Verstohlen blickte ich in der Umarmung an den beiden hoch und sah in zwei Augenpaaren die Tränen stehen. Mir saß ein Kloß im Hals. Obwohl ich Chris weder lange noch gut kannte und Andreas noch viel weniger, so war ich in diesem wichtigen Moment ein Teil von den beiden. Das war mir eine sehr große Ehre.
Im Hintergrund der Bühne liefen Bilder über die Leinwände, Vorhänge und Bildschirme. Musik lief auch aus den Lautsprechern. Aus den Gesprächen im Auto wusste ich, dass noch nicht alles so synchron lief, wie es sollte und die Projektionen noch nicht eins zu eins auf den Leinwänden ankamen, sondern hier und da Ränder zu sehen waren. Ich achtete natürlich darauf und fand sogar den ein oder anderen Fehler selbst. Darauf war ich stolz, hatte ich doch vorher noch nie so etwas vor der Nase gehabt. Die beiden waren runter gegangen. Ich wollte lieber hier oben bleiben und dem ganzen Treiben mit Sicherheitsabstand zusehen. Es liefen bestimmt 30 Mann in der Halle herum. Alle hatten Funkgeräte bei sich und irgendwelche Sachen in der Hand. Zwischendurch klapperte es mal oder ein schiefer Ton kam durch einen Lautsprecher. Plötzlich stand Mario, einer der vielen Techniker, hinter mir. "Könntest du vielleicht von hier oben mal ein paar Fragen beantworten, die wir da unten hätten?" Ich sah ihn ziemlich verdutzt an. "Äh.. Was denn für Fragen?" "Wir müssen noch etwas an Verteilung von Bild und Ton arbeiten. Es sollen ja später Alle gut sehen und hören können." Ich nickte nur und nahm das Funkgerät entgegen. Dazu gab es einen Kopfhörer. Mario erklärte mir das Ding kurz und war dann weg. Dann meldete sich per Funk Philipp bei mir und ich sollte oben hin und her humpeln und Bilder oder Töne beurteilen. Wo es vielleicht einen Unterschied gab. Tatsächlich trug ich so dazu bei, dass die Technik ausgefeilter wurde. Damit war ich auch mehrere Stunden beschäftigt. Als wir fertig waren, hörte ich plötzlich Chris über das kleine Gerät. Ob ich nicht auch mal runter kommen wollte. Ich machte mich also mit Umweg über eine Toilette auf den Weg runter. Der Fuß konnte mal eine zweite Tablette und Schmerzsalbe vertragen. Unten angekommen, sah ich dann das Gesicht zu Philipps Stimme und er bedankte sich noch mal für die Hilfe. Mich wunderte es doch etwas, dass ich wie selbstverständlich dazu zu gehören schien. Ich fragte ihn nach Chris. Er meinte, ich müsse mal hinter die Bühne schauen. Da war er zumindest die letzten Stunden über.
Als ich vor der Bühne stand, hörte ich etwas heranrollen und dann kam ein ziemlich großer Flügel auf die Bühne gerollt. Er hatte einen Glasfuß und war wirklich sehr hoch. War der auch neu? Oder hatte ich den schon wieder vergessen? Und dann kam Chris auf die Bühne. Bewaffnet mit Gitarre und Andreas hinterher mit Keyboard. Ich schaute die Zwei schief an. Was hatte das denn mit Zaubern zu tun? Was mich dann erwartete, haute mich doch etwas aus den Schuhen. Sie konnten tatsächlich singen. Ich hörte eine Weile zu. Da die beiden aber immer wieder unterbrechen mussten oder unterbrochen wurden und es von vorne losging, hatte ich relativ schnell schon keine Lust mehr. Ich nahm meine Tasche und humpelte an die Seite zu einem Sitzplatz. Dort angekommen, schnappte ich mir die Schmerzsalbe und Verbandszeug und wickelte den Fuß vorsichtig aus. Er sah schon besser aus. Aber das Eincremen tat ziemlich weh. Zwischendurch hörte ich auch Töne von der Bühne, die ziemlich weh taten. Ich schmunzelte etwas und packte den Fuß wieder vorsichtig in den Verband. Dann schnappte ich mir eine Banane aus meiner Tasche und eine Tablette. Als ich wieder hoch schaute, stand Chris vor mir. Er grinste mich an und ich grinste zurück. Schmatzend hielt ich den Rest der Banane hoch und sagte ihm, dass ich Hunger gehabt hatte und Schmerzen. Er ließ sich neben mir auf einen Sitz fallen. Andreas diskutierte irgendwas mit irgendwem an der Bühne. Ich lehnte mich an Chris und schloss meine Augen. Jetzt war gerade wieder alles OK. Ich atmete tief durch. Chris kraulte durch meine Haare. "Geht es denn mit dem Fuß?" "Hab ihn neu verbunden und noch eine Tablette genommen. Jetzt warte ich auf die Wirkung." Er küsste mich auf die Haare. "Möchtest du hier sitzen bleiben? Wir brauchen noch einen Moment. Irgendwie klappt das alles noch nicht. Da werden wir jetzt noch eine schöne Bastelarbeit haben, bis alles zueinander passt" grummelte er. Ich zog eine Schippe. "Kann man irgendwo einen Stuhl her bekommen? Dann kann ich mich auch näher dran hinsetzen. Stehen ist gerade noch doof." Chris nickte und zog mich hoch. Wenig später ließ ich mich einfach auf die Stufen zur Bühne hoch sinken. "Ist das eigentlich ein echter Flügel?" "Kennst du doch. Aus der letzten Show. Da spielen wir doch drauf." Chris sah mich schon beinahe vorwurfsvoll an. Aber ich konnte noch Einen draufsetzen, wie ich wenig später erfuhr. "Seit wann singt ihr eigentlich so viel?" Chris sah mich entgeistert an. Dann rief er nach Andreas. Als der kam, sah Chris ihn nur immer noch entgeistert an. "Bruder, sie fragte gerade ernsthaft, seit wann wir so viel singen!" Andreas guckte jetzt auch komisch. Und dann platzte ein herzliches Lachen aus ihm heraus. Als er sich etwas beruhigt hatte, wandt er sich mir zu und fragte "Du verfolgst echt garnichts von uns, oder?" Ich schüttelte ganz vorsichtig den Kopf. "Wir haben sogar ein Album draußen. Das ist noch garnicht so lange her." "Oh!" entkam es meinen Lippen. Hochrot anlaufend senkte ich den Blick. Das war peinlich!
Chris zog die Augenbrauen hoch und pfiff. "Also ich hoffe mal, du hast wirklich nur kein Interesse an dem Erfolg von uns und nicht, dass es dir egal ist, was wir machen." "Ganz ehrlich? Das ist dein Job und auch dein Leben. Aber ich interessiere mich nur für Dich. Nicht für deinen Erfolg und das Ganze hier im Vordergrund. Ich hab aber vielleicht mal Nachholbedarf", gab ich zu. Chris nahm mich in den Arm. "Ist ja schon gut. Ich dachte wirklich nicht, dass du das garnicht verfolgst. Ist aber nicht schlimm. Lieber so als anders herum. Das ging bislang nicht gut." "Ich liebe dich", flüsterte ich ihm ins Ohr. Sein Kopf drehte sich und unsere Lippen trafen sich zu einem zärtlichem Kuss.
Später saß ich wieder alleine und außer den Technikern war niemand da. Ich machte mein Handy an und sah das erste Mal in meinem Leben die Facebookseite und auch die Homepage der Ehrlich Brothers an. Ich wurde auch auf den Fanclub aufmerksam. Und auf die vielen Fans. Auf den ersten Blick hatte Chris mehr Fans als Andreas. Es gab so viele Bilder und Storys um Chris, dass mir schwindelig wurde. Viele, viele Fans schrieben sogar ganz offen, dass sie verliebt waren in einen der Beiden. Ich machte das Handy wieder aus und schnaufte einmal durch. Das war einfach nicht meine Welt.
Mein Blick fiel auf den Flügel, der auf der Bühne stand. Mittlerweile war ich im Zuschauerraum ganz alleine und es war auch ganz ruhig geworden. ich stand auf und humpelte mutig von meiner Treppe aus auf die Bühne und zu dem Flügel hinüber. Ich sah mich nochmal verstohlen um. Konnte ich denn überhaupt noch spielen? Ich hatte früher Unterricht auf einem Klavier gehabt und konnte 'Für Elise' sogar auswendig spielen. Ich wollte schon immer mal auf einem Flügel spielen, denn das sollte viel schöner sein als auf einem Klavier zu spielen. Ich stand also nun vor einem Flügel und war alleine. Ich drückte vorsichtig eine Taste. Dann die zweite. Hörte sich okay an. Ich ging die Tonleitern entlang, die ich auch brauchte. Meine Ohren fingen nicht an zu klingeln. Und dann legte ich die Hände auf die Tasten und stellte mir vor, wie ich wieder an dem Klavier in der Grundschule saß und meine portigiesische Klaverlehrerin mir die Noten vor die Nase stellte. Und ich spielte. Das erste Mal seit 12 Jahren spielte ich wieder Klavier. Und mein damaliges Lieblingslied. Ich spielte es immer und immer wieder und war total begeistert, dass ich es noch konnte. Sogar die Varianten bekam ich noch hin. Als mir jemand eine Hand auf die Schulter legte, zuckte ich zusammen und schrie auf. "Das war echt... also... geil.." sagte Andreas hinter mir. Chris stand noch ein Stück weiter hinten und hatte glänzende Augen. Ich sah ihn an und ging auf ihn zu. Entweder war was passiert oder ich hatte irgendwas angestellt. Ich machte mir auf jeden Fall Sorgen. "Du kannst Klavier spielen? Auswendig? So gut?" "Ja, ich habe es nicht gedacht, aber geht scheinbar noch. Aber nur dieses eine Lied. Naja, tut mir leid. Ich hätte da nicht rangehen dürfen." "Hörst du verdammt noch mal auf, dich zu entschuldigen, wenn du was einfach gut machst?!" sagte er ziemlich schroff und laut. Ich sah ihn total verdutzt an. "Na dann runter von der Bühne! Dann mach ich jetzt weiter. Und wehe es gibt keinen Applaus!" Zwar wusste ich nicht, was mich da geritten hatte gerade, aber die beiden standen jetzt vor der Bühne und ich spielte noch mal. Mit geschlossenen Augen konzentrierte ich mich bis zur letzten Note, bis zum letzten Anschlag. Als ich den Fuß vom Pedal nahm und der letzte Ton sanft verklang, öffnete ich erschrocken die Augen, denn die beiden Ehrlich Brothers standen vor ihrer Bühne und applaudierten mir. Ich hatte sie schon völlig vergessen. Ich grinste, hochroten Kopfes natürlich, ging ein Stück vor und verbeugte mich.
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My Changeover
FanfictionErstes Buch Wenn aus LIEBE VERÄNDERUNG wird Wie man jemanden treffen kann, den man eigentlich weder kennt noch weiß, das man ihn kennt und sich dann auch noch verliebt. "Was im Leben, was schön ist, ist perfekt? Wo doch alle Ecken und Kanten das, ...