93 Happy Birthday

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Irgendwie hatte ich es geschafft, Chris soweit abzulenken, dass ich noch vor Mitternacht das Paket aus meiner Tasche ziehen konnte und mich damit und mit etwas Geschenkpapier im Bad einschloss. Lächelnd nahm ich den Inhalt in die Hand und drehte ihn hin und her. Ich machte ein Foto davon und schickte es mit einem Dankeschön an den Absender. Dann packte ich es liebevoll ein. Ein Blick auf die Radiouhr im Bad zeigte halb zwölf an. Grinsend ging ich wieder hinaus. Chris saß immer noch auf der Couch und blätterte durch das alte Fotoalbum. Dort waren viele Bilder von mir und meiner Schwester. Und von diesen Reiterferien. Den Ferien, die ich mit seiner Schwester verbrachte. Und wo wir uns zum ersten Mal begegnet waren. Glücklich strahlte ich auf dem Rücken eine großen Pferdes in die Kamera. Im Hintergrund stand Stephanie und lachte ebenfalls. Und da war auch das Foto, was auch Hedi besaß. Das, auf dem Hedi nebem Stefanie stand. Chris neben mir. Und alle waren am Grinsen. "Hätten wir uns nie aus den Augen verloren, wäre uns einiges erspart geblieben." Chris klang nachdenklich. Seine Vergangenheit war ja nun auch ziemlich bunt gewesen. Diese ganzen Frauen versetzten mir immer noch einen Stich. "Wir haben uns ja wiedergefunden" sagte ich leise. Wir fassten uns beide automatisch an den Kopf und lachten. Unauffällig hatte ich das kleine Päckchen hinter die Couch gelegt und setzte mich zu Chris und Jack. Ich saß gerne bei den beiden. "Meine eigene Familie" flüsterte ich, während ich meine Finger mit denen von Chris verschränkte und mit der freienen Hand Jack am Ohr kraulte. Der Hund legte wie zur Bestätigung den Kopf auf unseren Beinen ab. Ich sah hoch und mein Blick traf Chris braune Augen. Sie strahlten in diesen Momenten eine so besondere Wärme aus. Diesen Blick hatte er definitiv nur bei mir und wenn wir unter uns waren. Dieser Blick gehörte mir. Von weit weg klang das Läuten eines Kirchturms durch die Nacht. Ich sah auf die Uhr. "Alles Gute zum Geburtstag!" sagte ich und küsste Chris. Ich schlang meine Arme um ihn und krabbelte auf seinen Schoß. Dabei fischte ich nach dem Geschenk und zog mich zurück, als ich es hatte. "Wie.. woher... wie hast du das denn jetzt gemacht?" Chris sah etwas verdutzt auf das Geschenk in meiner Hand und fasste sich an den Hals. "Magie..." gab ich grinsend zurück. "Ich lerne schließlich von den Besten!" Er lachte und küsste mich erneut. Erst viel später lösten wir uns voneinander und er machte das Geschenkband auf. Seine geschickten Finger lösten quälend langsam die Klebestreifen am Papier. Dabei sah er mich immer wieder lächelnd an. Das kam mir von den Illusionen her sehr bekannt vor.  Dann faltete er das Papier endlich auseinander. Seine Finger griffen nach dem Inhalt. Er drehte es in der Hand und schaute es sich genau an. Es war ein Armband aus Leder. Passend zu seinen Outfits auf der Bühne hatte es natürlich Nieten. Und von innen besaß es einen Schriftzug. 'A & C'. Er strich mit dem Finger darüber. "Das steht hoffentlich nicht für mich und meinen Bruder!" lachte er und zog mich zu sich. "Danke!" flüsterte er mir ins Ohr. Wir dachten uns, das fällt nicht auf, sollte es mal jemand sehen. Und so hast du immer etwas von mir mit auf der Bühne." "Wir?" "Das hat Kathrin gemacht. Nach meinen Vorstellungen." "Kathrin.. ja klar... Eine schöne Idee. Das werde ich definitiv immer tragen!" Er besiegelte dieses Versprechen mit einem Kuss. Dann sprang ich auf. Vom Balkon holte ich zwei Flaschen Bier. Chris Augen strahlten. "Das sollen wir doch noch nicht trinken!" "Das weiß ja keiner" zwinkerte ich ihm zu und öffnete die beiden Flaschen. Wir stießen grinsend an und genossen jeden einzelnen Schluck. Chris strahlte bis über beiden Augen. "Du bist die beste Frau, die ich mir wünschen kann, weißt du das?" Ich zuckte mit den Schultern. Wenn er wüsste..."Los, alter Mann, ab ins Bett. Ich bin mir nicht sicher, ob es das schon war..." Kichernd und knutschend legten wir uns in Bett und kuschelten so lange miteinander, bis der Schlaf uns überkam.

Am nächsten Morgen schliefen wir etwas aus. Ich brachte Chris Kaffee ans Bett. Und einen Schokoriegel. Glücklich lächelnd genoss er mein Verwöhnprogramm. Ich kraulte ihm den Nacken und wuschelte durch seine Haare, während er an der Schokolade lutschte und schnurrte wie ein Kater. Nach einigem Kuscheln und Hin und Her bekam ich ihn aus dem Bett. Denn wir mussten los. Die Familie hatte eine Überraschung geplant. Andreas hatte mir gestern eine Augenbinde aus der Show dagelassen. Als Chris endlich fertig war, zeigte ich ihm die Binde. "Was wird das jetzt? Und wozu sollte ich dann bitte aufstehen?" "Du Blödmann. Doch nicht das! Du wirst im Alter wohl immer penetranter bei dem Thema, wie?" witzelte ich. Leider fing ich mir dafür einen Knuff in den Arm ein. "Aua!" schmollte ich und rieb mir den Arm. "Soll ich pusten kommen?" "Ja bitte... Hey! Nur den Arm" lachte ich zwischen seinen Küssen, denn er pustete mir auch in die Ohren und in den Nacken, umfasste meine Hüfte und zog mich dicht an ihn. Ich gab nach, denn knutschen konnten wir tatsächlich wie die Teenager. Eine Ewigkeit später setzte sich Chris mit Jack an den Füßen ins Auto. Ich band ihm die Augenbinde um. "Aber nicht den Voldemort, wenns geht!" lachte er. Ich hatte sie natürlich nicht so stramm gebunden. Dann fuhr ich los. Um ihn zu verwirren, fuhr ich kreuz und quer durch den Ort bevor ich zur Werkstatt abbog. Hier rangierte ich ewig auf dem freien Platz vor der Halle. Chris hatte wirklich keine Ahnung, wo er war und quengelte herum wie ein kleines Kind. Als ich ihm aus dem Auto half und ihm Jack abnahm, machte niemand einen Mucks. Die Tür zur Halle war geöffnet. Noch nie hatte ich es darin so ordentlich gesehen. Ich staunte nicht schlecht. "Kann ich das Ding langsam mal abnehmen? Wo sind wir denn?" Chris wurde es langsam aber sicher zu blöd und er zupfte bereits wie ein ungeduldiger Junge an dem Stoff über seinen Augen. Ich bekam ein Zeichen von Andreas. Er zählte lautlos an den Fingern von drei abwärts. Dann nahm ich die Augenbinde ab. Ein lautes "Happy Birthday to you" wurde von der gesamten Familie und Crew gesungen. Chris sprang auf und schlug sich die Hände vor den Mund. Mit Freudentränen in den Augen begrüßte er dann alle nacheinander und ließ sich beglückwünschen. Die Crew hatte diese Idee größtenteils angestoßen, denn sie hatten sich sehr große Sorgen um Chris gemacht. Auch ich wurde begrüßt und gedrückt. Alle wollten wissen, wie es uns mittlerweile geht und ob alles in Ordnung sei. Das schwarze Auto von Chris war durch die Presse gegangen. Es war ein Totalschaden und wurde verschrottet. Ein neues Auto hatte er noch nicht. Die Bilder hatten allerdings überall für großen Wirbel gesorgt. Dabei stand sein Name nirgends in der Presse. Aber jeder wusste doch, dass es wir waren, die dort verunglückt waren.  Als letztes kamen die Fangeschenke dran. Man hatte sie im Büro am Fenster ordentlich drapiert. So, wie Andreas vorher, hatte nun auch Chris erstmal eine Menge zu Naschen und viel zu entdecken. Ich staunte nicht schlecht. "Chris, du musst noch ein Foto für die Fans machen. Die warten eh auf ein nächstes Lebenszeichen von euch." Chris nickte seinem Bruder zu. Er ließ allerdings meine Hand nicht los, als er ein Selfie für die sozialen Netzwerke schoss und es postete. Und so war auch meine Hand auf dem Bild zu sehen. Er schrieb ein paar Sätze dazu und dann gingen wir zurück zu der Meute, die auf den Kuchen warteten. Außerdem wurde der Grill schon angeschmissen. Chris bekam viele schöne Geschenke von seiner Familie. Ich unterhielt mich derweil mit seiner Schwester und ihrem Mann. Die Schwangerschaft interessierte mich ja doch und so wollte ich natürlich als erstes wissen, ob alles gut war. "Du bist ja Eine. Landest fast unter der Erde, aber fragst uns, ob alles okay ist!" Stefanie umarmte mich fest. Das hatte sie noch nie gemacht. Viele der Gäste hatten mich umarmt und mich komisch angesehen. Mir war nicht klar gewesen, wie groß der Kreis derjenigen war, die betroffen auch an mich dachten. "Mit dem Kind ist alles in Ordnung. Aber die Heißhungerattacken sind schlimm." Ihr Mann lachte auf. Beide erzählten mir von den Gelüsten, die sie überkamen. Von Gurken mit Marmelade und Käsebrot mit Senf. Ich zog angewidert die Augenbrauen zusammen und schüttelte mich lachend. Hedi und Mama kamen zu mir. "Der Kuchen?" fragten sie und rieben sich bereits die Hände. Mama strahlte vor Stolz. "Dann bindet Chris mal in ein Gespräch ein, dass er es nicht mitbekommt. Er hat mich leider im Blick." Beide Mütter hakten sich bei Chris unter und baten ihn, etwas zu zaubern. Das würde seine Konzentration von mir ablenken. Stefanie und Steffi verschwanden mit mir ins Wohnhaus. Wir holten den Kuchen. Geplant war das Ganze, aber ob der Plan aufgehen würde, wussten wir nicht so genau. Andreas hatte die Idee gehabt. Und so stand der Kuchen jetzt hinter mir und jeder reihte sich vor mir ein. Chris bekam eine Schüssel von seiner Mutter in die Hand. Er durfte nun weitere Geschenke einsammeln. Und jeder Anwesende in der Reihe schmiss eine Süßigkeit in die Schüssel. Ich war die letzte in der Reihe. Von mir bekam er einen Kuss und dabei drehte ich ihn so, dass er nach dem Kuss den Blick auf den Kuchen frei hatte.  Er löste sich widerwillig von mir und bekam dann sehr große Augen. Vor ihm stand ein riesiger Schokobon. Wir hatten das mit der Schrift und dem Papier ganz gut hinbekommen. Und zum Glück sah er heute noch so aus wie gestern. "Wow! Hast du das gemacht?" Ich nickte nur kurz. Er packte mich und wirbelte mich herum. Ich bekam keine Luft mehr und der Schmerz umfasste mich. Etwas kraftlos sackte ich in seinem Arm zusammen und japste nach Luft. Der Schmerz ließ nach. "Oh scheiße. Entschuldige bitte." Chris sah sehr, sehr besorgt in mein Gesicht. "Geht schon. Alles gut. Aber sowas bitte heute nicht mehr. Irgendwie wird mir davon komisch." Alles lachte tapfer. Aber jedem stand ins Gesicht geschrieben, dass sie geschockt waren, wie schlecht es sowohl mir als auch Chris ging.  Es dauerte nicht lange und Chris hüpfte erneut wie ein Kind um den Kuchen und drehte ein kleines Video, Andreas neben sich hüpfend. Steffi und ich sahen uns nur hilflos an. Natürlich stellte er es direkt online. Andreas und er priesen den Kuchen an und freuten sich nochmal zusammen über sich selbst, die Fans und das Leben an sich.  Mittlerweile hatte ich auch wieder Luft und stand von meinem Stuhl auf. Der Kuchen sollte angeschnitten und veteilt werden. Nach Chris kamen die Kinder und erst dann der Rest der Mannschaft.

Es war ein schöner Nachmittag. Wir saßen beisammen, feierten und redeten. Chris freute sich noch immer wie ein Wahnsinniger über den Kuchen und futterte fast die ganze Zeit irgendwas. Wo auch immer er das alles hinessen konnte, ich konnte es nicht. Nach nur einem Bruchteil von dem, was er futterte, war mir bereits total schlecht, weil es zu viel war. Chris hatte Andreas mittlerweile auch sein Armband gezeigt. Andreas fand es auch toll. Natürlich kam das Gespräch darüber wieder zurück auf die Arbeit der beiden. Sie planten bereits in einer Woche wieder auf die Bühne zu gehen. Und das mit Hochdruck. Sie hatten die ausgefallenen Shows alle irgendwie zwischen die laufenden Termine bekommen. Chris würde also in Arbeit ersticken und ich würde ihn so gut wie garnicht mehr zu Gesicht bekommen. Etwas traurig ob dieser Nachrichten saß ich auf dem Stuhl und ließ mir von Mama den Rücken streicheln. Jack war mit Charly zum Toben in den Garten gesperrt worden und man hörte die Kinder schreien und die Hunde bellen. Um uns herum ging es entweder um die Arbeit an der Show oder aber über Kochrezepte und Haushaltstricks. Ich hatte mich komplett ausgeklinkt. Mein Umzug stand auch noch bevor. Ich hatte von meinem Vermieter die Nachricht bekommen, dass er einen Nachmieter hatte und ich auch früher aus der Wohnung könne. Und alles ohne Chris an meiner Seite. Daher hatte ich auch noch nicht mit ihm gesprochen. Plötzlich klingelte mein Handy.

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