43 Geschenke von den Liebsten

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Völlig verstört beendete ich ein paar Stunden später meinen Dienst. Meinen liebsten Kollegen wünschte ich natürlich schöne Weihnachtsfeiertage, einen tollen Urlaub und einen guten Rutsch. Bettina und Elisa wollten von mir zum Abschied noch wissen, wie es Attila geht und wie ich meine Ferien verbringen wollte. "Attila erholt sich langsam. Diese Frau ist ja vernommen worden. Da passiert hoffentlich nichts mehr. Ich werde Attila aber wohl an einen anderen Ort bringen müssen, sobald er wieder in einem Hänger stehen kann. Das war schon Horror, wie wir ihn aus der Klinik heimgefahren sind." "Ohje, der arme Attila! Und wie verbringst du deine Ferien? Gehts wieder in die Heimat?" "Ja. Dieses Jahr warten zwei Familien dort auf mich. Das ist schon ein komisches Gefühl!" "Genieße es! Wir wünschen die nur das Beste und erhole dich etwas. Das mit Attila hat dir zugesetzt. Du siehst nicht gut aus, meine Süße" sagte Bettina langsam und umarmte mich nochmal. Sie war bestimmt zwanzig Jahre älter als Elisa und ich und hatte selber Töchter. Ich mochte sie sehr. Elisa nahm mich auch noch mal in den Arm. Die beiden zogen dann hinter ihrem Rücken ein kleines Päckchen hervor. "Für mich?" Zuvor hatte ich den beiden bereits meine Leckereien gegeben. Sie waren ganz verrückt danach gewesen. Langsam öffnete ich das Papier und darin war eine kleine Schachtel. Sie war sehr flach. Ich hob langsam den Deckel an.  Ein kleines Pferd aus Holz, welches ein Kleeblatt auf dem Bauch hatte. "Wir dachten, ein kleiner Glücksbringer für dich. Mach ihn doch in dein Auto." "Ich danke euch so sehr! Ich umarmte die beiden Frauen ein letztes Mal und mit Tränen der Rührung und ging dann.

Am Auto angekommen seufzte ich. Einsteigen und ab zu Attila. Der Abschied würde mir gerade jetzt, da er immer noch schwer angeschlagen war, sehr schwer fallen. Aber ich wusste, dass die Leute aus dem Stall alle ein wachsames Auge auf ihn haben würden. Lars hatte den ganzen Stall verriegelt und verrammelt und es waren mehrere Kameras installiert worden. Attila war nicht das einzige wertvolle Pferd in diesem Stall und er hatte Angst bekommen. Als ich Attila aus seiner Box holte und striegelte, sprach ich wieder mit ihm. "Weißt du, ich fahre wirklich nicht gerne weg. Und ich habe auch echt Angst, dass wieder was passiert. Aber ich kann einfach nicht mehr und etwas Zeit bei Mama und Papa würde mir gut tun. Außerdem muss ich mir für dich noch einen Platz suchen. Du kannst nicht hier bleiben. Wenn diese Bennewitz dir nochmal was tut.... Attila das schaffe ich nicht. Ich liebe dich so..." wieder rollten mir die Tränen über mein Gesicht und ich sank an der Wand entlang hinunter. Attila löste den Knoten seines Strickes und steckte seine Nüstern in mein Haar. Leise weinte ich vor mich hin und Attila pustete mir in mein Haar und knabberte an meinen Wangen. Immer wieder stupste er mich leicht an. Erst als Janin mit Wiebke um die Ecke kam, sah er hoch. Die beiden wollten zu mir aber Attila ging es besser und so kam was kommen musste: Mein Pferd baute sich vor mir auf und legte die Ohren flach nach hinten an den Kopf. Drohend stampfte er mit den Vorderhufen auf den harten Boden auf und ließ keinen der beiden einen Millimeter näher kommen. "Dem gehts aber wieder besser. Er meint, er kann dich schon wieder beschützen!" Janin zog lächelnd einen Apfel hervor, Attila packte sich diesen und schmiss ihn jedoch in meinen Schoß, nur um wieder Janin zu drohen. "Attila! Es reicht jetzt! Helf mir lieber hoch!" Ich schnipste und Attila senkte den Kopf soweit, dass ich in seine lange Mähne greifen konnte und er mich mit hochzog. Dann lief ich schulterzuckend mit Attila zur Reithalle. Auf dem Weg dorthin griff ich nach dem Glücksbringer und zeigte ihn dem Pferd. "Das ist ein Glücksbringer für uns beide. Wo soll ich den hinmachen? Ins Auto vielleicht?" Die Reithalle war fast leer. Ich machte mir wie so oft garnicht erst die Mühe, ihn fest zu halten. Kaum war der Sandboden erreicht, schmiss sich mein gerade gebürstetes Pferd wieder in den Dreck und sühlte sich grunzend hin und her. "Willst du dich nicht mal wieder drauf setzen? Der Tierarzt meinte doch man könnte es mal wieder langsam mit Belastung für ne Runde im Schritt versuchen." "Hmm... ich weiß nicht." In diesem Moment zwickte mich Attila ins Bein. Ich stand wohl beim Wälzen im Weg. Als ich jedoch runtersah, sah ich ein halb sitzendes Pferd. So hatte ich ihm das mit Aufsteigen für eine Show mal beigebracht. "Attila, meinst du nicht, dass das noch zu früh ist?" Er sah mich aufmerksam an. Die Ohren nach vorn, die Augen ruhig auf mich gerichtet. Dann schnaubte er leise. "Man Andrea, setz dich schon rauf. Ich hab ja selten Pferde gesehen, die so darum betteln, dass der Reiter mal wieder seinen Hinterm raufschwingt!" lachte Janin im Hintergrund. Also gut, eine Runde im Schritt. Ich konnte ja runter wenn er wieder lahmen sollte. Ich ging vorsichtig an seine Seite und legte ein Bein über seinen Rücken. Attila drehte den Kopf und sah mich an. Ich streichelte ihm über seine Blässe. Dann griff ich in seine schwarze Mähne und er stand langsam auf.  Das Gefühl, was mich überkam, als ich das erste Mal seit Wochen wieder auf diesem Pferd saß, war überwältigend. Janin filmte den Moment. Ich merkte, wie Attilas Muskeln sich anspannten und er vorsichtig erst ein Vorderbein und dann ein Hinterbein bewegte. Die ersten Schritte waren sehr staksig, doch dann lief er, zwar etwas lahmend, aber er lief. "Er lahmt hinten noch etwas" sagte Wiebke. Ich nickte traurig und wollte runter. In diesem Moment schüttelte Attila den Hals so sehr, dass ich nicht wirklich runter kam. Dann lief er weiter. Als ich nach einer Runde runter wollte, musste Janin ihn festhalten, damit ich runter gleiten konnte. Attila passte das nicht. Aber ich wollte es nicht übertreiben. Es hatten sich viele Leute an der Halle versammelt und ich hatte es nicht mitbekommen. Sie fingen an zu klatschen, als ich wieder neben Attila stand. Er wurde, ganz Showpferd, drei Meter größer und schnaubte stolz vor sich hin. Meine Wenigkeit war peinlich berührt. Doch aus Reflex heraus ließ ich ihn nochmal Steigen.Er stand plötzlich auf seinen Hinterbeinen vor mir und man sah ihm an, dass er glücklich war, wieder den dicken Maxen raushängen lassen zu können. Auf dem Weg zur Box versprachen mir alle, gut auf ihn Acht zu geben. Gerade jetzt, wo es schon wieder besser ging, wäre ein Rückfall der allergrößte Mist.

Lars kam um die Ecke. "Andrea, ich hab hier eine Mail bekommen. Ein Reporter hat mitbekommen, dass dein Pferd von einem Pferdehasser attackiert wurde und will einen Bericht bringen. Er sagt, er würde Attila aus der Pferdeshow vom Frühjahr kennen." "Ich weiß nicht. Ich will nicht auch noch die Presse hier haben. Kannst du ihn nicht abwimmeln? Bitte Lars, ich hab da echt keinen Nerv drauf. Außerdem wird das Ganze erst noch vor Gericht verhandelt. Vielleicht wäre das jetzt dumm." "Ja, ich habs mir schon gedacht. Ich werde ihm sagen, du stehst nicht zur Verfügung." "Danke. Und Lars... pass gut auf die Pferde auf." "Mache ich. Das verspreche ich dir!" Wir umarmten uns nochmal. Janin kam heute mit zu mir. Sie wollte mir noch beim Packen helfen. Auf dem Rückweg tankte ich mein Auto noch schnell voll und kontrollierte den Reifendruck. Zuhause machten wir uns Spaghetti und tranken ein Glas Sekt dazu. Mein Koffer war zu zweit schnell gepackt. Janin würde Weihnachten bei Ihren Eltern verbringen und an Silvester bei Marco sein. "Was ziehst du denn bei Chris an?" wollte sie wissen. Ich zeigte ihr meine Kleider. Eines ging bis über die Knie und hatte eine ausgestellte A-Linie. Es war dunkelrot und mit schwarzer Spitze besetzt. Es sah edel und dezent aus. Das zweite Kleid war aus dunkelblauem Strick und etwas enger. Zu diesem Kleid trug ich immer einen grauen breiten Ledergürtel. "Ich dachte, dass rote bei meinen Eltern, so mit Kirche und so und das blaue bei Chris Familie." "Die sind total hübsch. So kenn ich dich auch eigentlich nicht" grinste Janin. "Und drunter?" "Hmm... ich weiß nicht, ob das eine Rolle spielt bei der Familie...." grinste ich zurück. Janin zog dann ein in Seidenpapier eingeschlagenes Geschenk aus ihrer Handtasche. "Mein Weihnachtsgeschenk. Da du ja nie mit shoppen willst, hab ich dir was Passendes besorgt." Ihre Augen funkelten so komisch und ich ahnte Schlimmes. "Das machst du auf, BEVOR du zu Chris fährst. Aber alleine..." sie zwinkerte mir verschwörerisch zu. Auf Janin und ihren Geschmack konnte ich mich verlassen. Das wusste ich. Dankbar fiel ich ihr um den Hals. Für sie hatte ich ein Armband. Es hatte eine kleine Blüte eingearbeitet, auf deren  Blättern ich ein 'A' für Aslan und ein 'M' für Marco habe eingravieren lassen. Sie durfte es natürlich sofort öffnen.Janin standen die Tränen in den Augen, als sie die Buchstaben sah. Sie hatte die gleiche Blüte auf der Schulter tattowiert. Dort hatte sie die Initialen ihrer Familienmitglieder einarbeiten lassen. Aslan fehlte noch. Und Marco auch. "Jetzt bin ich fast komplett!" sagte sie zu mir. Ich sah sie fragend an. "Du fehlst eigentlich noch." "Eigentlich?" Sie zog verschwörerisch grinsend und sehr langsam ihre Hose hoch. An ihrem Bein entdeckte ich ein neues Tattoo. Eine kleine Rose. Und ein 'A'. Die Rose war nur zur Hälfte fertig. "Da kommt noch ein 'A' rein. Eines für dich und eines für Aslan." Und wieder musste ich weinen. Das war ein echter Liebesbeweis von meiner besten Freundin. Wir stießen mit Sekt auf Weihnachten an und verabschiedeten uns dann voneinander.

Als Janin weg war, griff ich zu meinem Handy. Mama informierte ich zuerst, dass ich morgen direkt früh losfuhr. Dann rief ich Chris an. Endlich ging er an sein verdammtes Telefon. "Chris. Ich habe schon ganz oft versucht, dich anzurufen. Ich habe eine Mail vom Anwalt bekommen. Mit Auszügen von der Aussage von Frau Bennewitz!" "Ja, wir haben noch was vorbereitet... eine Illusion... Was hat sie denn zu sagen?" Dann erzählte ich ihm davon. Als ich geendet hatte, war auf der anderen Seite nur Schweigen zu vernehmen. "Das musst du uns morgen zeigen. Das ist ja der Hammer. So eine Psychotante!" "Reg dich nicht auf. Morgen bin ich endlich wieder bei dir." "Wann kommst du denn?" "Ich fahr ganz früh los und bin dann mittags erst bei Mama. Ich will da was essen und den Baum noch mit meiner Schwester schmücken. Papa hat ihn aber schon aufgestellt." "Und dann kommst du endlich her? Sonst hol ich dich!" Sein drohendes Grinsen und seine funkelnden Augen sah ich mit geschlossenen Augen vor mir. "Mal sehen. Vielleicht möchte ich ja bei meiner Familie bleiben?" "Ich schwöre dir, dass ich dich dann eigenhändig da raustrage...." sagte er und fügte dann sanft hinzu "ich vermisse dich. Es ist Weihnachten und ich will das mit allen meinen Liebsten verbringen." Ich schmolz am Telefon dahin. Chris packte scheinbar seine romantische Ader aus. Die kannte ich so noch nicht von ihm. "Bringst du mir wirklich zaubern bei?" fragte ich, um vom Thema abzulenken. "Wenn du was lernen möchtest, bringe ich dir was bei." "Ein Entfesselungstrick wäre doch was Nützliches." "Auch den. Aber dafür müsste ich dich erstmal in Fesseln legen." "Rrrrr" "Wir legen jetzt besser auf, sonst muss ich mich zu dir teleportieren." Ich lief rot an. Hatte ich das gerade wirklich alles so gesagt? "Ich freue mich auf morgen nachmittag. Essen wir abends zusammen?" "Können wir machen. Wir sind morgen übrigens eingeladen. Die Jungs wollen sich morgen nochmal auf eine Partie Tischtennis treffen." "Okay. Die wollten mir das ja eh noch beibringen." Darauf freute ich mich. "Wenn, dann bringe ICH dir was bei. Du sollst ja gut spielen" lachte Chris. "Gute Nacht. Ich freue mich auf morgen. Vor allem auf dich." "Schlaf gut mein Schatz. Und fahr vorsichtig und melde dich!" Als wir auflegten, lächelte ich glücklich und schlief mit den Gedanken an Chris ein. An was für einer Illusion sie wohl gearbeitet hatten? Die Tour ging ja nach Weihnachten schon los...

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