99 Stress

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Nach dem sich Andreas heftig mit Chris in den Haaren gehabt hat, ging Chris sauer auf sein Auto zu. Die Fans waren schon weg, der Abbau lief auf Hochtouren, erste Sachen waren bereits fast in der nächsten Halle. Andreas stapfte wütend zum Bus. Sie würden ebenfalls schon fahren. Ich musste, gähnend, einsehen, dass ich jetzt einen sehr mies gelaunten Chris gegen seinen Willen ins Krankenhaus fahren musste. Und danach zur nächsten Halle. Es waren ja auch nur 400 Kilometer. Kann man ja mal machen. Dabei bekam auch ich schlechte Laune. Das waren die denkbar schlechtesten Vorraussetzungen, um uns beide über Stunden in ein Auto zu ferchen. Explosiver als sein Feuerwerk.

Und so kam, was kommen musste. Chris sah stur zum Fenster raus, während ich den Wagen in Richtung Krankenhaus lenkte. Ich meldete den immer noch stocksturen Esel an und wir setzten uns in den Wartebereich. Chris sagte kein Wort. Das war mir auch ganz lieb. Zum Glück wurden wir schnell reingerufen. Dafür war der Promistatus und die Privatversicherung mal wirklich gut. Die Uhr zeigte schon halb zwölf nachts. Gähnend ließ ich mich auf den Stuhl sinken. Chris schimpfte ein paar Mal los, während der Arzt seine OP-Narbe und den Fuß kontrollierte.  Dann bekam Chris wie nicht anders zu erwarten war eine ordentliche Standpauke, weil er auf die Bühne gegangen ist.  Er presste den Kiefer aufeinander und schob trotzig das Kinn vor. Langsam begann ich mich zu wappnen. Spätestens im Auto würde er loslegen. Aber davor bekam er noch eine Spritze gegen die Schmerzen und klappte selbstverständlich auf dem Stuhl zusammen. Gemeinsam mit dem Arzt hievten wir ihn auf die Liege. Dabei stöhnte ich vor Schmerzen auf. Chris griff nach meiner Hand. Der Arzt fragte, ob alles okay sei. Ich berichtete kurz von dem Unfall und dass die Rippen sehr stark geprellt waren. Er wollte natürlich nachsehen. Beim Abtasten hätte ich ihn am liebsten verprügelt. "Möchten Sie auch etwas gegen die Schmerzen? Sie haben ja noch eine längere Fahrt vor sich. Was haben Sie bislang bekommen und was haben sie heute eingenommen?" Dann bekam ich ebenfalls eine Spritze. Draußen mussten noch ein paar Formalien erledigt werden und dann ging es in die kühle Nachtluft hinaus. "Warum hast du eigentlich meine Sachen an?" "Die Hose ist nicht von dir..." murmelte ich genervt. "Außerdem habe ich nicht an meine Klamotten gedacht, als du einen Unfall hattest." "Jetzt zick hier nicht noch rum! Ich hab nicht drum gebeten, dass du herkommst!" "Boah, ist das dein Ernst jetzt?" Wütend riss ich die Fahrertür auf und plumpste auf den Sitz. Scharf zog ich die Luft ein. Das war nicht gut gewesen. Noch mehr schäumend ließ ich die Tür ins Schloss knallen und startete den Motor. "Gib lieber die Adresse ins Navi ein. Aber im Bus schlaf ich heute bestimmt nicht bei dir! Das kannst du vergessen!" "Willst du etwa nach Hause oder was?" "Nee, ich such mir ein Hotel." "Aber nicht alleine!" Ich setzte an, aber Chris war schneller. "Vergiss es! Ich komm mit oder du gehst zu uns in den Bus! Ende der Diskussion! Ich lass dich doch nicht alleine durch die Stadt und das mitten in der Nacht!" "Dann bau halt keinen Unfall! Und warum trittst du so krank auf? Was soll das bitte? Das ist total dämlich!" "Das ist was bitte? Hast du meine Arbeit gerade dämlich genannt? Du arbeitest doch auch und planst dumme Sachen in einer Stadt ganz weit weg von zuhause!" "Das war mal mein Zuhause wo ich dumme Sachen plane. Das  gebe ich gerade für dich auf. Und zwar im Alleingang, weil du ja arbeiten gehst! Und dann fahre ich hunderte Kilometer, weil ich mir Sorgen mache und du hast nichts besseres zu tun als mich auf die Klamotten hin zu kritisieren. Ich bin krank. Mir geht es noch nicht wieder so gut wie dir. Was denkst du eigentlich, was ich nach heute für Schmerzen habe?!" Chris schimpfte noch etwas vor sich hin, aber ich drehte das Radio voll auf. Ich wollte ihn nicht mehr hören und hoffte, dass er bald schlief. Kurz vor der Halle drehte Chris das Radio wieder leiser und sah mich an. "Andreas bringt mir die Sachen zum Auto. Und er hat noch ein Hotel für uns gefunden und reserviert." Ich nickte nur kurz und drehte das Radio wieder hoch. Meine dumme Arbeit und meine Klamotten wollten mit ihm nicht mehr reden.

Andreas kam zum Auto. Ich stellte den Motor ab und stieg aus. Vier Stunden war ich nun durchgefahren. Es war fast halb fünf in der Früh.  "Steffi sagt, dem Hund gehts gut und sie hofft, dir auch." Andreas sah mich besorgt an. "Alles okay?" "Dein Bruder ist ein Arsch!" "Oh. Chris hat Dampf abgelassen?" "Kann man wohl sagen!" "Hier ist die Adresse vom Hotel. Ist nur ein paar Meter weiter. Ignorier ihn vielleicht einfach. Der kommt gerade nicht klar, der Kleine." Ich nickte nur dankbar, nahm das Papier an mich und stieg wieder ein. Die beiden hatten kein Wort miteinander gewechselt. Chris malmte auf dem Kiefer und sah mich funkelnd an. "Halt bloß die Klappe jetzt! Sonst bin ich weg! Ich schwöre dir das!" "Du bist eine blöde Kuh!" "Hornochse! Halt besser die Klappe. Du bereust das!"

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