Um uns herum lag nur das Wohngebiet. Und Felder. Wohin konnte ich hier schon gehen? Und regnen tat es auch schon wieder. War mir aber egal. Es ging ihn verdammt nochmal nichts an! Ich war auch sauer. Ich stapfte los. Hauptsache weg von dem Auto, dem Parkplatz, dem Haus, von Chris. Bevor dieser noch mehr sagen konnte. Benommen vor Wut marschierte ich über die Straße und stand vor dem Feld, dass ich heute morgen noch als so schön empfunden hatte. Sollte ich wieder ins Auto steigen und zu meinen Eltern fahren? Aber es war schon so spät. Und ich hatte meine Sachen bei Chris. Darüber ärgerte ich mich gerade noch mehr. Er war mir doch völlig fremd. Und ein Idiot. Und er hatte mich verletzt. Und jetzt stand ich hier und konnte meiner Wut eigentlich mal freien Lauf lassen. Also stapfte ich ein paar mal wild auf und trat dann gegen einen Findling, der am Straßenrand lag. Ein Schmerz durchzuckte mich. Wütend knurrte ich das Feld an.
Chris stand wie versteinert am Auto. Es fing an zu regnen und Andrea lief stocksauer davon. Zum Glück blieb sie am gegenüberliegenden Feld stehen. Sie knurrte laut und stapfte wild auf. Dann trat sie sogar gegen einen Stein. DAS hatte weh getan. Was hatte er denn nur gesagt, was jetzt so schlimm war? Es regte ihn aber auf, wenn sich Leute unter ihrem Preis verkaufen. Und gerade sie war toll und bewundernswert. Wahnsinn, wie sie ihr Leben in Berlin meisterte, wie sie einfach mal so die Küche reparierte, die schon über 30 Jahre auf dem Buckel hatte. Und der Kartentrick. Wie sie ihn verzaubert hatte. Aber genau ihn hatte sie damit in ihren Bann gezogen, weil sie sich nicht ständig selbst darstellte. Scheiße! Sie kritisierte ihn, weil er tatsächlich zu viel arbeitete und zu wenig für sich tat. Sonst hätte er bestimmt schon lange eine Familie. Wie Andreas. Aber jetzt stand Andrea halt da und war total außer sich. Was konnte er denn jetzt tun? Sie war ja eigentlich schon etwas irre. Aber genau jetzt ließ sie mal Emotionen zu. Jetzt zeigte sie gerade, was in ihr steckte. Auch, wenn es momentan nur Wut war. Langsam ging er zu ihr. Mittlerweile waren sie beide pitschnass. Er stellte sich nur neben sie. "Es ist hier so ruhig." bemerkte sie nach ein paar Minuten. "Ja, das ist es." Wieder schwieg sie. Irgendwann sah ich aus den Augenwinkeln, dass ihre Schulter kurz zuckte. Ich drehte mich zu ihr und drehte ihren Kopf zu mir. Sie weinte. Dank der Laterne sah ich ihre roten Augen. "Was war denn das gerade?" "Mein Fuß tut weh." jammerte sie. Chris musste unweigerlich lachen. "Ja, das glaube ich dir sogar." Sie drückte ihr Gesicht an Chris' Brust und atmete tief ein.
'Ich will doch bloß nicht so im Mittelpunkt stehen'. Chris blickte verwirrt zu ihr hinunter. "Hast du was gesagt?" Sie schüttelte den Kopf. Er hätte schwören können, dass sie leise was gesagt hatte. Ganz deutlich sogar. Komisch. Er dachte daran, wie sie ihn das erste Mal angeschaut hatte und wie Attila sie ansah. 'Ich vermisse Attila gerade. Er könnte mir gerade helfen.' Chris war nun wirklich total verdattert. "Jetzt hast du aber was gesagt!" Sie drehte den Kopf zu ihm hoch und schüttelte ihn. Mit heiserer Stimme sagte sie "Nein". "Du hast doch gerade, als ich über Attila nachgedacht habe, gesagt, er würde dir jetzt helfen können." "Nein. Warte.... Ich habe nichts gesagt, aber es gedacht... Wie kannst du das wissen?" "Ich habs gehört!" Soviel Bier hatte er nicht gehabt, er war ja schließlich noch heim gefahren. "Komm, ich bring dich rein. Wir sind beide ganz schön nass!" Andrea humpelte neben ihm her. Sie fluchte. Er blieb stehen, schnalzte und nahm sie auf die Arme. Das konnte er sich echt nicht mit anschauen.
Ich wurde von Chris auf die Couch gesetzt. Dann fing er an, sich auszuziehen und holte Klamotten aus dem Schlafzimmer. Er zog sich eine Jogginghose und einen Pulli an und verschwand im Bad, kam mit Handtüchern zurück und eines flog zu mir auf die Couch. Er rubbelte sich die Haare trocken. Jetzt sah er aus wie ein geplatztes Sofakissen. Ich musste loslachen, ob ich wollte oder nicht. "Was ist? Zieh dich aus und trockne dich ab. Wie sieht denn dein Fuß aus?" Ich verzerrte sofort mein Gesicht. Der Fuß... Ich zog ganz langsam den Schuh aus. Das tat schonmal höllisch weh. Dann zog ich ein noch größeres Schmerzgesicht, als ich den Socken runterrollen wollte. Chris kam und half mir. Der Fuß sah dick und leicht blau aus. Dann half mir Chris aus den restlichen Klamotten. Er brachte die nassen Sachen ins Bad, während ich mich abtrocknete. Dann schlüpfte ich in seine Sachen. Die waren etwas zu groß, rochen nach ihm und waren sehr bequem. Er ließ sich neben mich auf der Couch nieder. "Mach das nicht noch mal!" "Was?" "Dich unter Wert zu verkaufen. Und Steine treten!" Protestierend setzte ich an. Dann sah ich einen Schmetterling in einer Gardinenfalte sitzen. Sofort brach ich ab. Chris schaute in die selbe Richtung. Wir sahen uns an, Chris wollte aufstehen, aber der Schmetterling war fort. Ich atmete tief ein und aus. "Chris. Ich kann nicht aus meiner Haut. Ich will nicht ins Rampenlicht, in den Mittelpunkt, keine Aufmerksamkeit. Ich mag es, im Schatten zu stehen und zuzusehen." "Dann beachte ich dich besser auch nicht mehr. Oder deine Eltern, Attila, Janin und alle anderen, die dir nahe stehen." "Ihr seid doch nur da für mich. Und ich für euch." "Wir alle lieben dich, weil du was besonderes bist für uns. Ich liebe dich. Du bist was ganz besonderes!" Ich musste schwer schlucken. Ich wollte etwas sagen, aber irgendetwas hielt mich zurück. "Du liebst mich? Das kannst du jetzt doch noch garnicht wissen. Wir haben uns so lange nicht gesehen und davor hatten wir gerade mal eine Woche!" presste ich doch hervor. Tränen schossen mir in die Augen. Das konnte doch jetzt alles nicht wahr sein. Etwas streifte meine Wange und hielt mich dann an der Schulter fest. "Wann sich mein Herz entscheidet, dass es Liebe ist, musst du schon mir überlassen. Daran kannst du garnichts ändern. Auch diese wirklich dummen Worte ändern das nicht. Was ist bloß los mit dir, dass du alles so von dir stößt?" Und jetzt brach etwas in mir kaputt. Der dicke Panzer um mein Herz bekam Sprünge und barst dann in viele tausend Teile. "Alex." Ich dachte an die vielen Streits, dass er mir immer gesagt hat, ich wäre eh zu dumm und pack das nicht. Ich solle mal an der Kasse sitzen bleiben und Kinder bekommen. Die blauen Flecke an den Armen, die vielen Male, wo ihm mein Essen nicht schmeckte. Die vielen Male, wo ich wusste, dass er bei einer anderen war, weil ich auch darin nicht gut genaug war. Als ich gerade überlegte, wie ich Chris das erklären sollte, sah ich ihn nur an und wusste, dass er Bescheid wusste. Er war bleich im Gesicht und sein Mund war noch versteinerter als vorhin im Auto. "Woher?" fragte ich. 'Ich habs verdammt noch mal gesehen' schoss es durch meinen Kopf. Völlig entgeistert sah ich ihn an. Und er mich. "Okay, hätten wir das auch geklärt. Ich brauch nen Schnaps. Du auch?" Ich nickte völlig abwesend. Wie konnte das sein?
Als Chris mit zwei Gläsern, einer Flasche und einem Eispack für meinen Fuß zurückkam, war ich immer noch total verwirrt. "Als du bei mir warst.." "Ich weiß..." unterbrach er mich direkt. Er schenkte ein und stürzte seinen Shot so wie ich erstmal runter. "Noch einen?" "Ja!" Dann legte ich das Eispack auf meine Zehen und zischte durch die Zähne scharf die Luft aus. "Aber nicht immer..." "Nein!" kam es von ihm. "Und wie? Also warum?" "Ich weiß es nicht." "Bist du noch meine Freundin?" "Ja!" Er gab mir einen Kuss und zog mich in seine Arme. An dieser Sache hatten wir beide zu knabbern. Nach einiger Zeit stand Chris auf, holte seinen Laptop, kam wieder und zeigte mir Ausschnitte von Shows, in denen es ums 'Gedankenlesen' ging. Ich fand es faszinierend. Chris jedoch erklärte mir dann sehr nüchtern, das es allesamt Tricks waren. Nicht bei einem konnte er tatsächlich Gedanken lesen. Und meine hatte er aber gehört. Und Bilder gesehen. EE erzählte MIR von meinen blauen Armen und wie Alex mich beschimpfte. Das konnte er ja garnicht wissen. Auch nicht, dass ich genau an diese Ausschnitte gedacht habe. Und jetzt war ja wieder Ruhe.
Es war bereits früh morgens. Ich humpelte ins Bad und dann ins Bett. Dort zog ich mir die Sachen von Chris widerwillig aus. Aber Chris war da und ich konnte mich dafür an ihn kuscheln. Er strich mir noch lange über meine Haare, während ich die Luft an seinem Hals inhalierte. "Du Junkie!" lächelte er. "Der Junkie und der Magier. Passt doch. Oder auch: Zwei Irre." Wir lachten beide und schliefen dann endlich ein.
In dieser Nacht träumte ich von Schmetterlingen, die mir flüsterten, ich solle auf mich Acht geben und mutig sein um zu Chris zu halten. Ich wachte schweißgebadet auf. Chris schlief neben mir. Es war kurz nach acht. Mein Fuß tat ganz schön weh. Ich besah ihn mir. Er war nun dick und richtig blau. In vielen Schattierungen blau. Hinter mir schnappte Chris nach Luft und gähnte ganz ausführlich. Ich lächelte ihn an und schaufelte mir meine Haare aus dem Blickfeld. Er kam hoch und schaute sich ebenfalls den Fuß an. "Ohje." Ich zog den Mundwinkel schief und nickte mit hochgezogenen Augenbrauen. "Du musst deine Energie echt anders raus lassen!" Achso? Musste ich das? Grinsend funkelte ich ihn an und stürzte mich auf ihn. Wir tobten im Liegen hin und her, küssten uns und es ging dann in den gemütlichen Teil mit Kuscheln über. "Musst du damit zum Arzt?" "Wenn der Zeh gebrochen ist, machen die eh nix. Und Schmerztabletten hab ich auch so." "Lass mich mal hören, ob dein Herz noch richtig arbeitet" schmunzelte Chris und zog mir mein Shirt hoch. Er legte seinen Kopf auf meine Brust, so wie ich es auch so gerne bei ihm tat. "Und, Herr Doktor?" "Etwas langsam, wir sollten es mal in Schwung bringen." Langsam verführte er mich mit seinen Küssen und Liebkosungen. Unter diesen Händen wurde ich zu Wachs. Wie Butter schmolz ich dahin.
Bei einem Becher Kaffee rief ich gegen Mittag zu Hause an. Ich erzählte meiner Mutter, ich hätte mir gestern den Fuß gestoßen und könnte so nicht ins Auto steigen. Hinterher schickte ich ihr noch ein Foto von dem Fuß. Chris wollte mich heute mit zur Arbeit nehmen. Aleine rumsitzen fand er doof. Ich freute mich schon darauf, Andreas wiederzusehen. "Ist Kathrin auch da?" Er schüttelte den Kopf. "Ruf sie doch einfach an. Sie freut sich bestimmt, von dir zu hören." Zustimmend nickte ich nur. Mir ging die letzte Nacht nicht so recht aus dem Kopf.
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My Changeover
FanfictionErstes Buch Wenn aus LIEBE VERÄNDERUNG wird Wie man jemanden treffen kann, den man eigentlich weder kennt noch weiß, das man ihn kennt und sich dann auch noch verliebt. "Was im Leben, was schön ist, ist perfekt? Wo doch alle Ecken und Kanten das, ...