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"Lass' mich rein, verdammt!", tobte ich. Der Türsteher hielt mich zurück und ich schlug um mich herum.

"Ohne Ausweis lassen wir hier niemanden rein", kam wieder einmal die gleiche Antwort und ich schnaubte, stieß mich von ihm weg und richtete mein T-Shirt wieder. Dann spuckte ich ihm vor die Stiefel. "Fick' dich."

Ich stapfte weg. Mein Blick fiel auf einen Jungen in der Schlange, die bei dem Club anstand. Er grinste amüsiert. Ich zeigte ihm den Mittelfinger. Er grinste nur breiter.

Den ganzen Tag war ich in meinem Bett gelegen und hatte mir die Augen rausgeheult. Dann fühlte ich mich plötzlich zu leer, um so weiter zu machen und entschied mich, dass ich Alkohol und laute Musik brauchte.

Und jetzt ließ mich dieses Arschloch nicht in den Club, nur weil ich nicht nachweisen konnte, dass ich 18 war. Wen interessierte das? Jeder Jugendliche trank illegal Alkohol.

Ich achtete nicht, wohin ich ging. Stattdessen verfluchte ich den Türsteher mit den schlimmsten Dingen. Das erste Mal nahm ich meine Umgebung wieder bewusst wahr, als ich kurz vor einer Brücke ankam. Ich schnaubte.

Langsamer ging ich nun auf Fußgängerweg der Brücke, die wenigen Autos die vorbei fuhren ignorierte ich. Als ich mich schließlich in der Mitte der Brücke befand, lehnte ich mich auf das Geländer und sah auf das Meer hinab.

Die Brücke war hoch, und einige Felsen hatten sich hier gesammelt. Ich hatte das Gefühl, leicht lachen zu müssen. Ich tat es nicht.

Schon nach dem Tod meiner Eltern stand ich hier und überlegte, ob ich springen sollte. Es wäre der perfekte Platz, ich würde den Sprung hier hinunter definitiv nicht überleben. Ich biss mir auf die Lippe, mein Herzschlag wurde schneller.

Ein Feigling war ich gewesen, das war der Grund, warum ich noch lebte. Doch der Gedanke daran, nun alles, hier und jetzt, zu beenden, machte mich...euphorisch? Ich konnte kein richtiges Wort dafür finden.

Ein Lächeln erschien auf meinen Lippen und ich lehnte mich etwas weiter vor. Nun konnte ich noch besser sehen. Wie die Felsen die Wasserströme veränderten, in welche Richtungen sie flossen. Ich stellte mich noch weiter auf die Zehenspitzen, sah noch weiter. Meinen Herzschlag hörte ich in meinen Ohren. Dann erklang das Klingeln meines Handys.

Ich stellte mich wieder gerade hin und kramte es heraus, sah, dass meine Tante anrief. Anscheinend hatte sie entdeckt, dass ich mich nicht mehr in meinem Zimmer befand.

Ich lehnte den Anruf ab, direkt danach erschien der Sperrbildschirm. Ein Bild von mir und Sofia, sie hatte die Zunge rausgestreckt und zwinkerte der Kamera zu, ich lachte. Eingehend betrachtete ich das Foto, bis sich wieder das Bild von Sofias Leiche vor meinen Augen abbildete. Ich blinzelte.

Schließlich schaltete ich das Handy aus, streckte meine Hand aus und ließ es fallen. Ich beobachtete den Fall, zähle leise die Sekunden mit. Elf, da schlug es für mich tonlos auf den Felsen auf.

Meine Atmung verschnellerte sich. Ein Auto fuhr vorbei, welches ich ignorierte. Wahrscheinlich so, wie es mich ignorierte.

Vor meinem inneren Auge tauchten wieder meine Eltern auf. Der Sturz von der Brücke, das Auto, das uns unter Wasser zog. Wie ich mich befreien konnte und an meiner Mutter zerrte, welche fest hing. Mein Vater, wie er meine Hand weg schlug, als meine Mutter ohnmächtig wurde. Sein Blick, der mich dazu brachte, an die Oberfläche zu schwimmen. Er wollte, dass ich überlebte.

Camila - WickedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt