handy und ignoriere alle Anrufe und Nachrichten. Sonntag, 11 Uhr morgens. Ich habe mich also einen ganzen Tag ausgeknockt.Ich werfe mein Handy zurück auf die Couch und gehe in die Küche um meinen Körper und Geist mit Kaffe anzukurbeln. Glücklicherweise war meine Mom vor ihrer Abreise so geistesgegenwärtig um die Kühltruhe mit Pizza zu füllen. Danke Mom!
Ich werfe eine von ihnen in den Ofen und sehe dem Kaffee dabei zu, wie er tröpfchenweise in die Kanne fällt.
Je länger ich auf die Kanne starre, desto abgestumpfter werden meine Gedanken, ich starre ins Leere und denke einfach gar nichts.
Wieder weiß ich nicht wie viel Zeit vergangen ist, doch das Piepen der Maschine, die mich darauf Aufmerksam macht, das mein Kaffee fertig ist, reißt mich aus meinen Gedanken.
Ich schenke mir eine Tasse ein und gleich der erste heiße genugtuende Schluck bringt meinen Körper und mein Hirn wieder dazu sich daran zu erinnern, wofür sie da sind.
Ich muss Jenna anrufen. Heute ist meine Schicht im Moon. Aber ich kann so nicht arbeiten, nicht so wie ich mich gerade fühle und wie ich gerade aussehe (ich brauche keinen Spiegel um das zu wissen) außerdem fürchte ich, das Sam die Gelegenheit nutzen könnte, um mit mir zu reden.
Auch wenn ich es nicht möchte, mit meiner Tasse Kaffee in der Hand gehe ich zurück zur Couch und meinem Handy. Mit einem tiefen Schluck bereit ich mich auf das vor, was gleich kommen wird.
6 Anrufe in Abwesenheit, 4 davon von Sam und 2 von Vi.
18 Nachrichten, auch hier einige von Sam und 12 von Vi.Ich öffne die von Vi. Alles nichts Außergewöhnliches, nur warum ich nicht ans Handy gehe, warum ich ihr nicht antworte, ob ich tot sei. Die typischen Sorgen-Nachrichten eben.
Aber kein Wunder, schließlich bin ich seit Freitagabend zurück und habe ich mich immer noch nicht bei ihr gemeldet. Ich antworte ihr schnell, das alle Okay sei und ich meine Ruhe von dem anstrengenden Flug brauchte. Allerdings glaube ich kaum, dass sie mir das abkaufen wird.
Ich scrolle durch die Nachrichten von Sam.
*Es tut mir leid*
*Bitte rede mit mir*
*Ich will dich nicht verlieren. Ich weiß, dass ich einen Fehler gemacht habe.*
*Es hatte nichts zu bedeuten. Ich könnte dich nie Betrügen.*Bla Bla Bla. Das ist in etwa der Kontext aller seiner Nachrichten. Aber das kann er sich sonst wo hinschieben!
*Ich liebe dich.*
Jaaaa sicher... Ich liebe dich am Arsch. Verdammter Mistkerl.
Er wird sehen das ich sie gelesen habe, aber das werden die letzten Nachrichten sein, die ich je von ihm lesen werde.
In den Einstellungen suche ich die Funktion „Blockieren" und keine 10 Sekunden später steht Sams Name auf der schwarzen Liste.
Ein Gefühl der Genugtuung überkommt mich, auch wenn mir das nur insoweit weiter hilft, das er mich übers Handy nicht mehr terrorisieren kann. Spätestens morgen werde ich ihn schon wieder sehen, in der Schule.
Ich lenke meine Gedanken wieder von ihm weg und wähle Jennas Nummer. Ich entschuldige mich bei ihr damit, noch total fertig vom Flug zu sein, glücklicherweise kauft sie mir das ab und lässt mich eine Schicht aussetzen.
Damit habe ich zumindest Zeit bis Freitag wieder ein bisschen klarer zu werden.
Der Geruch der Pizza steigt mir in die Nase. Sie scheint also fertig zu sein. Mit der Pizza auf dem Schoß und dem Kaffee vor mir murmle ich mich wieder auf dem Sofa ein und schalte wahllos einen Film ein.
Ich esse und starre einfach nur leer vor mich hin. Jeder Biss fällt mir schwer und trotzdem merke ich das ich wohl fast am Verhungern war.
Ich bin zu einem Geist geworden, einem Geist meiner selbst.
Ich erkenne mich mal wieder nicht wieder und das alles habe ich ihm zu verdanken.
Warum habe ich mich so verändern lassen?
Wie konnte ich es überhaupt dazu kommen lassen?Ich habe nie viel Interessen an Beziehungen mit Männern gehabt, klar habe ich ihre Vorzüge auch das ein oder andere Mal zu meinem Vorteil genutzt, aber ich habe sie nie an mich herangelassen.
Ich habe sie benutzt und das war's. Kein Seelenschmerz, kein rum Geheule... Nie habe ich auch nur für einen von Ihnen etwas empfunden.
Genauer gesagt habe ich Gefühle außer bei meiner Mom, Dad und MJ nie zugelassen. Es hat uns nie lang genug an einem Ort gehalten, als das ich überhaupt jemanden näher hätte kennen lernen können. Aber ich wollte und brauchte es auch nicht.
Und dann sind wir hier hergekommen. Und mit Vi, Tyler, Jenna, Mars und Sam nahm das Schicksal seinen Lauf.
Sie alle bedeuten mir mittlerweile so viel, das eine Welt für mich zusammen brechen würde, wenn ich einen von ihnen verlieren würde.
Sam habe ich verloren und sein Verlust hat alles in mir in Millionen kleine Teilchen zerspringen lassen.
Nicht nur das er mich augenscheinlich innerlich hat zerbrechen lassen, ich bin auch seit ich ihn kenne zu einem anderen Menschen geworden.
Viele Dinge über die ich früher abfällig geschmunzelt hätte gehen mir heute einfach viel zu nahe. Zu viel lasse ich an mich heran, über zu viele Dinge mache ich mir Gedanken.
Wann habe ich aufgehört an mich zu denken?
Warum lass ich mich von Sam so kaputt machen?
Warum bin ich nicht mehr ich?Nachdem ich Pizza und Kaffee in mich hinein gequält habe steige ich unter die Dusche, in dem Wissen, das ich in einer halben Stunde vermutlich nicht mehr in der Lage dazu sein werde.
Wieder nehme ich eine der Schlaftabletten mit einem großzügigen Schluck Vodka und stelle meinen Wecker.
Ich weiß jetzt schon das morgen der Horror werden wird. Seine Fratze zu sehen wird mir den Tag versauen und ich bin sicher, ich muss mich erneut einer Entschuldigungswelle und dummen Rechtfertigungsversuchen stellen.
Ich will nicht weiter denken.
Nur schlafen...

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Maybe love? Definitely passion!
RomanceAurora ist 21 und geht zur Highschool. Um sich ihren Traum von einem Harvard-Studium zu erfüllen, arbeitet sie nebenbei in einem Club. Das ist auch der Ort, an dem sie den Mann kennenlernt, der ihr ganzes Leben auf den Kopf stellt. Sam... Und diese...