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"Hast du uns hier her gebracht, um zu sterben?" Meine Freundin sah ängstlich die Klippe hinunter. Ich zog mir mein Oberteil über den Kopf.

"Offensichtlich."

"Ich kann nicht sagen, ob du das sarkastisch meinst oder nicht." Ich lächelte geheimnisvoll, warf mein Shirt weg und begann, an meinem Gürtel rumzufuchteln. Sofia blickte mich zweifelnd an, dann wieder zur Klippe. Einige Möwen flogen über uns hinweg.

"Nein, wirklich jetzt. Ist das sicher? Willst du da wirklich hinunter springen?"

Ich seufzte und warf meinen Gürtel zu meinem Oberteil, trat dann zu Sofia und legte meinen Arm um ihre Schultern. Ich deutete auf das Meer hinaus.

"Siehst du das? Keine Felsen. Nirgendwo. Das hier sind genau 19 Meter. Das Wasser ist warm. Es ist Abend, niemand wird uns erwischen. Komplett sicher."

Sofia schluckte, schien immer noch zu zweifeln. Seufzend trat ich einen Schritt weg von ihr. "Schau, wenn du nicht willst, kann auch nur ich springen. Oder wir springen gar nicht und gehen einfach wieder an den Strand."

"Nein, nein, ich will keine Spaßbremse sein", erwiderte sie und verzog das Gesicht ein wenig. Ich lächelte leicht. "Ich würd's verstehen. Und wir können auch woanders Spaß haben."

Sofia richtete ihren Blick auf mich, weg vom Meer, und wackelte mit den Augenbrauen. "Wir könnten theoretisch überall Spaß haben."

Ich lachte, während sich mein Herz etwas zusammen zog. Mein Mund war trocken, jedoch ließ ich es mir nicht anmerken und trat wieder etwas weg.

"Also, springen oder nicht springen?" Sofia sah wieder über die Klippe, dann wieder auf mich. Ich hob die Augenbrauen.

"Springen", erwiderte sie schließlich grinsend, zog sich ihr Top über den Kopf. Ich wandte meinen Blick ab und grinste, öffnete meine Jeans. Ich wusste, sie würde sich dazu entscheiden, mit mir zu springen.

Als wir beide nur noch in Unterwäsche da standen, fasste Sofia nach meiner Hand. Zusammen traten wir an die Kante, sahen hinunter. Das Meer war ruhig, die Wellen nur niedrig.

Sofia sah mir ins Gesicht, ich erwiderte ihren Blick. Sie schluckte. "Auf drei." Ich nickte.

"Drei", sagte ich. Wir blickten uns weiterhin in die Augen. Ein leichtes Lächeln erschien auf meinen Lippen, ich liebte solche Momente. Für kurze Zeit konnte ich den Alltag vergessen, meine Probleme und Sorgen. Einfach nur im Moment leben, mit Sofia.

"Zwei", erwiderte sie, atmete ein und sah noch einmal hinunter. Ich drehte ihren Kopf wieder zu mir, lächelte sie beruhigend an. Sie atmete aus.

"Eins."

Ich zog Sofia mit mir, sprang. Schreiend und lachend hielten wir uns fest, sie zerdrückte meine Hand fast. Für wenige Sekunden spürte ich das Adrenalin, die Freude und die Angst, alles auf einmal. Für wenige Sekunden war ich alleine, auf der Welt, mit Sofia.

Dann tauchten wir ab, ins Wasser. Wir hielten uns weiterhin fest, schwammen zusammen an die Oberfläche. Als wir gierig nach Luft schnappten, vermischte sich unser Lachen mit dem Schreien der Möwen.

Als wir uns beruhigten, uns immer noch festhaltend, sah sich Sofia um. Ich blickte sie lächelnd an.

"Wir sollten wieder an Land schwimmen."

"Klar", erwiderte ich und ließ sie los. "Wer zuerst ankommt!"

"Das ist unfair, du bist schon losgeschwommen!"

"Dann musst du dich wohl mehr anstrengen."

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"Wo warst du? Ich habe mir Sorgen gemacht." Meine Tante blickte mich streng an. Ich lächelte leicht.

Camila - WickedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt