98 Gänsehautmomente

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Alle waren in der Arena. Alle sind sie hinter Chris und Andreas hinein gegangen. Ich schloss den Wagen ab. Hinter mir die Rufe. 'Andrea!' 'Was ist passiert?' 'Hat er sich mal wieder verletzt?' Gequält zwang ich mich dazu, den ganzen Stress zu vergessen. Einer war es den Fans schuldig, ein kurzes Statement abzugeben. Mir wurde speiübel. Ich hatte keine Ahnung, wieviele mit gezückter Handykamera hinter dem Zaun standen und mich bereits filmten oder fotografierten. Meine Rippen schmerzten höllisch, denn zuviel Stress und die dazugehörige Durchblutung waren immer noch von Nachteil. Was sollte ich jetzt nur machen? Sehnsüchtig sah ich zu der Tür, durch die alle verschwunden waren. Aber niemand war zu sehen. Von drinnen hörte ich, wie noch aufgebaut wurde. Es schepperte zwischendurch. Ich sah Chris Gesicht vor mir. Er konnte so unmöglich auftreten. Aber das würde ich ihm wohl nicht verbieten können. Das würde er seinen ganzen Zuschauern nicht antun können. Mit geschlossenen Augen krallte ich den Schlüsselbund fest in meine Handfläche, straffte die Schultern und atmete noch einmal tief durch. Dann drehte ich mich langsam um.

Wie erwartet standen dort nicht zehn, sondern eher vierzig Leute. Fast alles nur junge Frauen. Und natürlich Handys gezückt und durch den Zaun gehalten. Langsam und widerwillig setzte ich einen Fuß vor den anderen. "Hey. Der Eingang ist vorne. Und gleich ist es soweit. Der Einlass beginnt. Was macht ihr denn hier hinten? Hier ist doch keiner mehr außer mir!" trällerte ich fröhlich in die erwartungsvollen Gesichter hinter dem Zaun. Mir war sehr wohl bewusst, dass ich aussah wie ein Penner. Die Fragen überschlugen sich und ich verstand kaum ein Wort. Ich räusperte mich und erhob dann etwas die Stimme, damit alle was hören konnten. "Ich bin für die Show hier. Es ist nichts Schlimmes passiert. Außer, dass ihr mich so erwischt." Dabei deutete ich an mir hinunter und grinste verlegen. Hinter mir hörte ich die Tür und dann war ein wildes Gekreische vor mir zu hören. Es folgten Schritte. Andreas stand dann neben mir. Er legte den Arm um meine Schulter. "Ja, Chris braucht seine Assistentin, damit er meine Assistentin besser spielen kann. So ist er halt." Andreas grinste und gab ein paar Autogramme und machte Fotos. Jemand tippte mich von hinten an. Ich drehte mich um. Das Gesicht kam mir schon bekannt vor von vorherigen Shows. Und aus den sozialen Netzwerken. Erwartungsvoll sah mich die Frau an. "Wie geht es dir denn? Immerhin seid ihr fast... gestorben" hauchte sie das letzte Wort nur noch. Schlagartig war es ruhig um mich herum. Da war sie. Die Frage, die mir nun direkt von den Fans meines Freundes gestellt wurde. Mir stiegen die Tränen in die Augen. Das traf mich sehr. Ich zuckte leicht mit den Schultern. "Es wird noch sehr lange nicht gut sein." Leise sagte ich diese Worte. Andreas nahm mich in den Arm. "Wir haben uns alle große Sorgen gemacht. Um dich noch mehr als um Chris. Du warst die gaze Zeit nicht zu sehen und nicht zu hören." Die Frau hatte tiefe Sorgenfalten im Gesicht, die anderen Personen hatten die Handys sinken lassen und das Lächeln von vorhin war wie wegradiert. Eine Gänsehaut überkam mich. Von hinten schrie Chris nach mir. Erschreckt sah ich zur Tür. Wieder rief er. Ich sah hin und her. "Geh schon!" forderte mich Andreas auf. Ich hob die Hand vorsichtig an und ging langsam zur Tür. Chris stand in der Tür, winkte den Leuten zu und kam auf mich zu gehumpelt.

"Wenn du dich jetzt hier blicken lässt, dann musst du auch dahin!" sagte ich ihm strenger als gedacht. Zerknirscht von Schmerzen sah er mich an. Ich strich ihm an der Seite entlang. "Komm, geh wenigstens kurz Hallo sagen!" Chris humpelte die paar Meter. Er ließ sich fotografieren und zog dann sehr schnell mit Andreas wieder Leine. In der Halle begann der Einlass. Ohne Proben würde diese Show demnächst starten. Ich bekam es mit der Angst zu tun. Gleichzeitig hatte ich auch Schmerzen. Chris saß mit Eis um den Fuß, auf einer Couch in der kleinen Garderobe. Ich sank neben ihn nieder. "Du bist nicht ernsthaft so schnell gefahren, wie ich denke, oder?" "Doch! Ich habe deine Schmerzen gespürt und große Angst um dich gehabt. Und keiner ging mehr an sein Handy." "Du siehst echt nicht so aus, als gehörst du hierher!" Ich sah an mir herunter. Schlabberpulli, Jogginghose, Knoten im Haar. "Zu spät. Die haben mich schon voll abgelichtet." Ich lehnte mich noch für ein paar Minuten an Chris an und schloss die Augen. Er streichelte meine Haare und atmete ruhig ein und aus. Dann kam Andreas rein. "Bruder, wir müssen das jetzt besprechen, wie wir es machen. So geht es auf jeden Fall nicht so wie sonst immer." Andreas hatte tiefe Falten zwischen den Augenbrauen und sah sehr besorgt aus. "Ich geh dann mal was zu essen suchen. Und Kathrin. Ich brauche Kathrin. Ist der Bus eigentlich offen?"

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