24 Charly und die Schokolade

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Chris kam auf die Bühne, umarmte mich und verkündete, dass jetzt Feierabend ist. Andreas redete mit Chris auf dem Weg zum Auto über irgendwelche Technik, die kaputt sei und bis die Ersatzteile da sein würden, dauerte es noch bis nach dem Wochenende. So wie Chris guckte, waren das ganz schlechte Nachrichten.  Wir stiegen der Reihe nach wieder ins Auto und es ging zurück in die Heimat. Gott sei Dank war es keine ganz lange Fahrt, aber es war ein sehr langer Tag gewesen. Kaum im Auto, lehnte ich mich an Chris und schlief direkt ein.  Erst, als das Auto hielt und ich an der Schulter sanft gerüttelt wurde, schlug ich die Augen wieder auf. "Aufstehen, du Murmeltier", forderte mich Andreas auf. Chris half mir wieder beim Aussteigen. Der Fuß war besser, das Schmerzmittel wirkte gut. "Ich hab Hunger" jammerte ich Chris an. "Dann holen wir noch was zu essen." Ich lächelte ihn glücklich an, verabschiedete mich von Andreas und wendete mich Thomas zu. "Hast du wirklich gut gemacht heute morgen. Wir sehen uns bestimmt noch häufiger jetzt!" Von Hilde kam eine ihrer Umarmungen und dann glitt ich schon auf den Beifahrersitz unseres Wagens. Gähnend drehte ich das Radio lauter. Es lief nämlich gerade High Hopes. Als Chris einstieg guckte er mich nur schief an. "Okay..." War mir aber egal. Ich sang einfach laut mit, da es mein Gute-Laune-Lied ist. Mein Chauffeur brummte erst nur mit, aber dann legte er auch los. Wieder wach und munter hielten wir auf einem Umweg bei einem Imbiss an und fuhren dann mit dem Essen nach Hause. Wie gut Pommes und Burger nach einem langen Tag nur mit Croissant und Banane schmecken können!

"Morgen wollen wir dir mal was zeigen", kündigte mir Chris noch an, ehe ich neben ihm einschlief. Ich nickte nur noch hundemüde und fiel in meine Träume zurück. Ich träumte von dieser riesigen Bühne und das der Schmetterling auf einmal abhob. Und nebenbei spielte der Flügel ganz alleine mein Lied. Dann verwandelte sich das Lied in ein nervtötendes Piepen und neben mir begann es zu wackeln. Als ich langsam realisierte, das Chris neben mir gerade sein Handy suchte, um diesen Wecker auszustellen, war ich etwas verwirrt. Endlich war das Piepen weg und ich sank tiefer in mein Kissen. Besser gesagt, unter mein Kissen. Das Sonnenlicht kam durchs Fenster rein und blendete mich. Ich spürte, wie mein Freund sich wieder an mich kuschelte und meine Haare von meinem Rücken strich. Wohlige Schauer liefen mir über den Rücken und ich begann wieder zu träumen. Diesmal sprang ich mit Attila über den Reitplatz und auf Attila saß Andreas Tochter und lachte die ganze Zeit. Als mich etwas am Fuß kitzelte, wurde ich wieder wach. Chris war nicht mehr neben mir und es waren Stimmen aus dem Wohnzimmer zu hören. Am Fußende stand ein kleiner Hund und schnüffelte an meinem Verband. Ich ließ mich wieder in die Kissen zurücksinken. Hatten wir Besuch? Und wer? Ich lauschte gespannt. Das war Andreas. Hatte er jetzt doch einen Hund? Oh man. Und ich sah bestimmt horrormäßig aus. Der Hund kam ans Kopfende und schnüffelte an meiner Hand. "Charly... Komm her..." hörte ich eine Kinderstimme, dann kam Andreas Tochter rein und sah mich an. Sie hüpfte direkt mit ins Bett. Chris und Andreas schauten durch die Tür und grinsten uns an. Die Kleine hatte Charly mit ins Bett geholt und wir saßen nun da, mit dem Hund in der Mitte, und grinsten zurück. "Der Hund.. raus aus dem Bett..." ermahnte Andreas seine Tochter. Chris lachte sich halb tot, als ich darauf die Schippe zog. Dann kroch ich aus dem Bett, wickelte mich in die Bettdecke ein, gab Chris einen Kuss und trottete ins Bad. Nach einigen Minuten hatte ich meine Haare gekämmt, Zähne geputzt und ließ mich neben Chris auf die Couch nieder. Mein Kaffee stand schon auf dem Tisch. "Was macht ihr hier? Und seit wann habt ihr einen Hund? Guten Morgen erstmal." "Wir wollten heute zu Papa. Der Hund ist nur geliehen. Und meine Tochter hier", Andreas nahm sie sich auf den Schoß und kitzelte sie etwas, "wollte unbedingt mit, weil sie zu dir wollte." "Wie, ihr wollt zu eurem Vater? Jetzt?" Ich war etwas geschockt. Damit hatte ich nicht gerechnet. "Ich meine, klar, ich mach mich fertig." Ich stand schnell auf und suchte meinen Pulli, den ich mir über mein Shirt zog und band mir meine Haare zusammen. Chris und Andreas waren beiden nicht gut drauf. Das sah ich sofort. Ich beschloss, meinen Mund zu halten und half der Kleinen stattdessen in ihre Jacke. Ohne Frühstück und ohne Schmerzmittel war der Weg zum Auto allerdings eine kleine Herausforderung. Es war jetzt fast zehn Uhr morgens und sonnig, aber eiskalt. Ich zog die Kapuze meiner Jacke über den Kopf und stieg hinten ein. Der Hund kam vorne zu Chris in den Fußraum. Wir fuhren ziemlich schweigend die Strecke zum Friedhof. Gott sei Dank unterhielt uns Andreas Tochter mit einigen Episoden, was Ihre Brüder alles so anstellten. Mein Kloß im Hals wuchs aber mit jedem Meter, den der Wagen rollte, wie hasste ich doch Friedhöfe. Das Wissen darum, wie schwer es für die Zwei war, den geliebten Vater nicht mehr bei sich zu haben, brachte mich gerade in die Verzweiflung. Man hätte mich schon vorwarnen können, ich hätte mich raus geredet. Jetzt musste ich aber erwachsen sein und mich diesem Friedhof stellen. Es war niemand dort, den ich kannte. Niemand, den ich mal liebte. Aber jemand, den ich bestimmt genauso lieb gehabt hätte wie Chris, hätte ich ihn gekannt.

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